Die Modernisierung und der Netzausbau sind nötig, denn das bulgarische Stromnetz zählt aktuell zu den größten Hindernissen bei Bulgariens Energiewende.
Investoren bereiten im Vergleich zu vor zwei Jahren weniger Solarprojekte vor. Ein Grund dafür ist eine neue Verpflichtung für Betreiber von Solar- und Windparks. Denn seit Oktober 2023 verlangt der Gesetzgeber, dass Stromproduzenten aus erneuerbaren Energien eine Garantie von 25.000 Euro pro Megwatt installierter Leistung an den Übertragungsnetzbetreiber zahlen.
Erzeuger zahlen Garantie für Netzanschluss
Das soll Geld ins System spülen, um den Reformstau beim Netzausbau zu lösen. "Die Garantie macht es für den Netzbetreiber einfacher, das Netz zielgerechter zu entwickeln", erklärt Orlin Kalev von Elektrawinds. Denn gerade die Netzkapazität hindert Investoren daran, die erneuerbaren Energien in Bulgarien weiterzuentwickeln.
Investoren fehlt Vorhersehbarkeit am Markt
1,5
Gigawatt
installierte Leistung wird Bulgarien voraussichtlich 2024 anschließen, laut ESO.
Mittelfristig verlangsamt sich das Wachstum von Solar- und Windenergie in Bulgarien. Dafür wächst die Unsicherheit unter den Investoren. In letzter Zeit seien die Anträge für Windparks oder Solarparks vergleichsweise weniger geworden, sagt Veselin Todorov von der Nichtregierungsorganisation Solar Academy. "Investoren kaufen lediglich Land und warten." Dies liege an den langwierigen bürokratischen Prozessen und an der begrenzten Netzkapazität.
Dennoch gibt sich der Übertragungsnetzbetreiber ESO optimistisch. In diesem Jahr würden voraussichtlich 1,5 Gigawatt Solaranlagen angeschlossen werden, teilt das staatliche Unternehmen mit.
Bürokratische Hürden halten Projektentwickler zusätzlich auf
Für Solaranlagen benötigt Bulgariens Verwaltungsapparat mehr als ein Jahr, um für Investoren alle Genehmigungen und Dokumente für große Projekte auszustellen. Hier sei ein großes Problem, dass lokale Behörden den Rechtsrahmen jeweils unterschiedlich auslegen und die Mitarbeiter in den Amtsstuben oftmals wenig über Genehmigungen für Solarparks wissen, sagt Todorov. Besonders schwierig sei es etwa, Ackerland in Bauland umzuwandeln. Das sei umso schwieriger, je fruchtbarer der Boden ist. Es fehlen außerdem Regeln für Agrifotovoltaik, für den Ausbau der Solarenergie auf landwirtschaftlich genutzten Flächen.
Für Windparks dauert es in der Regel länger, neben dem Landwirtschafts- und Umweltministerium auch die Luftfahrtbehörde über den Bau einer neuen Windturbine entscheidet.
Übertragungsnetzbetreiber investiert in Netzausbau
Bulgariens Übertragungsnetzbetreiber, ESO EAD investiert bis 2030 rund 1,5 Milliarden Euro in den Ausbau der Hochspannungsleitungen, Digitalisierung der Netze und in neue Umspannwerke. In diesem Zusammenhang hat ESO im Oktober 2023 das Projekt Greenabler gestartet, mit dem Ziel, das bulgarische Stromnetz fit für den Ausbau von erneuerbaren Energien zu machen.
Ein größeres Stromnetz ist außerdem die Grundlage für den Ausbau erneuerbarer Energien in Bulgarien. Denn die Stromproduktion schwankt bei den erneuerbaren Energien stärker. So muss der Netzbetreiber die Energie regelmäßig ausgleichen, damit das Stromnetz nicht wegen zu hoher oder zu niedriger Spannung zusammenbricht. Dabei setzt ESO zunehmend auf Smart-Grid-Technologie im Übertragungsnetz und bei den Umspannwerken. Smart Grid steht für intelligente Stromnetze. Eine digitale Lösung reguliert dabei die Netzspannung optimaler.
Upgrade des Stromnetzes schafft Grundlage für Energiewende
Bulgariens Übertragungsnetzbetreiber ESO EAD wird bis 2030 die Kapazität des Übertragungsnetzes erhöhen. Es will 966 Kilometer Höchstpannungsleitungen upgraden. Die 220-Kilovolt-Leitung werden dabei auf eine Spannung von 400 Kilovolt gebracht. Die Leitungen befinden sich in den Regionen Pleven, Varna, Veliko Tarnovo, Sliven, Plovdiv, Ruse, Shumen, Gabrovo und Pazardzhik. Dadurch kann das Übertragungsnetz perspektivisch mehr Solar- und Windenergie aufnehmen.
ESO beteiligt sich zudem an dem länderübergreifenden Projekt CARMEN. Das steht für Carpthian Modernized Energy Network. Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt zwischen dem rumänischen Netzbetreiber Transelectrica, dem Verteilungsunternehmen Delgaz Grid S.A. (gehört zum Energiekonzern E.ON), ESO sowie dem ungarischen Netzbetreibers MAVIR ZRt. Ziel ist, das länderübergreifende Verbundnetz mit Smart-Grid-Technologie auszustatten und somit den länderübergreifenden Stromfluss zu verbessern.
Außerdem baut Bulgarien die Stromtrassen Richtung Rumänien, Griechenland und Serbien weiter aus. Neue länderübergreifende Höchstspannungsleitungen mit einer Kapazität von 400 Kilovolt sorgen für eine bessere Einbindung Bulgariens in das europäische Verbundsystem. Stromanbieter und -Produzenten werden es damit künftig einfacher haben, Strom im Ausland ein- und zu verkaufen.
Ausbau der Energieinfrastruktur und Solar-Projekte schreiten voranProjekte in der bulgarischen EnergiewirtschaftProjektbezeichnung (Standort) | Leistung (MW) | Unternehmen | Status | Investitionsvolumen (in Mio. €) |
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Ausbau der Wasserstroff-Infrastruktur (Bulgarien-Griechenland) | k.A. | Bulgartransgaz | Studienphase | 1.000 |
Greenabler - Modernisierung der Höchstspannungsleitungen (Hemus - Stara Planina) | k.A. | ESO EAD | Projektdesign | 857 |
CARMEN - Smart Grid (Ungarn-Rumänien-Bulgarien) | k.A. | ESO EAD (für Bulgarien) | Projektdesign | 511,3 |
2 Pumpspeicherkraftwerke (Dospat und Batak Staudämme) | 800-1.000 | NEK National Electricity Co | Studienphase | 152 |
Solarpark (Tsenovo) | 273 | Enery Development | Projektdesign | 25 |
Solarpark (Polyanovo) | 250 | UEG Clean Energy | Projektdesign | 37,5 |
Solarpark (Silistra) | 229 | Rezolv energy | Studienphase | k.A. |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Pressemeldungen, April 2024.
Ausbau von Erdgaskraftwerken ist umstritten
Im Zuge des Kohleausstiegs will Bulgarien einen Teil der Kraftwerke umrüsten und auf Erdgas umstellen. Experten von Bankwatch sind der Meinung, dass sich dies angesichts hoher Investitionskosten nicht lohnen werde. Gaskraftwerke könnten den Strompreis auf im Zeitraum von heute bis 2050 auf 180 Euro und 200 Euro pro Megawattstunde erhöhen. Stattdessen werde Fotovoltaikstrom zwischen 30 Euro und 50 Euro und Strom aus Windkraft zwischen 50 Euro bis 70 Euro pro Megawattstunde kosten, prognostiziert die Internationale Energieagentur.
Zur Wärmeerzeugung können Bulgariens Haushalte Wärmepumpen einsetzen. Für das Fernwärmenetz kann Bulgarien zudem seine heißen Quellen anzapfen, denn das Land verfügt über geothermische Energie.
Gasinfrastruktur schafft Grundlage für Wasserstoffwirtschaft
Der Ausbau der Gasinfrastruktur soll Bulgarien langfristig ermöglichen, eine Wasserstoffindustrie aufzubauen. Derzeit investiert Bulgartransgaz und baut eine neue Pipeline Richtung Griechenland und Rumänien. Alle Pipelines, die sich derzeit im Bau befinden, werden wasserstofffähig sein. Ziel ist, langfristig Wasserstoff als Speicher und als Brennstoff einzusetzen.
Bulgarien etabliert sich außerdem als Gas-Hub in Südosteuropa und wird so zu einem wesentlichen Transitland für die Versorgung von Serbien, Nordmazedonien, Ungarn und der Republik Moldau mit Gas und künftig mit Wasserstoff.
Von Dominik Vorhölter
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Sofia