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Wirtschaftsausblick | Bulgarien

Politische Krisen überschatten Wachstumsperspektiven in Bulgarien

Bulgariens Wirtschaft zeigt sich stabil. Jedoch könnten die Aussichten sonniger sein. Dauerhafte politische Krisen blockieren nötige Reformen. Das verunsichert Investoren. 

Von Dominik Vorhölter | Sofia

Top-Thema: Investoren warten auf eine stabile Regierung

Bulgarien hat am 9. Juni 2024 zum sechsten Mal innerhalb von drei Jahren ein neues Parlament gewählt. Damit ist die Hoffnung verbunden, eine proeuropäisch orientierte Regierung zu bilden, die wichtige Strukturreformen, etwa im Justizwesen, anpackt. Die Wahl hat allerdings ein zersplittertes Parlament aus konservativen und prorussisch orientierten Kräften hervorgebracht. 

Das Problem ist, dass prorussisch orientierte Kräfte Reformen boykottieren, etwa die geplante Einführung des Euro. Zudem schüren sie eine Anti-EU-Stimmung in der Gesellschaft. Einigen Politikern der konservativen Parteien wird Korruption vorgeworfen. 

Das Parteibündnis, das entschlossen gegen Korruption vorgehen und Reformen umsetzen will - Wir setzen den Wandel fort – Demokratisches Bulgarien (PP-DB) - hat nun Stimmen verloren. Um regieren zu können, muss es eine Koalition mit den konservativen oder prorussisch orientierten Parteien eingehen. Dies wird voraussichtlich zu neuem Streit führen. Dagegen erscheinen erneute Wahlen im Herbst 2024 als plausible alternative Entwicklung. 

Einer dauerhaft kriselnden Regierung wird es schwerfallen, EU-Fördermittel fristgerecht abzurufen. Große Infrastrukturprojekte wie der Ausbau der Autobahnen und der Stromnetze werden langsamer vorangehen. Die Regierung verspielt so das Vertrauen der Unternehmer in den Wirtschaftsstandort Bulgarien. 

 

Mehr Daten zur Entwicklung der bulgarischen Wirtschaft finden Sie in der Publikation Wirtschaftsdaten kompakt - Bulgarien

Wirtschaftsentwicklung: Konsum stimuliert leichtes Wachstum

Bulgariens Wirtschaft wächst 2024 nur moderat. Für leichten Schwung sorgen 2024 der private Konsum und Investitionen von Unternehmen in neue Maschinen und Anlagen. Diese Impulse kommen erst 2025 stärker zum Tragen. Die Unsicherheiten im außenwirtschaftlichen Umfeld zählen zu den größten Risiken des Wirtschaftswachstums. Die stark gedämpfte Konjunktur innerhalb der EU mildert die Nachfrage nach bulgarischen Exportprodukten ab.

Inflationsrate sinkt langsam 

Die Inflation wird in Bulgarien 2024 auf 3,1 Prozent sinken, prognostiziert die bulgarische Zentralbank. Damit wird die Inflationsrate leicht höher sein als im Euroraum. Das liegt vor allem daran, dass der Preissteigerungen bei Dienstleistungen weiter anhalten. Für 2025 erwarten die Währungshüter eine Inflation von 2,7 Prozent, womit sich Bulgarien dem 2-Prozent-Inflationsziel der Europäischen Zentralbank nähert. 

Solange die Preise dann stabil bleiben oder gar weiter fallen werden, wird Bulgarien eine reale Chance haben, zum Ende des Jahres 2025 in die Eurozone aufgenommen zu werden. Die Preisstabilität ist ein wesentliches Kriterium für die Einführung des Euro als bulgarische Landeswährung. Im letzten Schritt muss noch das Parlament über ein konkretes Datum zum Beitritt in den Euroraum abstimmen.

Banken rechnen aktuell damit, dass sie ab Januar 2026 den Euro rausgeben dürfen. Es bleibe aber ein kleines Restrisiko, dass die bulgarische Politik die Euroeinführung nicht prioritär unterstütze und sie sich so weiter verzögern könnte, sagt Stefan Ivanov von der UniCredit Bank Bulgarien.

Der Arbeitsmarkt bleibt gespannt

Firmen investieren in Automatisierung und Digitalisierung von betrieblichen Prozessen, um Personalkosten zu sparen. Freigestellte Mitarbeiter des verarbeitenden Gewerbes werden Jobs im Gastgewerbe oder in der Logistik finden. Gut ausgebildetes Fachpersonal ist aufgrund des demografischen Wandels dennoch rar. Die Arbeitslosenquote wird 2024 unverändert gegenüber 2023 bei 4,3 Prozent bleiben, schätzt die EU-Kommission.

Einige Unternehmen erhöhen das Gehalt, um Mitarbeiter zu binden. Das Lohnwachstum wird sich auf 10 Prozent belaufen, prognostiziert die EU-Kommission. Dabei positioniert sich die deutsche Wirtschaft als attraktiver Arbeitgeber. Die meisten deutschen Unternehmen versuchen Mitarbeiter zu binden, indem sie Löhne über dem Marktdurchschnitt anbieten, berichten Marktkenner. 

Deutsche Perspektive: Geschäftsumfeld bleibt robust

Die politische Unberechenbarkeit, der Fachkräftemangel und Korruption zählen zu den größten Geschäftsrisiken für deutsche Unternehmen in Bulgarien. Trotzdem erwartet die deutsche Community keine signifikante Verschlechterung ihres Geschäftsumfelds, wie aus einer aktuellen Umfrage der Deutsch-Bulgarischen Industrie- und Handelskammer (AHK Bulgarien) hervorgeht. 

Viele deutsche Firmen betrachten Bulgarien als attraktiven Standort. Denn voraussichtlich Ende 2025 wird das Land der Eurozone und auch vollständig dem Schengen-Raum beitreten. Dafür spielt eine stabile Regierung eine entscheidende Rolle: "Politische Stabilität und Vorhersehbarkeit sind Schlüssel für Unternehmen, um ihre Investitionen in Bulgarien zu planen oder auszubauen", sagt Sonja Miekley, Hauptgeschäftsführerin der AHK Bulgarien.

Bulgarien ist ein wichtiger Beschaffungsmarkt für deutsche Firmen, etwa für elektronische Komponenten oder verarbeitetes Kupfer. Dies spiegelt sich auch im deutsch-bulgarischen Außenhandel wider.

Die meisten Unternehmen wünschen sich konkrete Maßnahmen gegen die Korruption und Reformen im Bildungssystem, wie aus der Konjunkturumfrage hervorgeht. Risiken für das Wachstum sind laut deutschen Firmen die schwerfällige Verwaltung und mangelnde Digitalisierung in Bulgarien. Viele Unternehmen haben etwa keinen Zugang zu digitalen Diensten von Behörden, etwa um Dokumente einzureichen.

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