Wirtschaftsausblick | Bulgarien
Trotz politischer Unsicherheiten wächst die Wirtschaft
Die politische Krise beeinträchtigt 2025 das Investitionsklima in Bulgarien. Die Aussichten sind positiver als die Stimmung. Das Land führt voraussichtlich Ende 2025 den Euro ein.
11.12.2024
Von Dominik Vorhölter | Sofia
Wirtschaftsentwicklung: Bulgarien zeigt sich robust
Bulgarien erwartet 2025 ein leicht beschleunigtes Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent, prognostiziert das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Der Konsum treibt das Wachstum, da die Reallöhne weiter steigen werden. Zudem wird sich 2025 voraussichtlich der Export erholen. Investitionen könnten stärker zum BIP-Wachstum beitragen, aber die politische Krise bremst diese.
Top-Thema: Investoren warten auf eine stabile Regierung
Unternehmen halten sich 2025 mit großen Investitionen zurück, da das politische Umfeld chaotisch und unvorhersehbar bleibt. Bulgarien befindet sich in einer politischen Dauerkrise.
Für die Zukunft gibt es zwei Szenarien: Falls Bulgarien voraussichtlich bis Februar 2025 eine pro-europäische Regierung erhält, kann diese kann lange liegen gebliebene Strukturreformen anpacken. Daraufhin dürfte die EU die blockierten 653 Millionen Fördermittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität überweisen.
Dieses Szenario ist wünschenswert, aber unwahrscheinlich. Denn die für die verlangten Reformen notwendige Mehrheit im Parlament ist bisher nicht in Sicht – insbesondere für die Justizreform. Ebenso gelingt es bisher nicht, den Plan für die Maßnahmen zum Kohleausstieg und der bulgarischen Energiewende zu verabschieden und damit Projekte planbarer zu machen. Somit wird sich die Auszahlung der EU-Gelder weiter verzögern.
Das zweite und wahrscheinlichere Szenario wäre eine weitere Parlamentswahl im Jahr 2025 – die achte seit 2021. Dies würde bedeuten, dass Präsident Rumen Radev wieder eine Übergangsregierung ernennt, die bis zur finalen Regierungsbildung begrenzt handlungsfähig ist. Die Folge: Der Wirtschaftsstandort Bulgarien verliert an Attraktivität, unter anderem, weil von der EU geförderte Großprojekte sich weiter verzögern und gut ausgebildete Fachkräfte das Land verlassen.
Mehr Daten zur Entwicklung der bulgarischen Wirtschaft finden Sie in der Publikation Wirtschaftsdaten kompakt - Bulgarien.
Unternehmen investieren trotz politischer Krise
Die EU-Mittel für die Infrastruktur hingegen werden unabhängig von der weiteren politischen Entwicklung und den Erfolgen bei den Reformen fließen und voraussichtlich ab der zweiten Jahreshälfte 2025 die Investitionstätigkeit stimulieren. Dann werden der Ausbau der Stromnetze und Verkehrsinfrastruktur sowie Investitionen in die Digitalisierung und Dekarbonisierung der Wirtschaft weiter voranschreiten. Die Bruttoanlageinvestitionen werden 2025 um 3 Prozent zunehmen, erwartet das wiiw.
Der Arbeitsmarkt bleibt angespannt. Gut ausgebildetes Fachpersonal ist aufgrund des demografischen Wandels zunehmend rar. Aber auch einfache Tätigkeiten sind etwa im Tourismus, im Gastgewerbe oder in der Logistik stark nachgefragt. Die Unternehmen investieren angesichts des Fachkräftemangels verstärkt in Automatisierung. Das wiiw schätzt die Arbeitslosenquote 2025 auf 4,3 Prozent.
Die meisten deutschen Unternehmen versuchen Mitarbeiter zu binden, indem sie Löhne über dem Marktdurchschnitt anbieten. Die deutsche Wirtschaft positioniert sich so als attraktiver Arbeitgeber.
Außenhandel: Tourismus regt Exportwachstum an
Insgesamt werden die Exporte 2025 um 1,3 Prozent wachsen, prognostiziert das wiiw. Aber die schwache Konjunktur in Deutschland, Bulgariens größtem Handelspartner, wird die Nachfrage weiterhin eintrüben. Dies wird besonders die bulgarische Kfz-Industrie spüren. Der Warenexport wird 2024 stagnieren und sich erst 2025 leicht erholen. Doch der Tourismus wird 2025 den Export von Dienstleistungen stimulieren.
Der robuste Konsum und aufgebrauchte Vorräte in den Lagern der Unternehmen werden 2025 das Wachstum der Importe wiederbeleben, nachdem es im Jahr 2024 stagniert. Das wiiw prognostiziert für 2025 eine Zunahme der Importe um 1,1 Prozent. So bleibt das Handelsbilanzdefizit fast unverändert.
Bulgarien will 2025 den Euro einführen
Da die Inflation stark rückläufig ist, wird Bulgarien ab Juli 2025 eine Chance haben, den Euro als Landeswährung einzuführen. Aufgrund des schwierigen politischen Umfelds ist Bulgariens Beitritt in die Eurozone zum Ende des Jahres aber realistischer. Für 2024 erwartet das wiiw eine moderate Teuerungsrate von 2 Prozent. Ab 2025 zieht die Inflation voraussichtlich wieder an. Denn die Unternehmen werden die deutlich gestiegenen Lohn- und Energiekosten an die Verbraucher weiterreichen. Das wiiw rechnet für 2025 mit einer Teuerungsrate von 3 Prozent.
Die höheren Löhne werden 2025 den privaten Verbrauch weiter antreiben, der eine wichtige Stütze des BIP-Wachstums bleiben wird. Für 2024 erwartet das wiiw einen Zuwachs der Reallöhne um 13 Prozent und für 2025 um 4 Prozent.
Deutsche Perspektive: Stabile Regierung spielt entscheidende Rolle
Die politische Unberechenbarkeit, der Fachkräftemangel und Korruption zählen zu den größten Geschäftsrisiken für deutsche Unternehmen in Bulgarien. Viele deutsche Firmen betrachten Bulgarien aber als attraktiven Standort. Zudem wird voraussichtlich Ende 2025 das Land der Eurozone und auch vollständig dem Schengen-Raum beitreten.
Dafür spielt eine stabile Regierung eine entscheidende Rolle: “Politische Stabilität und Vorhersehbarkeit sind Schlüssel für Unternehmen, um ihre Investitionen in Bulgarien zu planen oder auszubauen”, sagt Sonja Miekley, Hauptgeschäftsführerin der AHK Bulgarien.
Bulgarien ist ein wichtiger Beschaffungsmarkt für deutsche Firmen, etwa für elektronische Komponenten oder verarbeitetes Kupfer. Dies spiegelt sich auch im deutsch-bulgarischen Außenhandel wider.
Die meisten Unternehmen wünschen sich konkrete Maßnahmen gegen die Korruption und Reformen im Bildungssystem, wie aus einer aktuellen Konjunkturumfrage der AHK hervorgeht. Risiken für das Wachstum sind laut deutschen Firmen die schwerfällige Verwaltung und mangelnde Digitalisierung in Bulgarien. Viele Unternehmen haben etwa keinen Zugang zu digitalen Diensten von Behörden, etwa um Dokumente einzureichen.