Special | Chile | Rohstoffsicherung
Chile weltweit führend bei zwei kritischen Rohstoffen
Chile besitzt die größten Kupfer- und Lithiumreserven der Welt und spielt eine zentrale Rolle bei der Rohstoffsicherung. Deutschland sollte das Land stärker in den Blick nehmen.
16.11.2023
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
- Reserven: Nummer eins bei Kupfer und Lithium
- Erschließung: Weltgrößter Produzent von Kupfer, Nummer zwei bei Lithium
- Verarbeitung: Primärverarbeitung erfolgt vor Ort, Veredelung vor allem in China
- Deutsche Firmen müssen sich gegen Preis- und Lieferrisiken absichern
- ESG: In Chile sind Sie auf vergleichsweise sicherer Seite
- Chile bietet Stabilität und Rechtssicherheit, aber Prozesse können dauern
Reserven: Nummer eins bei Kupfer und Lithium
Der Andenstaat verfügt über die weltgrößten Reserven an zwei für die globale Energiewende unerlässlichen Rohstoffen: Kupfer und Lithium. Der größte Teil der Vorkommen befindet sich in Wüsten oder wüstenähnlichen Gebieten im Norden des Landes. Wichtige Zentren des Bergbaus sind die Regionen Antofagasta, Atacama und Coquimbo sowie die Region Libertador General Bernardo O’Higgins nahe der Hauptstadt Santiago de Chile.
Rohstoff | Vorräte (in 1.000 t) | Weltanteil (in %) |
---|---|---|
Kupfer | 190.000 | 21,3 |
Lithium | 9.300 | 35,8 |
Erschließung: Weltgrößter Produzent von Kupfer, Nummer zwei bei Lithium
Bei der Kupferförderung stand Chile 2022 mit 5,2 Millionen Tonnen und einem Weltmarktanteil von 23,6 Prozent klar an erster Stelle, vor der Demokratischen Republik Kongo und Peru mit je 2,2 Millionen Tonnen. Bei Lithium belegte das Land mit einem Anteil von 30 Prozent Rang zwei hinter Australien (46,9 Prozent).
Rohstoff | Förderung (in 1.000 t) | Weltanteil (in %) |
---|---|---|
Kupfer | 5.200 | 23,6 |
Lithium | 39 | 30,0 |
Verarbeitung: Primärverarbeitung erfolgt vor Ort, Veredelung vor allem in China
Bei der Raffination von Kupfer steht Chile weltweit an zweiter Stelle nach China. Lithium wird in erster Linie zum marktfähigen Lithiumkarbonat und -hydroxid weiterverarbeitet und als solches exportiert. Die eigentliche Veredelung findet vor allem in China statt. Der Großteil des in Chile gewonnenen Kupfers und Lithiums geht in den Export. Hauptabnehmerland ist die Volksrepublik.
Rohstoff | Verarbeitung (in 1.000 t) | Weltanteil (in %) |
---|---|---|
Kupfer (Primärverarbeitung) | 2.100 | 8,1 |
Lithium | k.A. | k.A. |
Deutsche Firmen müssen sich gegen Preis- und Lieferrisiken absichern
Kupfer und Lithium sind Schlüsselrohstoffe für die Energiewende. Die globale Nachfrage nach den beiden Produkten und die Weltmarktpreise für sie dürften langfristig deutlich steigen. Bei Lithium kommt erschwerend hinzu, dass der Preis sehr volatil ist. Außerdem verteilen sich etwa zwei Drittel der weltweit bekannten Reserven auf nur drei Länder: Chile, Australien und Argentinien.
Der Wettlauf um diese Reserven ist in vollem Gange – und China gehört zu den Pionieren. Deutsche Firmen finden sich bislang nicht unter den Playern im chilenischen Lithiumgeschäft. Dabei kommt laut DERA mindestens die Hälfte der deutschen Lithiumimporte aus Chile. Und der Bedarf wird steigen, wenn in Deutschland die geplanten Batteriefabriken in Betrieb gehen.
Preis- und Lieferrisiken für Deutschland sind absehbar. Denn während aus chilenischer Sicht der Anteil Deutschlands bei Exporten von Kupfer und Lithium im Vergleich zu China minimal ist, ist umgekehrt die Abhängigkeit sehr hoch. Umso wichtiger ist es für deutsche Abnehmerfirmen, sich zumindest über langfristige Lieferverträge preis- und volumenmäßig abzusichern. Beobachter bezweifeln jedoch, ob das gerade bei Lithium langfristig ausreicht.
ESG: In Chile sind Sie auf vergleichsweise sicherer Seite
Bergbau und Verhüttung sind immer ein tiefer Eingriff in die Natur und mit sozialen Risiken verbunden. Deshalb rücken ESG-Standards für Firmen, die ihre globale Lieferkette nachhaltiger und sicherer machen wollen, immer stärker in den Fokus. Auch in Chile haben Bergbaukonzerne ökologische und soziale Belange oft zu wenig zu berücksichtigt. Doch in den letzten Jahren hat sich viel verändert.
Die Abbaufirmen nehmen ESG-Standards ernster und lassen sich zertifizieren, darunter nach den Standards IRMA und Copper Mark. Viele haben sich im Rahmen von Selbstverpflichtungen zur Dekarbonisierung bekannt. Auf der anderen Seite kontrollieren die Behörden die Einhaltung von Sicherheitsstandards. Das Umweltmonitoring ist vergleichsweise gut entwickelt und Kinderarbeit ist – anders als in anderen lateinamerikanischen Ländern – kein Thema.
Ohne "Social Licence to Operate" geht in Chile nichts mehr
"Tatsächlich werden soziale Proteste um mehr Lohn oder die Einhaltung von Umweltauflagen für Bergbauunternehmen zunehmend zum Risiko", sagt Achim Constantin von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Die "Social Licence to Operate", die gesellschaftlich erteilte Betriebslizenz, gelte inzwischen als Risikofaktor Nummer eins für Bergbauprojekte in Chile. Constantin leitet ein regionales Kooperationsprojekt mit der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik der Vereinten Nationen (CEPAL) in der Hauptstadt Santiago de Chile. "Staaten wie Chile, die regional hohe Standards setzen, minimieren dieses Risiko und schaffen in Kooperation mit anderen Andenländern einen gerechteren Wettbewerb, weil alle die entsprechend hohen Investitionen tätigen müssen", ist Constantin überzeugt.
Generell werden Umwelttechnologien und mehr Energie- und Wassereffizienz künftig eine noch wichtigere Rolle spielen – mit entsprechenden Lieferchancen für spezialisierte deutsche Firmen.
Chile bietet Stabilität und Rechtssicherheit, aber Prozesse können dauern
Das Umfeld für Investoren in Chile ist gut. Nach den Worldwide Governance Indicators der Weltbank hat das Land in den vergangenen zehn Jahren zwar an politischer Berechenbarkeit und Sicherheit verloren, gilt aber weiter als demokratisches, sicheres und politisch unbedenkliches Land. In Lateinamerika belegt es regelmäßig Rang zwei im Transparency Corruption Index, nach Uruguay.
Darüber hinaus gehört Chile zu den offensten Volkswirtschaften der Welt. Außer Mitgliedschaften in der Welthandelsorganisation (WTO) oder in der OECD hat das Land 30 Handelsabkommen abgeschlossen. Ein modernisiertes EU-Chile-Assoziierungsabkommen steht kurz vor dem Abschluss.
Ein Nachteil sind jedoch die umfangreichen und lang andauernden Genehmigungsverfahren, weil eine große Zahl an Behörden eingebunden ist, die eine Vielzahl an Kriterien prüfen und sich zugleich nicht untereinander austauschen. Kritisiert wird auch die Ungewissheit über den Ausgang, und dass bei manchen Projekten offensichtlich politisch motiviert Genehmigungen nicht erteilt werden. Laut der zuständigen Behörde SEA wurden von den 40 von Januar bis Juli 2023 eingereichten Bergbauprojekten nur 15 genehmigt. Das ist deutlich weniger als in den vergangenen Jahren.
Stärken | Schwächen | |
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Ökologie | Robuste Umweltgesetzgebung; Bergbau meist in Wüsten oder wüstenähnlichen Gebieten; großes Potenzial zur Nutzung erneuerbarer Energieträger. | Langwierige, komplexe und zahlreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen; Bergbau überwiegend in Gebieten mit sehr wenig Wasser.
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Soziales | Gut organisierte Zivilgesellschaft; sehr fortgeschrittener Arbeitsschutz, Kinderarbeit kein Thema. | Erhalt von "Social Licence to Operate" Risikofaktor Nummer eins für Bergbauprojekte in Chile. |
Governance | Politisch stabile Demokratie mit wenig Korruption; marktoffenes Land mit hervorragender Einbindung in den Weltmarkt. | Mitunter erfolgen (Nicht-)Genehmigungen offenbar auf Basis politischer Einflussnahme; Regierung und Opposition blockieren sich seit drei Regierungsperioden gegenseitig, wichtige Reformen kommen deshalb nicht voran. |