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China holt bei Chipproduktion auf
Trotz der US-Exportbeschränkungen ist China in der Lage, eine Vielzahl von Halbleitern und Chipausrüstung herzustellen, und investiert in lokale Fertigung.
20.02.2025
Von Robert Herzner | Hongkong
Die steigende Nachfrage nach Hochleistungschips für künstliche Intelligenz (KI) und die US-Ausfuhrkontrollen im Halbleiterbereich beeinflussen die chinesische Halbleiterindustrie. Beide Trends führen zu einer starken Lokalisierung der Wertschöpfungskette und einem Ausbau der Zulieferindustrie für Halbleiteranlagen in China. Der Umsatzanteil der großen ausländischen Ausrüster in China sank im 3. Quartal 2024 um 5 Prozentpunkte auf 40 Prozent und dürfte 2025 auf 33 Prozent weiter zurückgehen.
Laut dem internationalen Branchenverband SEMI sollen die Produktionskapazitäten im globalen Halbleitermarkt im Jahr 2025 um etwa 7 Prozent deutlich wachsen. Für China sind die Aussichten zum Marktwachstum gemischt. So sind Investitionen in etwa auf Vorjahresniveau zu erwarten. Börsennotierte Halbleiterhersteller planen Investitionen in Höhe von 11,4 Milliarden US-Dollar (US$) im Jahr 2025.
Schlüsseltechnologie Lithographiemaschinen
Eine zentrale Rolle für die Halbleiterfertigung spielen Lithographiemaschinen. Derzeit gibt es weltweit nur vier Hersteller, die über Produktionskapazitäten für Front-End-Lithographieanlagen verfügen: ASML (Niederlande), Canon, Nikon (beide Japan) und SMEE (China). Während die USA, Japan und die Niederlande Exportbeschränkungen für die EUV-Technologie nach China verhängt haben, sind Deep-Ultraviolet-(DUV)-Geräte, mit denen man weniger kritische Chip-Strukturgrößen herstellen kann, weiterhin in China verfügbar. Der CEO von ASML, Christophe Fouquet, erklärte Ende Dezember 2024, dass chinesische Halbleiterhersteller ohne EUV-Lithografie der globalen Industrie um 10 bis 15 Jahre hinterherhinken würden.
Für chinesische Ingenieure ist es bislang eine Herausforderung, eigene EUV- oder auch DUV-Argonfluorid-(ARF)-Immersionslithographiemaschinen zu entwickeln, aber sie machen Fortschritte: Kürzlich wurde ein Lithograhiegerät aus chinesischer Produktion vorgestellt, das eine Lichtquelle mit einer Wellenlänge von 193 Nanometern verwendet und eine Auflösung kleiner oder gleich 65 Nanometer erreicht. Obwohl diese Anlage noch eine Trocken-DUV-Anlage ist, liegt sie auf dem höchsten Niveau aller Trocken-DUV-Lithographieanlagen.
Marktanteil besitzt bereits der chinesische Hersteller SMEE bei Back-End-Packaging-Lithographiemaschinen in China.
China bei Standardchips erfolgreich
Wegen der US-Exportbeschränkungen kann China zwar nicht fortschrittlichste Chips herstellen, aber in vielen Segmenten für Standardchips ist das Land stark aufgestellt, beispielsweise bei Speicherchips (DRAM). So ist der in Shanghai ansässige Chiphersteller SMIC mittlerweile das drittgrößte Wafer-Foundry-Unternehmen der Welt.
Für ein autonom fahrendes Automobil sind 1.600 bis 3.000 unterschiedliche Chips erforderlich. Auf DRAM entfällt etwa ein Viertel der Kosten für Chips in einem modernen Fahrzeug. Das chinesische Ministerium für Industrie- und Informationstechnologie (MIIT) hat Autobauer 2024 dazu aufgerufen, die Beschaffung von lokal produzierten Auto-Chips bis 2025 auf 25 Prozent zu erhöhen.
Einige chinesische Unternehmen haben auch Chips aus anderen Ländern, teilweise durch Schmuggel, erworben - Schlupflöcher, die Washington durch die Begrenzung von Grafikprozessorlieferungen an bestimmte Orte und die Einführung eines weltweiten Lizenzsystems zu schließen versucht. Dennoch werden chinesische Unternehmen in den nächsten Jahren neue und vor allem Hochleistungschips benötigen.
Führende KI-Anwendungen trotz US-Chipsanktionen
Denn ein großes Einsatzgebiet von Hochleistungschips ist KI. Im Januar 2025 überraschte das chinesische KI-Start-up DeepSeek mit angeblich erheblich geringeren Kosten und Ressourceneinsatz. Auch ohne neueste Maschinen und Chips gelingt es China, fortschrittliche KI-Modelle zu entwickeln. Nach Einschätzung von Clem Delangue, dem Geschäftsführer des KI-Portals Hugging Face, wird China im KI-Rennen führen, weil chinesische KI-Firmen Open-Source-Ansätze verfolgen. Dies ermöglicht ihnen eine schnellere Weiterentwicklung.
Das chinesische Unternehmen ByteDance, zu dem auch TikTok gehört, plant im Jahr 2025, über 12 Milliarden US$ in KI-Infrastruktur zu investieren, wobei 5,5 Milliarden US$ für den Kauf von KI-Chips in China und 6,8 Milliarden US$ für Investitionen im Ausland vorgesehen sind, wo Nvidia-Chips verfügbar sind. Diese Investitionen sollen die Fähigkeiten von ByteDance im Bereich der KI-Entwicklung gegenüber auch anderen chinesischen Tech-Giganten wie Baidu, Alibaba und Tencent stärken.
Regierung fördert Halbleiterbranche umfangreich
Die chinesische Regierung fördert die heimische Chipentwicklung mit umfangreichen Mitteln. Im Mai 2024 startete die dritte Phase des chinesischen Halbleiterfonds (National Integrated Circuit Industry Investment Fund) mit einem Kapital von 47,5 Milliarden US$ (344 Milliarden Renminbi Yuan (RMB)). Die ersten beiden Phasen ab 2014 hatten ein Fördervolumen von zusammen 51,6 Milliarden US$ (140 Milliarden und 200 Milliarden RMB).
Laut einer ZVEI-Studie vom September 2024 stellen die USA 53 Milliarden US$ und Japan 65 Milliarden US$ für die Förderung der Halbleiterindustrie bereit, wobei ein Teil der japanischen Investitionen auch in die KI-Industrie fließt. Demgegenüber kommt China auf eine Fördersumme von 143 Milliarden US$. Neben direkten Zuschüssen gewährt die Regierung zudem Steuernachlässe. So sind in China staatliche und staatlich geförderte Unternehmen in den ersten fünf Jahren ab Gewinnrealisierung von der Körperschaftsteuer befreit, danach beträgt sie 10 Prozent.
Die Regierung steht aber auch in der Kritik wegen ineffizienter Ressourcenallokation und unfairen Wettbewerbs. So sehen sich private Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, gegenüber Staatsfirmen im Nachteil. Lokale Regierungen förderten außerdem zu viele Projekte. Laut Recherchen der South China Morning Post und der Washington Post beliefen sich die staatlichen Subventionen allein im Jahr 2023 für wichtige Akteure der chinesischen Halbleiterindustrie auf bis zu 1 Milliarde US$ und stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent.