Rechtsbericht China Coronavirus
China: Coronavirus und Insolvenz
Infolge der Coronapandemie sehen sich Unternehmen in Zukunft eventuell mit den Herausforderungen einer Insolvenz ihres ausländischen Geschäftspartners konfrontiert.
26.01.2023
Von Julia Merle | Bonn
Rechtsgrundlagen des chinesischen Insolvenzrechts
Eine fristgebundene Antragspflicht wie in § 15a InsO kennt das chinesische Recht nicht.
Welche Regelungen gibt es dort zur Insolvenz? Wie meldet man Forderungen an?
Nach allgemeinem Zivilrecht endet eine juristische Person insbesondere dann, wenn ihr Konkurs erklärt wird. Sie ist beendet, wenn die Konkursabwicklung nach dem Recht durchgeführt wurde und die Registrierung ihrer Löschung vollendet ist.
Maßgeblich sind die Regelungen des Unternehmenskonkursgesetzes (UKG, Englisch) vom 27. August 2006, in Kraft seit 1. Juni 2007. Dieses hatte das erste, nur staatseigene Unternehmen betreffende Gesetz von 1986 ersetzt.
Das UKG findet Anwendung auf alle Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, analog auf Einzelpersonenunternehmen.
Zur Privatinsolvenz existieren keine landesweiten gesetzlichen Regelungen.
Auslegungen des Obersten Volksgerichts (OVG) (2011, 2013, 2019) sollen die Anwendung des UKG bei bestimmten Fragen vereinheitlichen.
In Peking, Shenzhen und Shanghai gibt es seit dem Jahr 2019 spezialisierte Konkursgerichte.
Antragsverfahren und Forderungsanmeldung
Den Konkursantrag kann der Schuldner oder ein Gläubiger – auch ein ausländischer – stellen.
Artikel 2 UKG bestimmt zu den Antragsgründen, dass die Schulden nach dem UKG bereinigt werden, wenn der Schuldner fällige Forderungen nicht begleichen kann und sein Vermögen nicht reicht, um alle Schulden zu begleichen (Überschuldung) oder seine Zahlungsfähigkeit offensichtlich fehlt.
Beantragen können Gläubiger Sanierung oder Konkursabwicklung, Schuldner zudem Vergleich. Der Antrag ist - möglichst auf Chinesisch - nach Art. 8 UKG schriftlich beim zuständigen Volksgericht (am Sitz des Schuldners; VG) einzureichen einschließlich der relevanten Nachweise und muss enthalten: die wesentlichen Umstände von Antragsteller und – gegner, Antragsziel, – tatsachen und – gründe sowie andere nach Ansicht des VG anzugebende Dinge.
Statt eines Eröffnungsverfahrens prüft das VG, ob der Antrag zulässig ist und nimmt ihn zur Bearbeitung an. Bei Nichtannahme besteht eine Berufungsmöglichkeit.
Das VG bestellt den Insolvenzverwalter (Art. 22 ff. UKG; IV) - etwa eine Kanzlei - und hat dies den bereits bekannten Gläubigern mitzuteilen und bekannt zu machen.
Es setzt den Gläubigern eine Frist zur Anmeldung von Forderungen beim IV, Art. 45 UKG. Diese läuft ab dem Tag der Antragsannahme und beträgt zwischen 30 Tagen und drei Monaten. Auch bedingte und befristete Forderungen sowie solche, über die in einem Gerichts- oder Schiedsverfahren noch nicht entschieden ist, können angemeldet werden, persönliche Forderungen des Arbeitnehmers hingegen nicht. Nicht fällige Forderungen gelten mit Antragsannahme als fällig.
Der Gläubiger hat neben einzureichenden Nachweisen schriftlich anzugeben, wie hoch die Forderung ist, ob für sie eine Vermögenssicherheit besteht und ob es sich um Gesamtgläubiger handelt, Art. 49 UKG. Unter Umständen kann man eine Forderung ergänzend anmelden. Der IV erstellt eine Liste der Forderungen, die er der ersten Gläubigerversammlung zur Prüfung vorlegt. Deren Befugnisse sind auch Aufsicht über den IV sowie Verabschiedung der Pläne zur Verwertung und zur Verteilung des Konkursvermögens.
Nach Antragsannahme kann der IV nach Art. 18 UKG hinsichtlich vor Annahme vom Schuldner mit anderen geschlossenen Verträgen, die von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllt sind, nach seiner Wahl entweder Rücktritt oder Weitererfüllung beschließen und teilt dies den Vertragspartnern mit. Nach OVG-Anwendungsbestimmungen gilt dies grundsätzlich auch für Verträge mit vereinbartem Eigentumsvorbehalt. Beim Rücktritt kann die Schadensersatzforderung angemeldet werden (Art. 53 UKG).
Ein Konkursverfahren in China wirkt auch auf im Ausland befindliches Schuldnervermögen.
Verfahrensarten
Das UKG regelt:
- Sanierung/Reorganisation (Art. 70 ff. UKG),
- Vergleich (Art. 95 ff. UKG),
- Insolvenzliquidation/Konkursabwicklung (Art. 107 ff. UKG).
Im Sanierungsverfahren ist die Verwertung dinglicher Sicherheiten grundsätzlich nicht zulässig. Wird der Sanierungsplan-Entwurf nicht rechtzeitig vorgelegt oder der Plan nicht ausgeführt, erklärt das VG den Konkurs des Schuldners.
Verfügt das VG den Vergleich, können Sicherungsrechte ausgeübt werden. Führt der Schuldner die Vergleichsvereinbarung nicht aus, erklärt das VG den Konkurs.
Mit der Konkurserklärung beginnt das Liquidationsverfahren. Der IV entwirft den Plan zur Verwertung des Konkursvermögens. Der Verkauf geschieht grundsätzlich durch öffentliche Versteigerung.
Gemäß Art. 43 UKG werden Konkurskosten und Masseschulden sofort beglichen, Konkurskosten vorrangig. Können diese nicht beglichen werden, hat der IV beim VG den Abschluss des Konkursverfahrens zu beantragen. Die weitere Reihenfolge der Befriedigung sieht Art. 113 UKG vor (auf selber Stufe ggf. quotenmäßig).
Der IV erstellt den Verteilungsplan (generell Bargeld). Ist keine Konkursmasse mehr übrig, wird die Beendigung der Konkursabwicklung beschlossen. Die Löschung der Registrierung des Schuldners im Unternehmensregister wird vorgenommen.
Das OVG gab am 15. Mai 2020 die Leitmeinungen "Guiding Opinions of the Supreme People's Court on the Issues of Properly Hearing Civil Cases involving the COVID-19 Pandemic in Accordance with the Law" Nr. 2 (Chinesisch; Englisch) heraus, die sich in Teil 3 mit Konkursverfahren während der Coronapandemie befassen.
Informationsquellen
Die chinesischsprachige Website betreffend "National Bankrupt Enterprises Recombinational Cases" (National Enterprise Bankruptcy Information Disclosure Platform) dient als zentrales Informationssystem hinsichtlich Unternehmenskonkursverfahren. Dort stellen Volksgerichte und IV Informationen bereit, hinterlegen Mitteilungen und Dokumente. Gläubiger können ihre im UKG vorgesehenen Rechte über die Online-Plattform ausüben.
Zudem existieren Informationswebseiten wie das "National Enterprise Credit Information Publicity System".
Hinweis: Der Rechtsbericht vom 8. Mai 2020 wurde aktualisiert im Januar 2023.