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Rechtsbericht EU Steuerrecht

Besteuerung des Leistungsaustauschs innerhalb der EU

Die Besteuerung des Leistungsaustauschs innerhalb der Europäischen Union ist ein komplexer Themenbereich, der durch nationale Regelungen und europäische Vorgaben geprägt ist.

Von Jan Sebisch | Bonn

Umsatzsteuer in Europa 

Die Umsatzsteuer beruht heute nahezu gänzlich auf europäischem Recht. Grundlage ist die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRl). Um die einheitliche Auslegung der MwStSystRl sicherzustellen, ist einhergehend eine EU-Durchführungsverordnung (MwStVO) erlassen worden. Ziel dieser Regelungen ist es, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr innerhalb des Binnenmarktes zu gewährleisten.

Grundlagen der Besteuerung des Leistungsaustauschs

Die Besteuerung des Leistungsaustauschs in Deutschland richtet sich in erster Linie nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG), das die Vorgaben der MWStSystRl in nationales Recht umsetzt. Dabei unterscheidet das deutsche Steuerrecht zwischen der Besteuerung von Lieferungen und sonstigen Leistungen, wobei der Leistungsort sowie der Leistungsempfänger eine entscheidende Rolle spielen.

Lieferungen sind Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter dem Abnehmer die Verfügungsmacht über einen Gegenstand verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG). Gegenstände sind Sachen im Sinne des § 90 BGB beziehungsweise körperliche Gegenstände, aber auch Güter, die wie Waren gehandelt werden (zum Beispiel Energie). Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 UStG). Hierunter fallen vor allem Dienstleistungen (zum Beispiel Beratungsleistungen oder Vermittlungsleistungen).

Die Unterscheidung zwischen Lieferung und sonstigen Leistungen ist relevant für die Festlegung des Leistungsortes. Steuerbar in Deutschland ist die Lieferung oder sonstige Leistung nur, wenn sie im Inland ausgeführt wird, wenn sich also der Leistungsort im Inland befindet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG).

Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen beauftragten Dritten befördert oder versendet, so gilt als Leistungsort grundsätzlich der Ort, an dem die Beförderung oder Versendung beginnt (§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG). Eine Sonderregel existiert in diesem Rahmen für Warenlieferungen innerhalb der EU, die von einem leistenden Unternehmen an einen Nicht-Unternehmer (zum Beispiel Privatpersonen) in ein anderes EU-Land befördert oder versendet werden (sogenannte Fernverkauf). Hier wird der Ort der Lieferung für Lieferungen größeren Umfangs (vgl. § 3c Abs. 4 UStG: 10.000 Euro Umsatzschwelle) in das Bestimmungsland verlagert, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, die sich aus unterschiedlichen Steuersätzen innerhalb der EU ergeben würden.

Gesetzliche Regelungen zum Ort der sonstigen Leistungen finden sich in den §§ 3a ff. UStG: Grundsätzlich wird hier unterschieden zwischen sonstigen Leistungen, die an einen Unternehmer erbracht werden und sonstigen Leistungen, die an einen Endverbraucher erbracht werden. Sonstige Leistungen, die an einen Endverbraucher erbracht werden, gelten als dort ausgeführt, wo der leistende Unternehmer seinen Sitz hat beziehungsweise wo sich seine Betriebsstätte befindet, aus der die Leistung ausgeführt wird (Ursprungslandprinzip). Sonstige Leistungen an einen Unternehmer werden grundsätzlich an dem Ort erbracht, an dem der Empfänger sein Unternehmen betreibt oder eine Betriebsstätte hat, an die die Leistung ausgeführt wird (Bestimmungslandprinzip).

Steuerbefreiung bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung 

Befreiungen von der Umsatzsteuer werden aus unterschiedlichen Gründen gewährt. In einer Vielzahl der Fälle liegt die gesetzgeberische Intention in der Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Hierunter fallen unter anderem innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 6a UStG). § 4 Nr. 1b i.V.m § 6a UStG sieht vor, dass Lieferungen zwischen Unternehmern von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit sind. Erforderlich hierfür ist grundsätzlich, dass:

  • der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat,
  • der Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
  • der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt und
  • der Abnehmer gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet hat.

Steuerschuldverlagerung (Reverse Charge) bei grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen 

Steuerschuldner bei der Umsatzsteuer ist grundsätzlich der leistende Unternehmer. In bestimmten Konstellationen wird bei grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen zwischen Unternehmern innerhalb der EU (§ 13b Abs. 1 UStG) allerdings die Steuerschuld vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger verlagert, wenn er Unternehmer oder eine juristische Person ist (§ 13b Abs. 5 Satz 1 UStG). Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 S. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Für die Unternehmereigenschaft ist es unerheblich, ob es sich um einen ausländischen Unternehmer handelt. Steuerschuldverlagerungen beziehungsweise sogenannte Reverse-Charge-Verfahren dienen vor allen Dingen der Sicherung der Besteuerung und der Vereinfachung des innergemeinschaftlichen Handels.

Wenn ein Unternehmen aus einem EU-Mitgliedstaat eine Dienstleistung an ein Unternehmen in einem anderem EU-Mitgliedstaat erbringt, gilt das Reverse-Charge-Verfahren. Der Empfänger der Dienstleistung muss die Umsatzsteuer in seinem Land erklären und abführen. Der leistende Unternehmer stellt eine Rechnung ohne Umsatzsteuer aus, vermerkt aber den Hinweis auf das Reverse-Charge-Verfahren.

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