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Steuerreform in Brasilien

Die weitreichendste Reform des brasilianischen Steuersystems tritt in Kraft.

Von Dr. Julio Pereira | Berlin

Am 21. Dezember 2023 wurde die Verfassungsänderung zur Steuerreform Brasiliens (Emenda Constitucional Nr. 132/23) im Amtsblatt veröffentlicht. Es handelt sich um die umfassendste Änderung des brasilianischen Steuersystems seit den 1960er Jahren. 2024 beginnt der Implementierungsprozess.

Zu den wichtigsten Zielen der Reform gehören die Erleichterung der Steuerzahlung, die Abschaffung mehrerer Konsumsteuern und die Einführung der Umsatzsteuer. Der nachfolgende Beitrag ist in sechs Teile gegliedert: Überblick über das brasilianische Steuersystem (1. Teil); die wichtigsten vorgesehenen Änderungen (2. Teil); die Übergangsphase zum neuen System (3. Teil); die vom Senat vorgenommenen Ergänzungen (4. Teil), die Verabschiedung der Steuerreform (5. Teil) und der Start der Reform.

  • Steuerreform in Brasilien: Überblick (1. Teil)

    Die wichtigste Verfassungsänderung der letzten 30 Jahre: Die Abgeordnetenkammer billigt die Reform des brasilianischen Steuersystems.

    Am 7. Juli 2023 wurde in einer historischen Abstimmung in der Abgeordnetenkammer (Câmara dos Deputados) der Vorschlag zur Verfassungsänderung (PEC 45/19) angenommen, der das Steuersystem in Brasilien tiefgreifend verändert. Die Debatte über ein neues Steuersystem in Brasilien begann Mitte der 1990er Jahre. Dieser Bericht soll einen Überblick über die Reform geben, die erhebliche Auswirkungen auf die Aktivitäten aller im Land tätigen Unternehmen haben wird.

    Was kennzeichnet das derzeitige brasilianische Steuersystem?

    Es zeichnet sich durch eine komplexe Aufteilung der Steuerkompetenzen, übermäßige Bürokratie, eine große Anzahl von Steuern und eine intensive Konsumbesteuerung. Neben anderen Faktoren macht dies das brasilianische Steuersystem zu einem der komplexesten der Welt. In der jüngsten Rangliste des Doing-Business-Berichts der Weltbank wird Brasilien auf Platz 184 von 190 untersuchten Ländern rangiert, wenn es um das Thema "Steuern zahlen" geht. In Brasilien verbringen Unternehmen durchschnittlich 1.500 Stunden pro Jahr mit der Erfüllung ihrer Steuerpflichten. In den OECD-Ländern liegt der durchschnittliche Zeitaufwand bei 159 Stunden. Falsche Zahlungen, Verzögerungen und Unklarheiten im brasilianischen Steuerrecht führen zu Geldstrafen und Gerichtsverfahren, die sich über Jahre hinziehen.

    Wie ist das brasilianische Steuersystem aufgeteilt?

    Brasilien ist ein Zentralstaat. Im Allgemeinen gibt es jedoch drei Ebenen der Steuerkompetenz: Bund, Länder und Gemeinden. Die brasilianische Verfassung von 1988 (Constituição da República Federativa do Brasil - CF/88) und das Steuergesetzbuch (Código Tributário Nacional - CTN) sowie zahlreiche Bundesgesetze legen allgemeine Regeln für alle Steuern fest. Jeder der 27 Bundesländer und jede der 5.570 Gemeinden hat jedoch die Kompetenz, ihre eigenen Gesetze und Vorschriften für die Steuererhebung zu erlassen. Derzeit kann jede der drei föderalen Einheiten ihre eigenen Regeln und Steuersätze festlegen. Dieses System beruht auf dem Prinzip des so genannten "Föderalen Pakts" (Pacto Federativo).

    Was ist der Schwerpunkt der Steuerreform?

    Die Steuerreform vereinfacht die Erhebung und Einziehung von Konsumsteuern. Es geht darum, die Struktur des Steuersystems zu zentralisieren, um die Steuerzahlung zu erleichtern. Zu diesem Zweck werden einige Steuern (PIS, COFINS, IPI, ICMS und ISS) abgeschafft, und an ihrer Stelle wird eine Umsatzsteuer (Imposto sobre Valor Agregado - IVA) eingeführt, die es bereits in 174 Ländern der Welt gibt. Es ist vorgesehen, auf alle Waren und Dienstleistungen den gleichen Steuersatz anzuwenden. Als Vereinfachungsmaßnahme werden außerdem Steuerbefreiungen auf Landes- und Gemeindeebene ausgeschlossen. Diese Maßnahme zielt darauf ab, den so genannten Steuerkrieg (Guerra Fiscal) zu beenden. Dabei handelt es sich um einen Konkurrenzkampf zwischen föderalen Einheiten, um Unternehmen durch Steueranreize zu gewinnen.

    Weitere Einzelheiten zur Steuerreform finden Sie in dem nächsten Bericht über die wichtigsten vorgesehenen Änderungen.

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    Von Dr. Julio Pereira | Berlin

  • Steuerreform in Brasilien: Die wichtigsten Änderungen (2. Teil)

    Abschaffung von Steuern, Einführung von Umsatzsteuer und Ökosteuer, Abbau von Bürokratie: Was müssen Unternehmen über das neue Steuersystem Brasiliens wissen?

    Wie in Steuerreform in Brasilien: Überblick beschrieben, wurde der Vorschlag zur Verfassungsänderung (PEC 45/19) am 7. Juli 2023 von der Abgeordnetenkammer angenommen. Durch die Reform wird die Struktur des brasilianischen Steuersystems erheblich verändert. Im vorliegenden Bericht werden die wichtigsten Änderungen erläutert, die erhebliche Auswirkungen auf die Aktivitäten der im Land tätigen Unternehmen haben werden.

    Zu den wichtigsten strukturellen Änderungen, die in der Steuerreform vorgesehen sind, gehören:

    Abschaffung von Steuern

    Fünf Konsumsteuern werden abgeschafft:

    • PIS (Bundessteuer): Zusammen mit der Pasep ist die PIS eine obligatorische Sozialabgabe, die von Unternehmen gezahlt wird, mit Ausnahme von Klein- und Kleinstunternehmen (MPE), für die eine vereinfachte Steuerregelung (Simples Nacional) gilt. Die Sätze variieren zwischen 0,65 und 1,65 Prozent der Gesamteinnahmen. Die Beträge sind für die Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte bestimmt.
    • Cofins (Bundessteuer): Sie wird auf das Einkommen von Unternehmen erhoben, mit Ausnahme von MPE, die der Simples Nacional unterliegen. Die erhobenen Mittel werden zur Finanzierung von Gesundheit, Sozialversicherung und Sozialhilfe verwendet.
    • IPI (Bundessteuer): Sie wird auf im Land hergestellte oder importierte Produkte erhoben. Der Steuersatz ist je nach Produkt unterschiedlich.
    • ICMS (Landessteuer): Hauptsteuer, die von den Bundesländern und dem Bundesdistrikt (Brasilia) erhoben wird. Diese äußerst komplexe Steuer wird auf die Vermarktung und den Transport von Produkten sowie auf die Erbringung von Dienstleistungen erhoben. Die Steuersätze variieren je nach Bundesland. Von der Gesamteinnahme werden 25 Prozent an die Gemeinden überwiesen.
    • ISS (Gemeindesteuer): Hauptsteuer, die in die Zuständigkeit der Gemeinden (und des Bundesdistrikts) fällt. Sie wird auf 40 Arten von Dienstleistungen erhoben, die im Gesetz 116/03 (Lei Complementar 116/03) aufgeführt sind. Die Sätze variieren je nach Dienstleistung und Gemeindegesetz zwischen 2 und 5 Prozent.

    Schaffung der Umsatzsteuer (IVA)

    Mit der Abschaffung der oben genannten Steuern wird die Umsatzsteuer (Imposto sobre Valor Agregado - IVA) eingeführt. Angesichts der komplexen föderativen Struktur Brasiliens wird die brasilianische IVA dual sein. Das heißt, der Bund wird seinen Steueranteil getrennt von den Ländern und Gemeinden erheben. Diese werden eine gemeinsame Zuständigkeit haben. Auf Bundesebene wird die Steuer als Beitrag auf Waren und Dienstleistungen (Contribuição sobre Bens e Serviços - CBS) bezeichnet, die die PIS, Cofins und IPI ersetzt. Auf der Länder- und Gemeindeebene (bzw. im Bundesdistrikt) wird die Steuer als Steuer auf Waren und Dienstleistungen (IBS - Imposto sobre Bens e Serviços) bezeichnet, die ICMS und ISS ersetzt.

    Diese Änderung gilt als großer Fortschritt im Steuersystem Brasiliens, einem der wenigen Länder der Welt, in dem es keine Umsatzsteuer gibt.

    Steuersätze

    Es wird einen einheitlichen Satz für CBS und IBS geben. Er wird per Gesetz festgelegt und soll etwa 25 Prozent betragen. Für einige Sektoren kann dieser Satz erheblich reduziert werden, unter anderem für Bildung, Gesundheitsdienstleistungen, Medikamente und Produkte der Grundversorgung. Andere Sektoren werden Anspruch auf eine Steuerbefreiung haben. Zum Beispiel Landwirtschaftsbetriebe (einschließlich Unternehmen) mit jährlichen Bruttoeinnahmen von bis zu 3,6 Millionen R$ (circa 660.000 Euro).

    Ursprungs- und Bestimmungsort

    Ein Grundprinzip der Steuerreform ist die Verlagerung der Steuererhebung vom Ursprungs- (wo die Waren produziert werden) zum Bestimmungsort (wo sie verbraucht werden). Mit anderen Worten: IBS und CBS werden an das Bundesland und die Gemeinde gezahlt, in der der Steuertatbestand eintritt.

    Föderationsrat

    Mit der Steuerreform wird der sogenannte Föderationsrat (Conselho Federativo) geschaffen, der die neue IBS-Steuer verwalten wird. Mit der Einrichtung soll die Verwaltung der Steuererhebung und -regelung auf nationaler Ebene harmonisiert werden. Dies ist eine strukturelle Veränderung von großer Bedeutung für Unternehmen, da der Rat die Rolle der zahllosen Steuerbehörden in den Gemeinden und Bundesländern ablöst.

    Schaffung einer selektiven Steuer

    Zusätzlich sieht der PEC 45/19 die Einführung einer föderalen selektiven Steuer (Imposto Seletivo - IS) vor. Sie wird auf die Herstellung, den Vertrieb oder die Einfuhr von Waren und Dienstleistungen erhoben, die für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt schädlich sind. Die Erhebung dieser zusätzlichen Steuer zielt darauf ab, den Konsum von ökologisch nicht erwünschten Produkten zu unterbinden.

    Freizone von Manaus (ZFM)

    Die Freizone von Manaus (Zona Franca de Manaus - ZFM) ist ein großes Industriegebiet, das in drei Hauptbereiche unterteilt ist: Handel, Industrie und Landwirtschaft. Die ZFM wurde 1967 durch das Gesetzesdekret Nr. 288/67 eingerichtet. Der Betrieb der ZFM basiert auf der Gewährung von Steuervergünstigungen für Unternehmen, die in der Amazonasregion ansässig sind. Die Steuerreform sieht die Aufrechterhaltung der ZFM vor. Neu ist, dass mit der Abschaffung der derzeitigen Steuern ein Fonds für Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Diversifizierung des Bundesstaates Amazonas (FSDE) geschaffen wird. Der Fonds soll per Gesetz geregelt werden.

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    Von Dr. Julio Pereira | Berlin

  • Steuerreform in Brasilien: Inkraftsetzung und Umsetzung (3. Teil)

    Nächste Schritte für die Einführung der Steuerreform in das brasilianische Rechtssystem und ihre vollständige Umsetzung.

    Wie in Steuerreform in Brasilien: Die wichtigsten Änderungen beschrieben, sind tiefgreifende strukturelle Änderungen des brasilianischen Steuersystems vorgesehen. Die Steuerreform wurde von der Abgeordnetenkammer am 7. Juli 2023 gebilligt. Im vorliegenden Bericht wird erläutert, wie die Reform im Nationalkongress (Congresso Nacional) weiter bearbeitet wird und wie der voraussichtliche Zeitplan für ihre vollständige Umsetzung aussieht.

    Verfahren im brasilianischen Senat

    Der brasilianische Nationalkongress setzt sich aus dem Bundessenat (Senado Federal) und der Abgeordnetenkammer (Câmara dos Deputados) zusammen. Mit der Abstimmung über die Steuerreform (PEC 45/19) durch die Abgeordnetenkammer ist die komplexeste Phase des Verfahrens abgeschlossen. Damit wird der Text des PEC an den föderalen Senat weitergeleitet. Der Text durchläuft den Verfassungs- und Justizausschuss des Senats (Comissão de Constituição e Justiça - CCJ), wo seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit geprüft wird. Nach der Prüfung durchläuft der PEC noch einen Sonderausschuss, der ihren Inhalt analysiert. Schließlich geht der PEC an das Senatsplenum, wo er von der Zustimmung von 3/5 der Senatoren abhängt. In diesem Stadium kann der von der Abgeordnetenkammer gebilligte PEC-Text noch geändert werden.

    Wird der Text vom Senat ohne Änderungen angenommen, wird er verkündet. Wenn es Änderungen gibt, muss der geänderte Text zurück in die Abgeordnetenkammer, damit die Änderungen geprüft werden können. Danach wird die Steuerreform vom Nationalkongress verabschiedet. Dies ist die letzte Phase des Prozesses. Nach der Veröffentlichung im Amtsblatt wird die Steuerreform in das brasilianische Rechtssystem eingeführt und tritt in Kraft.

    Umsetzung der Steuerreform

    Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, wird es eine Übergangsphase bis zur vollständigen Implementierung der Reform geben, die folgende Fristen vorsieht:

    2023 bis 2025: Inkrafttreten der Reform. Beginn der administrativen und operativen Vorbereitungen für die Umsetzung der Reform.

    2026 bis 2032: Die neuen Steuern (CBS und IBS) werden gemeinsam geregelt und umgesetzt. Im Jahr 2026 wird die CBS mit einem anfänglichen Satz von 0,9 Prozent und die IBS mit einem anfänglichen Satz von 0,1 Prozent erhoben.

    2027: Zwei der derzeitigen Bundessteuern (PIS und Cofins) werden abgeschafft. Die IPI-Sätze sinken auf Null, außer für Produkte, die in der Freihandelszone Manaus (ZFM) industrialisiert werden. Im selben Jahr wird die neue Bundessteuer (CBS) zum vollen Satz erhoben.

    2026 bis 2028: Die derzeitige Landessteuer (ICMS) und die derzeitige Gemeindesteuer (ISS) werden mit der entsprechenden neuen Steuer (IBS) koexistieren. In dieser Phase bleiben die Sätze der beiden derzeitigen Steuern unverändert.

    2029 bis 2032: Die ICMS- und ISS-Sätze werden schrittweise um 1/10 pro Jahr gesenkt. Parallel dazu werden die IBS-Sätze vom Senat auf der Grundlage der Daten des Föderationsrates (Conselho Federativo) festgelegt.

    2033: Ende des derzeitigen Besteuerungsmodells und vollständiger Abschluss der Umsetzung des neuen Besteuerungsmodells.

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    Von Dr. Julio Pereira | Berlin

  • Steuerreform in Brasilien: Senat billigt Verfassungsänderung (4. Teil)

    Mit der Billigung und den wesentlichen Änderungen durch den Senat ist die Reform von der brasilianischen Regierung bis Ende 2023 zu verabschieden.

    Am 8. November 2023 billigte der Bundessenat (Senado Federal) mit großer Mehrheit den Vorschlag zur Verfassungsänderung (PEC 45/2019) für eine Steuerreform in Brasilien. Damit ist ein entscheidender Schritt zur grundlegenden Änderung des brasilianischen Steuersystems erfolgt, das als eines der komplexesten der Welt gilt. Seit 30 Jahren wird in Brasilien über die Steuerreform debattiert. Es handelt sich um die wichtigste Änderung des brasilianischen Rechtssystems seit der Verabschiedung der Verfassung im Jahr 1988 (Constituição Federal do Brasil de 1988). Daher ist sie die größte Herausforderung im ersten Amtsjahr von Präsident Lula da Silva, der sie noch 2023 in Kraft setzen will. Der Senat hat den ursprünglichen Text des Vorschlags zur Verfassungsänderung verbessert, dessen wichtigste Änderungen im Folgenden zusammengefasst sind.

    Vom Senat vorgenommene Änderungen

    Der Vorschlag PEC 45/2019, der am 7. Juli 2023 von der Abgeordnetenkammer (Câmara dos Deputados) gebilligt worden war, wurde im Senat erheblich geändert. Insgesamt wurden fast 300 Änderungen vorgenommen. Zu den wichtigsten Änderungen, die sich auf die Aktivitäten der in Brasilien tätigen Unternehmen auswirken werden, gehören die folgenden:

    Steuerlast steigt nicht

    Der Senat hat einen verfassungsmäßigen Mechanismus geschaffen, um einen Anstieg der Steuerlast in Brasilien zu verhindern, die sogenannte Referenzsperre (trava de referência). Die trava ist eine Obergrenze für die Steuererhebung, die nicht überschritten werden darf. Im Wesentlichen besteht diese Grenze aus der Differenz zwischen dem durchschnittlichen Aufkommen einiger derzeitiger Steuern (die abgeschafft werden) zwischen 2012 und 2021 und dem durchschnittlichen Aufkommen zweier neu zu schaffender Steuern (Contribuição sobre Bens e Serviços - CBS und Imposto Seletivo - IS) zwischen 2027 und 2028. Sollte die künftige Steuerlast höher sein, so werden ab 2030 obligatorische Steuersenkungen eingeführt.

    Nachhaltiger Entwicklungsfonds 

    Ein Entwicklungsfonds für die Bundesstaaten der Amazonasregion (Amazonas, Acre, Rondônia, Roraima und Amapá) ist eines der wichtigsten Instrumente, die der Senat in den Text des PEC 45/2019 aufgenommen hat. Die Mittel des Fonds werden jährlich von der Bundesregierung eingezahlt und an die Bundesstaaten verteilt. Ziel ist es, die Entwicklung und Diversifizierung der wirtschaftlichen Aktivitäten in diesen Bundesstaaten zu fördern und die Unterschiede zwischen den brasilianischen Regionen zu verringern. In den Amazonasstaaten werden Projekte im Zusammenhang mit ökologischer Nachhaltigkeit und der Reduzierung von Kohlenstoffemissionen Vorrang haben.

    Begünstigte Sektoren

    Der Senat hat die Liste der Ausnahmen vom Normalsatz der künftigen Umsatzsteuer (die es in Brasilien noch nicht gibt) erweitert. Mehr Sektoren werden in den Genuss von Steuerbefreiungen oder niedrigeren Sätzen kommen. Zu den vom Senat vorgenommenen Änderungen gehört auch die Verpflichtung, diese Ausnahmen alle fünf Jahre zu überprüfen. Sektoren, die von der Umsatzsteuer befreit werden sollen, sind zum Beispiel Grundnahrungsmittel, Arzneimittel und medizinische Geräte. Für landwirtschaftliche Produkte sowie für wissenschaftliche, künstlerische und kulturelle Tätigkeiten soll ein ermäßigter Steuersatz gelten.

    Ausgleich für die Abschaffung von Steueranreizen

    Die Reform sieht ein Ende des sogenannten Steuerkriegs (Guerra Fiscal) vor, mit dem die brasilianischen Bundesländer Unternehmen und Investitionen durch Steueranreize gewinnen. Die zentrale Steuer im Steuerkrieg ist die ICMS (Landessteuer), die abgeschafft wird. Davon sind bereits in Brasilien tätige Unternehmen betroffen. Um den Verlust von Steueranreizen zu kompensieren, hat der Senat den PEC 45/2019 geändert, um einen Ausgleichsfonds für Steuervergünstigungen (Fundo de Compensação de Benefícios Fiscais) zu schaffen. Ziel ist es, Rechtssicherheit für Unternehmen zu gewährleisten, die für einen bestimmten Zeitraum Steuervergünstigungen erhalten haben. Mit anderen Worten: Die Mittel dieses Fonds werden den Unternehmen zur Verfügung gestellt. Eine Ausgleichszahlung wird bis zum 31. Dezember 2032 möglich sein.

    Besondere Steuerregelungen

    Der Senat ändert auch die besonderen Steuerregelungen. Solche Regelungen betreffen unter anderem die sanitäre Grundversorgung und die Kreislaufwirtschaft. Der ursprüngliche Text des PEC 45/2019 besagte, dass ein Ergänzungsgesetz (Lei Complementar) die Regeln der besonderen Regelung "festlegen kann". Der Senat hat festgelegt, dass ein ergänzendes Gesetz die Regeln "festlegen wird". Mit dieser Änderung haben die in diesen Sektoren tätigen Unternehmen mehr Rechtssicherheit.

    Vorteile für die Autoindustrie

    Der Vorschlag sieht auch eine Verlängerung der Steuervergünstigungen bis 2032 für Automobilhersteller vor, die Autos mit Elektro- oder Biokraftstoffantrieb herstellen. Zuvor hatte der Text des PEC 45/2019 nur Vorteile für Fahrzeuge mit Elektromobilität vorgesehen.

    Die nächsten Schritte

    Die Billigung der Steuerreform durch den Senat ist eine entscheidende Phase. Jede Verfassungsänderung in Brasilien hängt von der Erarbeitung und Annahme in beiden Instanzen des Nationalkongresses (Congresso Nacional), der Abgeordnetenkammer und dem Senat, ab. Da der Senat den ursprünglichen Text des Vorschlags zur Verfassungsänderung modifiziert hat, wird der PEC 45/2019 für zwei weitere Abstimmungen an die Abgeordnetenkammer zurückgegeben. Nach diesen Abstimmungen und der anschließenden endgültigen Annahme geht der PEC 45/2019 an den Präsidenten der Republik zur Genehmigung. Nach der Veröffentlichung im Amtsblatt wird die Steuerreform in das brasilianische Rechtssystem eingeführt und tritt in Kraft.

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    Von Dr. Julio Pereira | Berlin

  • Steuerreform in Brasilien in Kraft getreten (5. Teil)

    Der Nationalkongress verabschiedet nach einer historischen Abstimmung die weitreichendste Reform des brasilianischen Steuersystems seit Jahrzehnten.

    Am 21. Dezember 2023 wurde die Verfassungsänderung zur Reform des brasilianischen Steuersystems (Emenda Constitucional Nr. 132/23) im Amtsblatt veröffentlicht. Es handelt sich um die wichtigste und umfassendste Steuerreform in Brasilien seit den 60er Jahren. Die Reform wird seit rund dreißig Jahren debattiert. Das brasilianische Steuersystem gilt als eines der komplexesten der Welt. Mit der Steuerreform werden mehrere Steuern abgeschafft und eine Mehrwertsteuer eingeführt, die die Zahlung und Erhebung von Steuern im Land erleichtert.

    Der brasilianische Nationalkongress (Congresso Nacional) setzt sich aus der Abgeordnetenkammer (Câmara dos Deputados) und dem Senat (Senado Federal) zusammen. Da es sich um eine Verfassungsänderung handelt, mussten beide Parlamentskammern über dieselbe Version des Textes abstimmen, damit dieser verkündet werden und in Kraft treten konnte. Am 20. Dezember 2023 wurde die Steuerreform vom brasilianischen Nationalkongress verabschiedet und ist nun in Kraft getreten.

    Im Folgenden sind einige der wichtigsten Änderungen aufgeführt, die das Abgeordnetenhaus am endgültigen Text der Steuerreform vorgenommen hat.

    Der brasilianische Nahrungsmittelkorb

    Mit der Steuerreform wird der sogenannte Nationale Nahrungsmittelkorb (Cesta Básica Nacional de Alimentos - CBNA) eingeführt. Der Nahrungsmittelkorb besteht aus einer Reihe von Lebensmitteln, die zur Deckung des Grundbedarfs bestimmt sind. Die Schaffung des CBNA hat erhebliche Auswirkungen auf die Agrar- und Ernährungswirtschaft, da für mehrere Produkte nun Steuerbefreiungen oder -ermäßigungen gelten werden. Die Liste der Lebensmittel, die in das CBNA aufgenommen werden, wird durch ein ergänzendes Gesetz festgelegt. Der Senat hatte einen zweiten Korb mit Grundnahrungsmitteln geschaffen, gegen den die Abgeordnetenkammer ihr Veto eingelegt hat.

    Besondere Steuerregelungen

    Die Steuerreform sieht besondere Steuerregelungen für bestimmte Sektoren vor. Ziel dieser Regelungen ist es, die Steuervorschriften an die Besonderheiten verschiedener Wirtschaftszweige anzupassen, für die Steuerbefreiungen oder ermäßigte Steuersätze gelten können. Zu den Umsätzen mit Waren und Dienstleistungen, für die ermäßigte Steuersätze gelten, gehören unter anderem Bildungsdienstleistungen, Arzneimittel und medizinische Geräte sowie landwirtschaftliche Betriebsmittel. Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft sowie die Personenbeförderung im Luftverkehr werden unter anderem nach der Standardregelung besteuert.

    Freihandelszone Manaus

    Die Freihandelszone Manaus (Zona Franca de Manaus - ZFM) im Amazonasgebiet war eines der Hauptdiskussionsthemen im Rahmen der Steuerreform. Es wurde befürchtet, dass der Industriestandort seine Wettbewerbsfähigkeit, die durch die Befreiung von der Industrieproduktsteuer (IPI) gewährleistet ist, verlieren würde. Der Senat hatte vorgeschlagen, die Steuerbefreiung für in der ZFM produzierte Waren beizubehalten, jedoch mit einer zusätzlichen Steuer, dem sogenannten Beitrag für Interventionen im wirtschaftlichen Bereich (Cide). Dieser Vorschlag wurde von der Abgeordnetenkammer abgelehnt, sodass die Steuerreform die Vorteile für in der ZFM tätige Unternehmen beibehält.

    Steuererleichterungen für die Autoindustrie

    Einer der Hauptstreitpunkte bei der Abstimmung über die Steuerreform war die Tätigkeit der Automobilindustrie, die in den einzelnen Regionen des Landes unterschiedliche Merkmale aufweist. Mit der Steuerreform werden die Steueranreize für die Automobilindustrie bis 2032 beibehalten. Diese Anreize gelten jedoch nur für Unternehmen mit Sitz in den nordöstlichen und zentral-westlichen Bundesstaaten Brasiliens.

    Einkommensbesteuerung

    Der Schwerpunkt der Steuerreform liegt auf der Konsumbesteuerung. Die Verfassungsänderung verpflichtet die Regierung jedoch, dem Kongress bis zum 20. März 2024 einen Gesetzentwurf zur Änderung der Besteuerung von Einkommen und Löhnen vorzulegen. Am 14. Dezember 2023 genehmigte der Nationalkongress die Verlängerung der Befreiung von der Lohnsummensteuer bis zum 31. Dezember 2027 - eine Art Steueranreiz für 17 wichtige Wirtschaftszweige wie Textilien, Schuhe, Bauwesen, Fahrzeugbau, Technologie und Transport.

    Ausblick

    Im Laufe des nächsten Jahres werden die Parlamentarier über ergänzende Gesetze (Leis Complementares) abstimmen müssen, die die Einzelheiten der Steuerreform regeln. In diesen Gesetzen werden die Eckpunkte der neu zu schaffenden Steuern, die Übergangsphase vom bisherigen zum neuen Steuersystem und weitere Aspekte festgelegt. Mit dem Inkrafttreten der Verfassungsänderung werden in den nächsten Jahren in ganz Brasilien zahlreiche Bundes-, Landes- und Kommunalgesetze aufgehoben werden müssen. Die Vereinfachung des brasilianischen Steuersystems kann ab 2024 mit nur zwei ergänzenden Gesetzen geregelt werden.

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    Von Dr. Julio Pereira | Berlin

  • Brasilien startet die Umsetzung der Steuerreform

    Dem brasilianischen Nationalkongress liegt bereits ein Gesetzentwurf vor, der die Einführung neuer Steuern und deren Funktionsweise im Einzelnen regelt.

    Am 25. April 2024 hat die brasilianische Regierung dem Nationalkongress den Ergänzungsgesetzentwurf (Projeto de Lei Complementar - PLP Nr. 68/2024) für die Umsetzung der Steuerreform vorgelegt. Der Gesetzentwurf enthält die wesentlichen Regelungen zur Umsetzung der Verfassungsänderung vom Dezember 2023 (Emenda Constitucional Nr. 132/23). Mit dieser Änderung wurde das brasilianische Steuersystem grundlegend geändert - insbesondere im Hinblick auf die Konsumbesteuerung. Um das brasilianische Steuersystem zu vereinfachen, sieht die Reform die Einführung von zwei neuen Steuern vor: IVA-Dual und Imposto seletivo (IS). Sie werden die Konsumsteuern ersetzen. 

    Die Verabschiedung des PLP Nr. 68/24 durch den Nationalkongress ist eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren des neuen Steuersystems in Brasilien. Es handelt sich um die erste Phase der Umsetzung der Steuerreform.

    IVA-Dual

    In dieser Phase wird die Umsatzsteuer (bekannt als IVA-Dual) eingeführt. Im PLP Nr. 68/24 sind die Merkmale der IVA-Dual festgelegt, die auf Waren und Dienstleistungen erhoben wird. Es werden unter anderem allgemeine Regeln für mögliche Steuertatbestände, Bemessungsgrundlage, Sätze, Steuerpflichtige, Zahlungsmodalitäten sowie besondere Regelungen erlassen. Die IVA-Dual wird fünf wichtige Steuern ersetzen, die derzeit den Kern der Konsumbesteuerung in Brasilien bilden; ab 2027 sollen abgeschafft werden: PIS, COFINS und IPI (Bundessteuern), ICMS (Landessteuer) und ISS (Kommunalsteuer).

    In Anbetracht der verfassungsmäßigen Verteilung der Steuerkompetenzen in Brasilien wird die IVA-Dual von dem Bund, den Ländern und Gemeinden getrennt verwaltet. Der Teil der Umsatzsteuer, der an den Bund fällt, wird als Sozialbeitrag auf Waren und Dienstleistungen (CBS) bezeichnet. Der Teil, der an die Bundesländer und Gemeinden fällt, wird als Steuer auf Waren und Dienstleistungen (IBS) bezeichnet. Anders als ursprünglich geplant, können die CBS und die IBS unterschiedliche Steuersätze haben, welche durch spezifische Gesetze der einzelnen föderalen Einheiten festzulegen sind (Art. 14 PLP).

    Selektive Steuer (IS)

    Das Ergänzungsgesetz, das derzeit im Kongress erörtert wird, regelt auch die sogenannte selektive Steuer (Imposto seletivo - IS). Diese neue, außerfiskalische Steuer zielt darauf ab, den Konsum von gesundheitsschädlichen Produkten (Art. 393 PLP) - wie Zigaretten, alkoholischen und zuckerhaltigen Getränken - einzuschränken. Darüber hinaus wirkt die IS als Ökosteuer, da sie auf Autos, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, sowie auf Luft- und Wasserfahrzeuge erhoben wird. Für Kraftfahrzeuge, die ökologische Nachhaltigkeitskriterien (zum Beispiel geringe Kohlenstoffemissionen) erfüllen, gilt ein Nullsatz. Die Steuer wird auch auf die Förderung von Erdöl und Erdgas erhoben, selbst wenn die Bodenschätze für den Export bestimmt sind.

    Gesetzgebungsverfahren

    Der PLP Nr. 68/24 ist der erste von drei Gesetzentwürfen, die die brasilianische Regierung dem Nationalkongress vorlegen soll. Nach der brasilianischen Bundesverfassung beginnen die Abstimmungen über die vom Präsidenten der Republik initiierten Gesetzentwürfe in der Abgeordnetenkammer (Câmara dos Deputados), wobei der Senat (Senado Federal) als Revisionsinstanz fungiert.

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