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Branche kompakt | Finnland | Pharmaindustrie, Biotechnologie

Markttrends

Der finnische Pharmamarkt ist in den vergangenen Jahren nur langsam gewachsen. Die Unternehmen erhöhen ihre Investitionen trotzdem deutlich. 

Von Niklas Becker | Helsinki

Eurostat beziffert das Umsatzvolumen für Arzneimittel und sonstige medizinische Verbrauchsgüter in Finnland auf knapp 3 Milliarden Euro im Jahr 2022. Das entspricht 1,12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Deutschland waren es 1,71 Prozent und in Schweden 1,02 Prozent. Ein Vergleich mit den Vorjahren zeigt, dass die finnischen Ausgaben für Arzneimittel im EU-Vergleich weniger stark wachsen. 2022 lagen die finnischen Beiträge nominal rund 10 Prozent über dem Niveau von 2019. Lediglich in Polen, Italien und Ungarn fielen die Zuwächse in diesem Zeitraum noch geringer aus.  

Finnlands Pharmamarkt wächst nur langsam

Für den finnischen Pharmamarkt sprechen die vergleichsweise hohen Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel und sonstige medizinische Verbrauchsgüter. Diese lagen 2022 nach Angaben von Eurostat bei 539 Euro pro Kopf. Das ist Platz 8 im EU-Ranking. Finnland liegt damit knapp vor dem Nachbarland Schweden (538 Euro) und über dem EU-Durchschnitt (501 Euro). Deutschland führt das Ranking mit 791 Euro an.

Hoher 65-plus-Anteil in der Bevölkerung 

Einen starken Einfluss auf die finnische Nachfrage nach Arzneimitteln wird der demografische Wandel haben. Finnland wies 2023 den im EU-Vergleich vierthöchsten Anteil der Bevölkerung von mindestens 65 Jahren auf (23,3 Prozent). Spitzenreiter Italien kommt auf 24 Prozent Deutschland auf 22,1 Prozent. Prognosen zufolge soll der finnische Anteil der über 65-Jährigen steigen. Für 2050 erwartet Finnlands Statistikbehörde einen Wert von 25,8 Prozent.

Investitionen legen zu

Das finnische Pharmaunternehmen FinVector hat im Oktober 2024 seine Gentherapie-Produktionsanlage in Kuopio eröffnet. Die pharmazeutische Produktion kann nach Erhalt der behördlichen Genehmigungen beginnen. Dies soll voraussichtlich Ende 2025 oder Anfang 2026 erfolgen. Die Anlage bietet laut FinVector Verfahren für die Herstellung von Gentherapien auf Grundlage viraler Vektoren. In dem neuen Werk soll der Wirkstoff Adstiladrin® von Ferring Pharmaceuticals hergestellt werden. 

464 Millionen Euro

investierte die finnische Pharmabranche 2023. 

Wie Daten des finnischen Pharmaverbandes (Lääketeollisuus, PIF) zeigen, ist FinVector mit seinem Engagement nicht allein. 2023 investierte die finnische Branche laut Verband 464 Millionen Euro. Ein nominaler Zuwachs im Jahresvergleich um 21 Prozent. Laut einer im Mai 2024 veröffentlichten Umfrage soll sich der Wachstumstrend 2024 und 2025 fortsetzen. Die Investitionen sollen in beiden Jahren um 100 Millionen Euro höher ausfallen als 2023. 

Mit 232 Millionen Euro entfiel rund die Hälfte der Investitionen auf den Bereich Forschung und Entwicklung. Ein Schwerpunkt dabei waren klinische Studien. Die Investitionen in die Produktion beliefen sich 2023 auf 222 Millionen Euro.  

Ausgewählte Investitionsprojekte der pharmazeutischen Industrie in FinnlandInvestitionssumme in Millionen Euro
Akteur/ProjektInvestitionssummeProjektstandAnmerkungen
Biovian, Fabrik für Biopharmaka in Turku

50

BauInbetriebnahme Anfang 2025
FinVector, auf virusbasierte Gentherapie spezialisierte Arzneimittelfabrik in Kuopio

k.A.

BauInbetriebnahme Ende 2025 oder Anfang 2026, Fördermittel von Business Finland 18 Millionen Euro
Orion, Ausbau der Produktionskapazität in Finnland

30

Planung, tw. BauProjektlaufzeit 2023-2026
BioSpace, Forschungsprojekt LifeFactFuture

k.A.

 Leitung Universität Turku, Zusammenarbeit von finnischen Life-Science-Unternehmen, Technologiefirmen und akademischen Forschern, 11,7 Millionen Euro Fördermittel von Business Finland
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Finanziell angespannte Lage des Gesundheitssystems erschwert den Marktzugang 

In Finnland wird der Großteil der Arzneimittel in den Apotheken verkauft. Wie Tiina Aitlahti, Direktorin für Pharmazeutische Versorgung und Dienstleistungen beim finnischen Pharmaverband Lääketeollisuus, berichtet, wächst allerdings der Marktanteil von Pharmazeutika, die über die finnischen Krankenhäuser ausgegeben werden. "Mittlerweile machen sie rund ein Drittel des Gesamtumsatzes aus. Vor einigen Jahren war es noch ein Viertel", berichtet die Expertin. 

Der Trend dürfte jedoch gestoppt sein. Die Mitgliedsunternehmen des Verbandes berichten von neuen Entwicklungen beim Verkauf von Arzneimitteln für die finnischen Krankenhäuser. Hintergrund ist die bürokratische Aufteilung der Kostenübernahme. Erstattungsfähige Medikamente für die ambulante Versorgung werden von den Apotheken ausgegebenen und von der finnischen Sozialversicherungsanstalt Kela entsprechend anteilig oder ganz erstattet. Für die Kosten von in Krankenhäusern ausgegeben Arzneimitteln ist hingegen die jeweilige Gesundheitsregion zuständig. Viele der Regionen stehen vor finanziellen Herausforderungen und versuchen ihre Kosten zu drücken. 

Die Krankenhäuser versuchen, so die Expertin, deshalb vor allem Medikamente zu verschreiben, die in den Apotheken verkauft und damit von Kela übernommen werden. "Unsere Mitgliedsunternehmen stellen zudem fest, dass die Gesundheitsregionen die Kosten für die Einführung neuer Arzneimittel sehr streng kontrollieren. In den letzten Jahren wurde es immer komplizierter, neue Produkte für Krankenhäuser einzuführen. "Der Zwang zum Sparen schränkt die Möglichkeiten ein, neue Medikamente auf den Markt zu bringen", ergänzt Aitlahti

Ein weiteres Ergebnis der Sparpolitik ist die Entscheidung, dass Apotheken in Finnland seit April 2024 verschriebene Biopharmaka gegen günstigere, dafür geeignete Präparate tauschen dürfen. Mit dieser Maßnahme sollen der Preiswettbewerb verstärkt und die Erstattungskosten für Medikamente gesenkt werden.

Außerhalb von finnischen Apotheken und Krankenhäusern dürfen bisher nur Nikotinersatztherapien verkauft werden. Das könnte sich in Zukunft ändern. Eine von der finnischen Regierung beauftragte Arbeitsgruppe hat geprüft, ob häufig verwendete rezeptfreie Arzneimittel in Einzelhandelsgeschäften erhältlich sein könnten. Die Gruppe hat ihre Ergebnisse im Oktober 2024 vorgestellt. Sie spricht sich für eine kontrollierte Ausweitung des Verkaufs von rezeptfreien Präparaten aus. 

Finnische Patienten werden stärker zur Kasse gebeten

Private Ausgaben für Arzneimittel spielen in Finnland eine deutlich größere Rolle als in Deutschland. Das zeigen Daten von Eurostat. Rund 38 Prozent der gesamten Ausgaben für Medikamente entfielen auf Selbstzahlungen der Haushalte. In Deutschland waren es 18 Prozent. In Finnland könnte der Anteil zukünftig steigen. Denn finnische Patienten müssen beim Kauf erstattungsfähiger Medikamente jährlich zunächst einen Betrag von 50 Euro selbst zahlen, ehe die - abhängig vom Arzneimittel und Anspruch - Erstattungssätze von 40, 65 oder 100 Prozent greifen. Ab Januar 2025 wird der jährliche Selbstbehalt von 50 auf 70 Euro erhöht. 

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