Der Abfallwirtschaft geht es gut. Allerdings hat sie mit immer neuen Vorgaben zu kämpfen. Damit versucht die Regierung den Rückstand Frankreichs im Recycling aufzuholen.
Der Abfallsektor hat sich in Frankreich nach der Coronakrise kräftig erholt. Mit dem harten Lockdown von März bis Mai 2020 war der Betrieb von Anlagen zur Mülltrennung vorübergehend eingestellt worden. Auch fielen die Verpackungen der Gastronomie weg. Bei vielen Wertstoffen fürs Recycling (etwa bei Altpapier) kam es 2020 zu Engpässen. Auch Anfang 2021 waren diese Folgen noch spürbar.
Die Umsätze in der Abfallwirtschaft haben aber nur einen kurzen Rückfall erlitten. Mit steigenden Rohstoffpreisen sind die Preise für Sekundärrohstoffe in die Höhe geschossen. Folglich stiegen die Umsätze im Recycling. In den ersten vier Monaten 2022 lagen sie mit 19,2 Prozent höher als im selben Vorjahreszeitraum.
Gleichzeitig hat das Recycling von Haushaltsabfällen in den letzten zwei Jahren zugenommen, weil Haushalte in vielen Landesteilen mehr Plastikabfälle in die gelbe Tonne werfen konnten. Diese Vereinfachung der Mülltrennung soll bis 2023 auf das ganze Land ausgeweitet werden. Zudem sind durch das Wachstum im E-Commerce mehr Verpackungen aus Karton im Umlauf, die gut getrennt werden.
Starker Rückstand und ambitionierte Ziele
Frankreich weist vor allem bei Haushaltsabfällen einen starken Rückstand beim Recycling auf. Das Land hat sich aber in den vergangenen Jahren mit den Gesetzen LCEV (Loi de transition énergétique pour la croissance verte) aus dem Jahr 2015 und dem Gesetz über die Kreislaufwirtschaft AGEC (Loi anti-gaspillage pour une économie circulaire) aus dem Jahr 2020 ambitionierte Ziele gesetzt.
Die Umsetzung des Gesetzes AGEC und die damit verbundenen Maßnahmen haben sich durch die Coronakrise in Teilen verzögert. Gleichzeitig hatte die Regierung während der Krise über ihr Konjunkturpaket France Relance auch die Hilfen für die Abfallwirtschaft erhöht. Dies treibt die Investitionen im Sektor an.
Im europäischen Vergleich weist Frankreich eine niedrige Recyclingrate auf. So wurden lediglich 25 Prozent des Haushalts-Plastikmülls recycelt. Der europäische Durchschnitt liegt bei 35 Prozent. Immer noch wird mehr deponiert als wiederverwertet.
Der Müll wird in den Haushalten schlecht getrennt. Bioabfälle werden bisher in den Haushalten fast gar nicht gesammelt und gleiches gilt für viele verwertbare Stoffe. Das soll sich schnell ändern.
Nach dem Gesetz AGEC sollen ab 2040 keine Einwegkunststoffverpackungen mehr in Umlauf gebracht werden dürfen. Bis 2025 will die Regierung auf ein vollständiges Recycling aller Plastikverpackungen "hinarbeiten". Zahlreiche weitere Ziele betreffen zum Beispiel die Vermeidung (2030: -15 Prozent Haushaltsabfälle gegenüber 2010) und die Deponieverbringung (2030: maximal 10 Prozent der Haushaltsabfälle).
Viele Maßnahmen sollen das Land auf diesen Pfad bringen. Die wichtigsten sind die Ausweitung der Mülltrennung und die Verpflichtung für mehr Wirtschaftssektoren, ihre Abfälle im Rahmen fester Regeln zu entsorgen. Die Ausweitung einer vereinfachten Trennung (alle Plastikabfälle in die gelbe Tonne) auf das ganze Land soll bis Ende 2022 erfolgen. Mitte 2022 konnten etwa zwei Drittel der Haushalte bei der Mülltrennung so verfahren. Dafür sind in den letzten zwei Jahren zahlreiche Zentren zur Mülltrennung umgerüstet worden. Durch die Krise hat sich die Modernisierung der Anlagen zum Teil verzögert.
Mehr Fördermittel
Gleichzeitig hat die Regierung über ihr Hilfsprogramm France Relance 2020 der Abfallwirtschaft 500 Millionen Euro zusätzlich an Investitionszuschüssen zur Verfügung gestellt. Die Gelder werden von der Umweltbehörde Ademe verwaltet und über Projektaufrufe vergeben. Sie fließen in die Anpassung der Zentren zur Mülltrennung, aber auch in andere Projekte zur Ausweitung des Recyclings, etwa in neue Maschinen und Anlagen.
Damit soll auch die Einführung eines Trennsystems für Biomüll bezuschusst werden, das bis 2023 landesweit eingeführt werden soll. Die genauen Modalitäten sind noch nicht festgelegt worden, aber die Einführung wird zu mehr Investitionen in Kompostieranlagen führen.
Großinvestitionen in chemisches Recycling
Neben mechanischen Recyclinganlagen für Kunststoffe wollen eine Reihe von Investoren Anlagen zum chemischen Recycling von Stoffen aufbauen, die derzeit noch nicht mechanisch recycelt werden können. Die Firmen Eastman, Loop und Carbios haben 2022 Großinvestitionen angekündigt und schließen Vereinbarungen mit der Kosmetik- oder Nahrungsmittelindustrie ab. Sie erhalten unter anderem Subventionen aus dem staatlichen Förderprogramm France 2030.
Das Recycling wächst auch, weil der Staat im Rahmen des Programms zur "erweiterten Verantwortung der Hersteller" (responsabilité élargie du producteur, REP) immer mehr Wirtschaftssektoren (sogenannte filières REP) verpflichtet, für ihre Produkte die Kosten der Entsorgung zu tragen und gleichzeitig Zielvorgaben für mehr Recycling macht.
Dies geschieht über Öko-Organisationen (éco-organismes), die vom Staat zertifiziert werden. Sie erhalten Abgaben von Unternehmen, die bestimmte Produkte in Umlauf bringen, und finanzieren damit die Abfallsammlung- und -trennung durch die Kommunen oder Privatfirmen. Zuständig für die Sammlung und Trennung von Haushaltsabfällen sind in Frankreich die Gemeinden (überwiegend interkommunale Verbünde), die sie in der Regel privaten Unternehmen übertragen. Die Regionen sind für gefährliche Abfälle und Bauschutt verantwortlich.
Aufkommen nach Art der Abfälle (2018) | Gesamt (in Mio. t) | Pro Kopf (in kg) |
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Gewerbe-/Industrieabfälle (ohne Bau) | 72 | 950 |
Bauabfälle | 240 | 3.600 |
Haushaltsabfälle | 39 | 582 |
Gesamt | 342 | 5.132 |
Quelle: Ademe 2022
Durch das AGEC-Gesetz aus dem Jahr 2020 kommen etliche REP-Sektoren hinzu und für die bereits bestehenden werden die Regeln angepasst. Die wichtigsten neuen Sektoren sind Baumaterialien sowie Verpackungen im B2B-Geschäft und in der Gastronomie. Der unten aufgeführte Kalender zur Einführung hat sich allerdings um einige Monate verzögert.
Kalender zur Einführung neuer REP-SektorenJahr | Sektoren |
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2021 | Tabakprodukte |
2022 | Baumaterialien, Spielzeug, Garten- und Heimwerkerbedarf, Schmiermittel |
2023 | Verpackungen in der Gastronomie |
2024 | Kaugummi, Einweg-Sanitärartikel |
2025 | Verpackungen im B2B-Geschäft, Angelzeug mit Kunststoffanteil |
Quelle: AGEC-Gesetz
In den neuen Sektoren ergeben sich Chancen für deutsche Anbieter von Recyclinganlagen, aber auch als éco-organisme. Bei Haushaltsabfällen ist seit 2018 Léko, ein Tochterunternehmen von Reclay aus Deutschland, als éco-organisme im Geschäft.
Ausgewählte Investitionsprojekte in der Abfallwirtschaft in FrankreichProjekt | Investition (in Mio. Euro) | Stand | Projektträger |
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Recyclinganlage für PET-Verpackungen (160.000 t im Jahr, chemisches Recycling), Port-Jérôme | 850 | Ende März Standort ausgewählt | Eastman (USA) |
Recyclinganlage für PET (70.000 t im Jahr durch chemisches Recycling), Port-Jérôme | 250 | Bau soll 2023 beginnen | Loop (Kanada), Suez (Frankreich) |
Plattform zur Abfallbehandlung Runeva, La Réunion | 220 | Rückzug des Generalunternehmers Paprec vom Projekt im Juni 2022 | Runeva |
PET-Recyclinanlage durch Enzyme, Meurthe-et-Moselle | 150 | Ende Februar Standort ausgewählt | Carbios (Frankreich) |
Umrüstung der Papierfabrik Chapelle Darblay auf Kartonfertigung aus Rezyklat, Grand-Couronne | 120 | Fabrik im Mai 2022 aufgekauft | Veolia (Frankreich) |
Anlage zur Mülltrennung Eco-Pôle (200.000 t pro Jahr), Chêne-en-Semine | 70 | Grundsteinlegung im Februar 2022 | Excoffier Recyclage (Frankreich) |
Anlage zur Biogas- und Düngergewinnung aus Nahrungsmittelresten, Île-de-France | 52 | Baubeginn Anfang 2023 | Paprec (Frankreich) |
Recyclinganlage für Kunststoff, Elven | 35 | Baubeginn 2023 | Paprec (Frankreich) |
Quelle: Tagespresse 2022
Von Peter Buerstedde
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Paris