Der französische Beschaffungsmarkt ist komplex. Eine aktive Präsenz vor Ort hilft bei der Marktbearbeitung.
Ein erfolgreicher Vertrieb in Frankreich erfordert mehr als nur die Einhaltung der Ausschreibungskriterien, eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung und hochwertige Produkte. Auch der Service muss erstklassig sein.
Nicht nur der Preis entscheidet
Kriterien wie die Seriosität, Verlässlichkeit und Größe des Unternehmens sind bei der Auswahl des Anbieters ebenfalls von wesentlicher Bedeutung. "Einkäufer müssen sicher sein, dass der Anbieter nicht in drei Jahren wieder vom Markt verschwunden ist", so ein Branchenexperte. Kleineren Unternehmen rät er daher, sich bei großen Losen mit anderen Unternehmen zu einem Anbieterkonsortium zusammenzuschließen oder aber mit erfahrenen Distributoren oder Handelsvertretern zusammenzuarbeiten.
Checkbox Auswahlkriterien
- Einhaltung aller regulativen Vorgaben (CE-Zertifizierung, Erstattungsfähigkeit, ISO-Normen)
- Einhaltung aller Ausschreibungskriterien
- Preis
- Qualität
- After-Sales-Service
- Seriosität und Größe des Anbieters
- Präsenz vor Ort
- Einhaltung von CSR (Corporate-Social-Responsibility) - Vorgaben
Corporate Social Responsibility-Vorgaben ("achat responsable") wie Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit gewinnen beim Einkauf und damit bei der Auswahl des Anbieters an Gewicht, bleiben angesichts knapper Kassen nach Aussage von Brancheninsidern bislang aber eher theoretisch.
Für Start-ups sei zumindest in den meisten öffentlichen Gesundheitseinrichtungen oft wenig Raum, zu groß der Aufwand und zu hoch das Risiko, dass der Junganbieter wieder vom Markt geht oder das Produkt doch nicht funktioniert wie erwartet. Gerade Privatkliniken und gut laufende private ambulante Einrichtungen seien offener gegenüber auch risikoreichen, aber hochinnovativen Technologien.
Ärzte brauchen Vertrauen in Technologie und Verkäufer
Um investitionsintensive Medizintechnik erfolgreich zu verkaufen, ist der persönliche Kontakt zu den behandelnden und die jeweilige Technologie anwendenden Ärzten von wesentlicher Bedeutung. Referenzen, auch aus Deutschland, tragen dazu bei, den Wert des eigenen Produktes nachzuweisen.
"Made in Germany" ist zwar nach wie vor ein geschätztes Gütesiegel, reicht aber als Verkaufsargument nicht mehr aus.
Ein hoher Preis muss durch bessere Qualität, größere Innovationskraft sowie Effizienz und Kosteneinsparungen gerechtfertigt sein.
Eine intensive Begleitung und Vorbereitung ist erforderlich. Es gilt, Vertrauen aufzubauen, in die Technologie, aber auch den Verkäufer. Die Präsenz vor Ort sowie regelmäßiger Austausch und Erreichbarkeit des Verkäufers sind hierbei wesentliche Kriterien.
Zuletzt darf beim Service, auch dem After-Sales-Service nicht gespart werden. Gerade bei komplexen Geräten ist es notwendig, ein Team an Servicemitarbeitern zur Verfügung zu halten. Anbieter sollten nachweisen können, dass sie in der Lage sind, Wartungen durchzuführen, vor allem aber Störungen möglichst zeitnah zu beheben. Nur dann, so ein Insider, findet der Wunsch nach einer bestimmten Technologie auch Eingang in Ausschreibungsunterlagen. Denn nichts ärgert Krankenhäuser mehr als teure Geräte, die aufgrund eines Defekts nicht einsatzbereit sind.
Kenntnis des Vergaberechts wichtig
Der französische Abnehmermarkt unterteilt sich grob in zwei Abnehmergruppen, die Médecine en Ville sowie Krankenhäuser. Die Médicine en Ville umfasst die ambulante, meist freiberufliche medizinische Versorgung sowie sozio-medizinische Einrichtungen wie Altenheime oder Wohnheime für Menschen mit Beeinträchtigungen. Ärzte, Hebammen aber auch Apotheken sind Teil der Medicine en Ville.
Akteure am Gesundheitsmarkt unterliegen bei der Beschaffung unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben. Die anwendbaren Rechtsvorschriften richten sich nach dem öffentlichen oder privaten Status der Einkäufer. Öffentliche Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen unterliegen den Vorgaben des französischen Vergaberechts, ergänzt durch europäische Vergabevorschriften. Staatliche Beschaffungen erfolgen in der Regel im Wege öffentlicher Ausschreibungen. Diese können zentral auf den staatlichen Plattformen Place (Plateforme des achats de l'état) oder Bamp (Bulletin officiel des annonces des marchés publics) eingesehen werden. Ein Erstattungsleitfaden der Exportinitiative Gesundheitswirtschaft erklärt, wie der Weg in das französische Erstattungssystem funktioniert.
Private Einrichtungen sind nicht an öffentliches Vergaberecht gebunden und organisieren den Einkauf nach Maßgabe privatrechtlicher, individuell oder auf Ebene der Krankenhausgruppe ausgearbeiteter Vorgaben. Auch diese Einrichtungen schließen sich, in Abhängigkeit von ihrer Größe, zu Einkaufsgesellschaften zusammen. Apotheken haben ähnliche Strukturen entwickelt und organisieren ihre Einkäufe über Einkaufszentralen wie die Centrale des Pharmaciens oder DépoTrade, einer Tochter des Branchengroßhändlers OCP.
Krankenhausverbünde und Einkaufszentralen organisieren den Sammeleinkauf
Jedes öffentliche Krankenhaus des Landes ist, unabhängig von seiner Größe und medizinischen Bedeutung, Teil eines der 136 Groupement Hospitaliers de Territoire (GHT) des Landes, einem Pflichtzusammenschlusses der regionalen staatlichen Krankeneinrichtungen. Aufgabe dieser GHT ist unter anderem, den Einkauf von Hilfsmitteln für die einzelnen Mitgliedseinrichtungen zu koordinieren. Damit sind GHT administrativ für die Bedarfsermittlung innerhalb des Krankenhausverbundes sowie für die Durchführung von Ausschreibungen zuständig.
Einkaufszentralen wie die Resah, die Union des Groupements d'Achats Publics (UGAP) oder die Union des Hôpitaux pour les Achats (Uniha) unterstützen die GHT, öffentliche Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen bei ihrem Einkauf. Die Beschaffung von Standardhilfsmitteln und alltäglichen Verbrauchsgütern läuft im wesentlichen über diese Einkaufzentralen. Die beiden wichtigsten Einkaufszentralen RESAH oder UGAP nutzen als Beschaffungskanal die Vergabeplattform Maximilien.
Kliniken kaufen Hochtechnologie in Eigenregie
Krankenhäuser können auch selbstständig Einkäufe vornehmen. Gerade Großinvestitionen wie die Anschaffung von bildgebenden Apparaturen, chirurgischen Robotern oder innovativen Technologien nehmen Einrichtungen nicht selten in Eigenregie, allerdings in Abstimmung mit den regionalen staatlichen Gesundheitsagenturen (Agences Régionales de Santé) vor.
Erste gezielte Kontaktmöglichkeiten zu Akteuren des französischen Gesundheitswesens bieten sich auf der Leitmesse SantExpo in Paris. Auch die deutsche Medica verzeichnet einen steigenden Zulauf an französischen Besuchern und Ausstellern.
Von Frauke Schmitz-Bauerdick
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Paris