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Branche kompakt | Frankreich | Bauwirtschaft

Bauwirtschaft sehnt sich nach Aufschwung

Der französische Gebäudebau ist in freiem Fall. Nachhaltiges Bauen wird zur Pflicht, die energetische Renovierung zum Rettungszweig für eine angeschlagene Branche.

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

 

  • Markttrends

    Die französische Bauwirtschaft taumelt. Der Gebäudebau leidet unter Inflation und hohen Bauzinsen. Der Industrie- und Infrastrukturbau aber bietet noch Beteiligungschancen. 

    Zwar laufen die Geschäfte im Infrastruktur- und Industriebau stabil. Der Branchenverband Fédération Nationale des Travaux Publics schätzt, dass der Sektor im Jahr 2023 eine nominale Umsatzsteigerung von gut 4 Prozent erreicht. Trotz eines schwierigen wirtschaftlichen Umfelds erwartet der Verband auch für 2024 ein, wenn auch schwächeres, Wachstum von 2 Prozent. Großprojekte wie die Gigafabriken im Batteriebereich, der Tunnelbau Lyon-Turin, der Kanalbau Seine-Nord Europe oder die Vergabe des Baus zweier Metroteilstücke Ende 2023 im Rahmen des Projekts "Grand Paris Express" führen zu Großaufträgen für Tiefbauunternehmen. 

    Wohnungsbau bricht ein

    -21, 3 %

    Rückgang des prognostizierten Wohnungsbauvolumens 2024 im Vergleich zum Vorjahr

    Quelle: Fédération Française du Bâtiment

    Die Nachfrage im Wohnungsbau hingegen kommt zum Erliegen. Die Zahl der beantragten und erteilten Baugenehmigungen ist seit Mitte 2023 im Sinkflug. Auch die Zahl der Wohnungsverkäufe bricht drastisch ein.

    Baugenehmigungen und Baubeginn neue Wohneinheiten
     

    Dezember 2021- November 2022

    Dezember 2022 - November 2023

    Veränderung in Prozent

    Baugenehmigungen

    499.800

    372.500

    - 25,5

    Bauaufnahme

    366.500

    294.700

    -19,6

    Quelle: Fédération Française du Bâtiment

     

    Der Branchenverband Fédération Française du Bâtiment erwartet für 2024 eine Rezession im Gebäudebau und einen Rückgang von 5,5 Prozent des Umsatzvolumens.  

     

    Marktvolumen der Gebäudebauwirtschaft in Frankreich (in Milliarden Euro; Veränderung in Prozent)

    Segment

    Bauvolumen 2023 1)

    Veränderung 2023/22

    Bauvolumen 2024 2)

    Veränderung 2023/24

    Neubau, davon

    70,7

    -4,4

    60,4

    -14,6

      Wohnungen

    39,6

    -7,8

    31,2

    -21,3

      Andere Gebäude

    31,1

    0,4

    29,2

    -6,0

    Renovierung und Instandhaltung

    91,8

    2,6

    93,3

    1,6

    Gesamt

    162,5

    1,7

    153,6

    -5,5

    1 Schätzung; 2 Prognose.Quelle: FFB (Fédération Française du Bâtiment)

    Dabei hatte sich der Gebäudebau trotz eines schwierigen wirtschaftlichen Umfelds im Jahr 2023 noch gut gehalten. Die operativen Margen der Unternehmen erholten sich gegenüber dem Vorjahr und nahmen im Gesamtjahr 2023 gegenüber 2022 um einen Prozentpunkt auf gut 22 Prozent zu. Steigende Verkaufspreise konnten den Preisanstieg vor allem bei Energie und Gehältern ausgleichen. Allerdings lagen die operativen Margen im Gebäudebau auch 2023 immer noch gut 5 Prozent unter dem Niveau von 2019. 

    Für 2024 und 2025 zeigt sich der Branchenverband pessimistisch. Er erwartet angesichts des Rückgangs am Wohnungsbau nicht nur einen Einbruch der Margen, sondern auch eine steigende Zahl von Unternehmensschließungen. Ebenso drohen Entlassungen von branchenübergreifend gut 90.000 Mitarbeitern. Im Januar 2024 hatte Vinci Immobilier, einer der führenden Immobilienentwickler des Landes, bereits den ersten Sozialplan der Branche aufgelegt. Damit reagiert das Unternehmen auf einen Umsatzrückgang von 24 Prozent im Jahr 2023 auf 836 Millionen Euro und den Einbruch um 46 Prozent bei der Reservierung von Wohnungen. 

    Die Regierung hat bislang keine Sonderprogramme zur Unterstützung des Sektors aufgelegt, allerdings angekündigt, bis 2026 rund 500 Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau und Studentenwohnheime investieren zu wollen. Allerdings haben diese Ankündigungen noch keine Umsetzung gefunden. 

    Branchenunternehmen orientieren sich in Richtung energetische Sanierung

    Wohnungsbauunternehmen suchen ihr Heil in der energetischen Sanierung von Wohnraum sowie Gewerbe- und öffentlichen Gebäuden. Gesetzliche Vorgaben wie die 2022 in Kraft getretenen Energieeffizienzrichtlinie RE 2020 verschärfen energie- und klimabezogenen Vorgaben für Wohn- und Bürogebäude. Gewerbliche Immobilien unterliegen zwar nicht der RE 2020, dafür aber dem Décret Tertiaire. Dieses sieht bei Gewerbeimmobilien bis 2030 Energieeinsparungen von 40 Prozent, bis 2050 bis 60 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2010 vor. Damit wird auch bei Gewerbeimmobilien in den kommenden Jahren die energetische Sanierung zur Pflicht.   

    Für das "städtische Gebäuderecycling", den Umbau und der Umwidmung von bereits existierenden Immobilien, sieht das Wirtschaftsforschungsinstitut Xerfi ebenfalls gute Entwicklungsmöglichkeiten. Bauland wird landesweit, insbesondere in den Metropolen des Landes, knapper und teuer. Es mangelt aber gerade in städtischen Lagen an Wohn- und teils auch Büroraum. Gesetzliche Vorgaben zur Freiraumsicherung mit dem Ziel, bis 2050 eine bauliche Bodennutzungsquote von Net Zero zu erreichen, erschweren den Bau neuer Wohnviertel und Gewerbebauten auf der grünen Wiese. Branchenunternehmen nehmen die Aufwertung existierender Gebäude als neues Geschäftsfeld in den Fokus. 

    Im Zuge der Krise gewinnen Maßnahmen zur Kostensenkung am Bau an Gewicht. Erste Unternehmen experimentieren mit industriell vorgefertigten Baumodulen, um schneller und damit kostengünstiger zu arbeiten. Bei Planung und Bau setzen Unternehmen zunehmend digitale Lösungen oder Augmented Reality- und KI-Anwendungen ein, um Prozesse zu beschleunigen und teure Baufehler zu vermeiden. 

    Großprojekte bieten Möglichkeiten für Zulieferer

    Die drei französischen Baugrößen Vinci, Bouygues und Eiffage beherrschen vornehmlich den Infrastrukturbau. Großprojekte werden in aller Regel an eines dieser auch international aktiven Baukonglomerate vergeben. Für deutsche Unternehmen bestehen allerdings Beteiligungsmöglichkeiten als Subunternehmer oder im Rahmen einer Partnerschaft mit lokalen Unternehmen. 

    Geschäftschancen bieten sich insbesondere für Spezialtechnologien. So wurden die Tunnelbohrmaschinen für das Eisenbahntunnelprojekt Lyon-Turin von Herrenknecht, Deutschland hergestellt. Bauer Spezialtiefbau hat die Fundamente des Offshore-Windparks in St. Nazaire gelegt. 

    Aber auch Lösungen, die die Umwelt- und Klimabilanz von Bau- und Gebäudebetrieb verbessern, finden steigende Nachfrage. So verändern sich beim Bau von Fabriken und Produktionsanlagen die Ansprüche der Bauherren. Die Frage der Einsparung von Treibhausgasemissionen gewinnt an Bedeutung. Auch Lösungen zur Steigerung der Energieeffizienz sind angesichts der im internationalen Vergleich hohen Energiekosten stark gefragt, ebenso wie Lösungen zur Eigenstromgewinnung und Wassereinsparung. 

    Ein eigenständiges Agieren am Markt ist aufgrund regulatorischer und gesetzlicher Vorgaben schwierig. Das französische Bau- und Gewährleistungsrecht legt an Bautätigkeiten teils deutlich strengere Maßstäbe an, als diese aus dem deutschen Recht bekannt sind. Dazu gehört unter anderem eine zehnjährige Haftung für Baumängel. Bauherren sollten auf einen hinreichenden Versicherungsschutz achten.

     

    Ausgewählte Großprojekte der Bauwirtschaft in Frankreich
    Akteur/Projekt

    Investitionssumme (in Mrd. Euro)

    Projektstand

    Anmerkungen

    TELT (Tunnel Euralpin Lyon Turin), Lyon-Turin Eisenbahn- und Tunnelprojekt

    8,6

    Arbeiten und Ausschreibungen laufen, Inbetriebnahme des französisch-italienischen Tunnelteilstücks geplant 2032

    Juli 2021 Vergabe eines Teilstücks des Tunnelbaus an einen Zusammenschluss aus Vinci, Eiffage und Impenia (Schweiz)

    Oktober 2023 Vergabe der Verwertung von Aushubmaterial an einen Zusammenschluss unter Führung von Vinci (Auftragswert 800 Mio. Euro)

    Canal Seine-Nord Europe

    5,2

    Ausschreibungen laufen, Baubeginn 2022, Inbetriebnahme geplant 2030 

    Dezember 2023 Vergabe des Ausschreibungsloses "Schleusenbau Montmacq-Cambronne-lès-Ribécourt" an Bouygues Travaux Publics Régions France

    ProLogium (Taiwan);  Batterieproduktion; Dunkerque

    5,2

    Abstimmungsverfahren läuft, Baubeginn geplant 2024, Produktionsbeginn geplant 2026

    Veranschlagte Baukosten 1 Milliarde Euro

    EPR2-Nuklearkraftwerk Penly; Auftraggeber Électricité de France (EDF)

    4,0

    Baubeginn Mitte 2024, Inbetriebnahme geplant 2035/2036

    November 2023 Vergabe der Tiefbauarbeiten für zwei EPR2-Reaktoren an Eiffage

    Grand Paris Express, Metro 15 Ouest (Teilstück Ponts de Sèvres - La Défense); Auftraggeber Société du Grand Paris  

    2,7

    Baubeginn 2024, Inbetriebnahme geplant 2031

    Juli 2023 Vergabe an Intensité15 (Zusammenschluss unter Führung von Vinci)

    Grand Paris Express, Metro 15 Est (Teilstück Bobigny-Champigny-sur-Marne); Auftraggeber Société du Grand Paris  

    2,5

    Baubeginn 2024, Inbetriebnahme geplant 2030

    Dezember 2023 Vergabe an einen Zusammenschluss unter Führung von Eiffage

    Windkraftpark Dunkerque, Auftraggeber Eoliennes en Mer de Dunkerque (EMD)  (Tiefbau), RTE (Netzanbindung)

    1,4

    Abstimmungsphase läuft, Genehmigung Ende 2024, Baubeginn geplant Anfang 2025, Offshore-Installation 2026, Inbetriebnahme Ende 2027

    EMD: Zusammenschluss aus EDF und Enbridge Éolien France

    Quelle: Recherchen GTAI

     

     

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz

    Frankreich hat den Passoires Thermiques, Gebäuden mit einer schlechten Ökobilanz, den Kampf angesagt. Chancen bieten sich für Zulieferer und Anbieter von Speziallösungen. 

    Mit der am 1. Januar 2022 in Kraft getretenen Klima- und Energieeffizienzregulierung RE 2020 (Réglementation Environnementale) hat das Land strikte Bauvorgaben eingeführt. Die Richtlinie soll den Treibhausgasausstoß im Immobilienbereich eindämmen. Eine Steigerung der Energieeffizienz, Eigenenergieerzeugung sowie die Verbesserung des Wohnkomforts in heißen Sommern sind ebenfalls wichtige Bestandteile der Richtlinie. 

    Ein besonderer Fokus der Richtlinie liegt auf Energieeinsparung vor allem durch die Isolierung von Fenstern, Dach und Außenfassaden. Nicht oder gering emittierende Energiequellen sollen beim Heizen und der Warmwassererzeugung Standard werden. Zudem zielt die Richtlinie auf den zunehmenden Einsatz von Niedrigkarbon-Baustoffen ab.  

    Die RE 2020 gilt für den Neubau von Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern sowie für Büro- und Unterrichtsgebäude. Auch bereits vermieteter Wohnraum unterfällt dem Anwendungsbereich der Richtlinie, abhängig von seiner Energieklassifizierung. Ab 2025 wird es verboten, Wohnungen der schlechtesten Energieeffizienzklasse G zu vermieten, für Wohnraum der Klasse F wird die Neuvermietung ab 2028 und für Wohnraum der Klasse E ab 2034 ausgeschlossen.  

    Das Ministerium für die Energiewende schätzt, dass 5,2 Millionen Wohneinheiten und damit 17,8 Prozent des gesamten Wohnungsparks in die Kategorien F und G fallen. Eigentümer dieser sogenannten "Passoires Thermiques" (Energieschleudern) stehen damit vor der Wahl, ihre Wohnung zu verkaufen oder zu renovieren. Es besteht enormer Handlungsbedarf. Nach dem Basisszenario der SNBC müssten bis 2030 jährlich 370.000 Wohneinheiten renoviert werden und ab dann bis 2050 jährlich 700.000 weitere. 

    Im Gewerbe- und Industriebau steigen die energetischen Ansprüche

    Für den Gewerbebau (mit Ausnahme von Büros und Schulen) gilt die 2019 in Kraft getretenen Regulierung "Dispoitif Eco Efficacité Tertiaire (DEET, Décret Tertiare)". Das Décret tertiaire verlangt von Eigentümern und Nutzern gewerblicher Immobilien, den Endenergieverbrauch des Gebäudes stufenweise bis 2050 um 60 Prozent abzusenken. Damit steigen auch bei Betreibern gewerblicher Gebäude die Ansprüche an die Energieeffizienz von Gebäuden und Ausstattung. 

    Produktionsanlagen und Fabriken unterliegen bislang keinen regulativen Energie- und Nachhaltigkeitsvorgaben. Die im internationalen Vergleich hohen Energiekosten und steigende Kundenansprüche in die Klimafreundlichkeit treiben aber auch beim Fabrikbau Investitionen in eine energieeffiziente und niedrigemittierende Bauweise und Gebäudetechnik.   

    Staatliche Förderung hilft bei der Sanierung

    Eine Vielzahl von Förderprogrammen unterstützt Privatpersonen bei der energetischen Sanierung und dem Neubau energieeffizienten Wohnraums. Die wichtigsten Programme sind MaPrimeRénov', Energiesparzertifikate (CEE) und Nullzinskredite (Éco-PTZ). 

    Über MaPrimeRénov' gibt es Zuschüsse zu Effizienzmaßnahmen in Privathaushalten. Im Budget 2024 hat die Regierung insgesamt 5 Milliarden Euro an Fördermitteln zur Verfügung gestellt, 1,6 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2023. 

    Das zweite wichtige Instrument für Arbeiten in Privathaushalten, Handel, Industrie und in öffentlichen Gebäuden sind die Energiesparzertifikate CEE (Certificats d'économie d'énergie). CEE-Sanierungsmaßnahmen werden von Unternehmen des Energiesektors finanziert, die dafür Zertifikate erhalten.  Im Zeitraum 2022 bis 2025 sollen über das CEE-Programm 3.100 Terawattstunden Strom eingespart werden.

    Förderinstrumente für Energieeffizienzmaßnahmen in Gebäuden

    1. MaPrimeRénov - Zuschüsse für bestimmte Arbeiten gestaffelt nach Einkommen der Haushalte
    2. Certificats d'économie d'énergie (CEE) - Energieunternehmen erhalten Energiesparzertifikate für Arbeiten, die sie finanzieren
    3. Éco-prêt à taux zéro (Éco-PTZ) - Nullzinskredite von bis zu 50.000 Euro für bestimmte Arbeiten

    Komplexe Regularien schrecken deutsche Unternehmen ab

    Privathaushalte, die durch die MaPrimeRenov geförderte Sanierungen vornehmen, sind bei der Auswahl der Handwerker gebunden. Lediglich Unternehmen, die über eine RGE (Reconnu Garant de l'Environnement)- Qualifizierung verfügen, dürfen durch die MaPrimeRenov geförderte Sanierungsarbeiten vornehmen. Die Vorgaben, unter denen diese Qualifizierung erteilt wird, sind komplex. Deutsche Unternehmen, die nur gelegentlich in Frankreich tätig sind, müssen abwägen, ob sich der Aufwand rechnet. 

    Grenznahe deutsche Unternehmen, für die sich der Erwerb einer RGE-Zertifizierung lohnen könnte, beklagen hingegen weitreichende bürokratische Hindernisse, wenn sie in Frankreich tätig werden wollen. Sozialversicherungs- und steuerrechtliche Vorgaben sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite behindern grenzüberschreitend tätige Unternehmen. 

    Gute Chancen bei der Zulieferung von Technologie und Ausrüstung

    Gewerbliche Bauherren, die nicht von der MaPrimeRenov-Förderung profitieren, haben die freie Wahl der Durchführer. Insbesondere Großsanierungsprojekte können daher auch Chancen für deutsche Unternehmen bieten. Allerdings ist die Konkurrenz durch lokale Anbieter groß. Branchengrößen wie Vinci, Bouyges oder Eiffage agieren über eigene Tochtergesellschaften und treten sowohl als Bauentwickler als auch als Bauträger und Bauunternehmen auf. Bessere Chancen bestehen daher im Rahmen der Zulieferung von Baumaterialien und technischen Lösungen sowie Ausrüstung wie Heizungen, Isolierungslösungen, Be- und Entlüftungssystemen und Haustechnologien.  

    Recycling von Baumaterialien legt zu 

    Das Thema Kreislaufwirtschaft gewinnt auch in der französischem Bausektor an Bedeutung. Seit dem 1. Mai 2023 ist ein neues System zu Rücknahme und Recycling von Baumaterialien ("Responsabilité Élargie du Producteur") in Kraft. Danach sind Unternehmen, die Baumaterialien auf den französischen Markt bringen, verpflichtet, für die Entsorgung zu sorgen. Die deutsch-französische Auslandshandelskammer bietet hier Unterstützung an.

    Große Branchenunternehmen verstärken unabhängig von gesetzlichen Vorgaben Investitionen in die Wiederverwertung von Baustoffen. Der Betonhersteller Lafarge hat 2,5 Millionen Euro investiert, um Abbruchbeton in neue Baumaterialien umzuwandeln. Holcim sammelt erste Erfahrungen mit recyceltem Beton und rechnet mit einer Produkteinführung im Jahr 2027. Der Glashersteller St. Gobain betreibt eine eigene Recyclingtochter, um Bauglas wiederzuverwerten und die Produktion zu dekarbonisieren. 

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Branchenstruktur

    Die großen französischen Bauunternehmen dominieren die Bauwirtschaft des Landes. Deutsche Unternehmen sind als Zulieferer aktiv.

    Der französische Bausektor ist stark und international hervorragend aufgestellt. Mit den drei Baukonzernen Vinci, Bouygues und Eiffage ist Frankreich gleich dreimal unter den Top-20 der größten Bauunternehmen der Welt vertreten, so Deloitte in seinem Global Powers for Construction 2023-Ranking.

    Die französische Bauindustrie zählte 2022 nach Angaben der FFB insgesamt 427.000 Unternehmen. Der Großteil (94 Prozent) hat zehn oder weniger Mitarbeitende, nur etwa 200 Betriebe beschäftigen mehr als 200 Personen. Von den insgesamt 1,73 Millionen Beschäftigten sind 506.000 im Bauhandwerk beschäftigt. Die Baubranche erwirtschaftete 2022 etwa 76 Milliarden Euro im Neubau und 90 Milliarden Euro in der Instandhaltung und Renovierung, insgesamt damit 166 Milliarden Euro (vor Steuern).
     

    Großkonzerne auch auf Auslandsmärkten aktiv

    Größere Aufträge insbesondere im Infrastruktur- aber auch im Großgebäudebereich werden in den meisten Fällen von den führenden französischen Baukonzernen Vinci, Bouygues oder Eiffage übernommen. Als Teil großer Konglomerate sind diese Gruppen auch in anderen Bereichen tätig, darunter als Immobilienentwickler, Betreiber von Parkhäusern, Konzessionär für Autobahnen und Flughäfen, aber auch in der Telekommunikation oder im Medienbereich.

    Wichtige Branchenunternehmen in Frankreich

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz 2022 in Mio. Euro

    Vinci ConstructionHoch- und Tiefbau

    29.252

    Bouygues *)Hoch- und Tiefbau

    28.696

    ColasHoch- und Tiefbau

    15.529

    Eiffage *)Hoch- und Tiefbau, Energie

    14.587

    FayatHoch- und Tiefbau, Baumaterial

    5.300

    NGEHoch- und Tiefbau

    3.085

    Spie Batignolles *)Hoch- und Tiefbau, Energie

    2.234

    Demathieu Bard GroupHoch- und Tiefbau

    1.752

    LegendreHoch- und Tiefbau, Energie, Immobilien

    930

    * ohne Immobiliengeschäfte.Quelle: Geschäftsberichte, Recherche GTAI

    Vor allem Vinci, Bouygues und Eiffage sind im Ausland sehr aktiv. Der Gesamtwert der im Ausland erbrachten Bauleistungen französischer Unternehmen betrug 2021 nach Angaben des FFB im Gebäudebau 7,1 Milliarden Euro, ein Rückgang von 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 

    Die Auslandsaktivität litt nach den bereits schwachen Zahlen im Jahr 2021 auch 2022 und 2023 vor allem unter der zögerlichen Entwicklung in China. Langandauernde und strikte Pandemiebekämpfungsmaßnahmen sowie die internationale Abschottung des Landes hatte bis Mitte 2023 zu massiven Beeinträchtigungen ausländischer Bauaktivitäten geführt. Die schwache chinesische Konjunktur, insbesondere die kriselnde Bauwirtschaft in China, wird aber auch 2024 seinen Schatten auf die Auslandsaktivitäten französischer Großkonzerne werfen.   

    Deutsche Unternehmen im Baumaterialsektor gut vertreten

    Auch im Bereich Baumaterialien verfügt das Land über international aufgestellte Konzerne. Lafarge und Holcim zählen zu den Schwergewichten der Zement- und Betonbranche. Arcelor Mittal ist im Stahlsegment führend, Saint Gobain einer der weltweit wichtigsten Glashersteller.

    Deutsche Unternehmen sind im Land gut aufgestellt. Die Knauf-Gruppe produziert in Frankreich an seinen bislang noch 13 Standorten unter anderem Isolierungs-, Decken und Kunststofflösungen. Zwar hat Knauf im Juni 2023 angekündigt, vier Werke aus dem Kunststoffsegment zu schließen. Allerdings expandiert der Konzern im Bereich Isolierung und Gipsplatten. Im März 2024 wird das neue Gipsplattenwerk in Fos-sur-Mer eröffnet werden. Im Mai 2023 hatte Knauf zudem angekündigt, 100 Millionen Euro in eine Produktionsanlage für Akustik-Deckenplatten in seiner bereits bestehenden Produktion in Illange zu investieren.

    Die deutsche Heidelberg Materials Group ist mit den Tochtergesellschaften Ciments Calcia, GSM, Unibeton und Socli wichtiger Anbieter von Baumaterialien, vor allem in den Sparten Zement, Transportbeton und Kalk. Die Pumpenhersteller KSB und Wilo sind in Frankreich mit eigenen Produktionsstätten vor Ort aktiv und profitieren von der Neuorientierung zu mehr Energieeffizienz und Dekarbonisierung im Gebäudebereich. 

    Baumaterialsektor muss dekarbonisieren

    Die gesamte Branche für Baumaterialien steht in einem ambitionierten Prozess der Dekarbonisierung von Produktion und Produkten. Dies gilt nicht nur für die großen Emittenten der Zement-, Stahl- und Glasindustrie, sondern zieht sich quer durch alle Industriesparten. Der Stahlkonzern ArcelorMittal wird mit staatlicher Förderung 1,8 Milliarden Euro in den klimafreundlichen Umbau seiner Produktion investieren. Hoffman Green Ciment plant, bis Ende 2024 eine neue Anlage zur Herstellung von kohlenstofffreiem Zement mit einer Kapazität von 250.000 Tonnen pro Jahr in Betrieb zu nehmen. Die strengeren Anforderungen an die Klimafreundlichkeit neuer Bauwerke durch die RE 2020 sowie steigende Ansprüche der Kunden in eine bessere Klimabilanz am Bau setzt den Sektor unter Innovationsdruck. 

    Start-ups wie Neolithe springen in die Bresche. Das Jungunternehmen hat eine Technologie zur nachhaltigen Behandlung von Industrieabfällen entwickelt. Durch ein Behandlungsverfahren, das mehr Kohlenstoff bindet als emittiert, wandelt das Start-up nicht recyclebare Abfälle wie Bauschutt in Granulate zur Verwendung in nicht-strukturellem Beton oder in Kiesbetten um. Das Unternehmen geht in die Industrialisierungsphase und konnte bereits Bouygues Immobilier als Kunden gewinnen. 

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Rahmenbedingungen

    Die Marktbearbeitung im Bausektor gilt als schwierig. Die französische Konkurrenz ist gut aufgestellt. Komplexe Vorgaben stellen ausländische Unternehmen vor Hindernisse.

    Der Bausektor in Frankreich ist kein einfaches Pflaster für ausländische Firmen. Das Land verfügt über eigene große, wettbewerbsfähige und technisch versierte Baukonzerne, die sämtliche Sparten des Bausektors abdecken. Auch in rechtlicher Hinsicht weist das Land Besonderheiten auf, die im Ausland ansässigen Firmen die Tätigkeit in Frankreich erschweren. Die Marktbearbeitung gemeinsam mit einem lokalen Partner gilt daher als essenziell.

    Die Teilnahme an Ausschreibungen oder Architekturwettbewerben ist oft der einzige Weg, um bei größeren Projekten zum Zuge zu kommen. 

    Im öffentlichen Sektor sind alle Bauvorhaben nach den Bestimmungen des "Code des Marchés Publics" zu vergeben. Auftraggeber sind in Abhängigkeit vom Projekt der Staat, Gebietskörperschaften oder öffentliche Einrichtungen. Ausschreibungen und Informationen zum öffentliche Vergaberecht finden sich im Ausschreibungsportal der Regierung.

    Die Bewerbung für eine Ausschreibung umfasst verschiedene Dokumente und Unterlagen, zusammengefasst im "Dossier de Consultation des Entreprises". Zum Dossier gehören die technische Spezifikation, eine Verpflichtungserklärung über die Leistung und den Angebotspreis und eventuell auch der Durchführungsplan.

    Bauversicherung ist dringend erforderlich

    Eine besondere Schwierigkeit stellt für deutsche Unternehmen in Frankreich die zehnjährige Gewährleistungspflicht (décennale) dar, da deutsche Versicherer diese in der Regel nicht abdecken und eine Versicherung in Frankreich an eine Präsenz vor Ort gebunden ist. Dennoch sollte auf eine hinreichende Absicherung nicht verzichtet werden. 

    Französische Versicherungsgesellschaften sind allerdings gerade bei innovativen und noch nicht weithin erprobten technischen Lösungen am Bau mit einer Absicherung oft zurückhaltend. Versicherer akzeptieren deren Einsatz neuer Technologien in der Regel erst dann, wenn die entsprechende Baulösung eine besondere Zulassung durch das CSTB (Centre Scientifique et Technique du Bâtiment) bekommen hat. Eine hinreichende Versicherungsabdeckung kann daher teuer werden. Entsprechende Kosten sollte bereits vor Erstellung des Vertragsangebotes ermittelt und eingepreist werden. 

    Beteiligung an Privatrenovierungen nur mit französischer Qualifikation möglich

    Geschäftschancen für deutsche Unternehmen können sich aus einer Verschärfung der Regeln für energiefressende Wohnungen ergeben. Die RE2020 (réglementation environnementale) verbietet ab 2025, besonders ineffiziente Wohnungen neu zu vermieten. Einzelheiten hat das französische Ministerium für ökologischen Wandel veröffentlicht. Die Regierung fördert die energetische Renovierung von Wohnraum durch die Prämie MaPrimeRénov. Allerdings ist bei energetischen Sanierungsmaßnahmen die staatliche Förderung in der Regel daran geknüpft, dass die ausführende Person die besondere Qualifizierung RGE (reconnu garant de l'environnement) erlangt hat. Hierfür müssen Fortbildungen und Qualifizierungskurse in französischer Sprache belegt werden. Bei geringeren Auftragsvolumina macht dieses Erfordernis Arbeiten in Frankreich für deutsche Handwerker mitunter unattraktiv. 

    Handwerker und Bauunternehmungen im deutsch-französischen Grenzeinzugsbereich hingegen kämpfen mit komplexen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben, wenn sie grenzüberschreitend tätig werden wollen. Unterstützen können die Industrie- und Handelskammern der Grenzregion. 

    Umweltrechtliche Vorgaben verschärfen die Dokumentationspflichten

    RE2020 (réglementation environnementale) sieht strikte Dokumentationspflichten vor. So muss unter anderem bei Bauanträgen eine Lebenszyklusanalyse der verwendeten Baumaterialien und Komponenten erstellt werden. Dieser Analyse liegen wiederum Umwelterklärungen zugrunde, die vom Hersteller der jeweiligen Materialien herausgegeben werden. 

    Ebenfalls ab dem 1. Mai 2023 gelten strengere Regeln bezüglich der Wiederverwertbarkeit von Bauabfällen (Responsabilité Élargie du Producteur). Zukünftig muss auch bei bedeutenden Renovierungen vor Arbeitsbeginn eine Produktdiagnose hinsichtlich der zu erwartenden Materialien und Abfälle durchgeführt werden. So soll eine gute Wiederverwertung, soweit möglich, gewährleistet werden.

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    AHK Frankreich

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Portal 21

    Informationsangebot zu Dienstleistungen in Europa

    Ministère de la cohésion des territoires et des relations avec les collectivités territoriales

    Ministerium für territorialen Zusammenhalt, zuständig für Stadtentwicklung
    Ministère de la transition écologiqueMinisterium für ökologischen Wandel, zuständig für Stadtentwicklung und Wohnungspolitik
    Agence nationale de l'habitat (Anah)Behörde für Wohnraum; zuständig für Förderprogramme für energetische Sanierungsmaßnahmen
    Agence de la transition écologique (Ademe)Behörde für die Energiewende; zuständig für Förderprogramme für Energieeffizienz
    France Rénov'Staatlicher One-Stop-Shop für energetische Sanierungsmaßnahmen in Haushalten
    Association francaise de normalisation (Afnor)Vereinigung für Normung und Reglementierung
    Centre Scientifique et Technique du Bâtiment (CSTB)Zentrum für Bautechnik
    Fédération française du bâtiment (FFB)Hochbauverband
    Fédération nationale des travaux publicsTiefbauverband
    Confédération de l'Artisanat et des Petites Entreprises du Bâtiment (CAPEB)Verband des Bauhandwerks
    Le Moniteur

    Wochenmagazin und Internetportal

    Batiactu

    Internetportal zum Bauwesen

    Mondial du Bâtiment (Batimat/Ideobain/Interclima)

    Größte nationale Fachmesse

    Bulletin officiel des annonces des marchés publics (BOAMP)

    Zentrales Internetportal für öffentliche Ausschreibungen

     

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

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