Frankreich hat den Passoires Thermiques, Gebäuden mit einer schlechten Ökobilanz, den Kampf angesagt. Chancen bieten sich für Zulieferer und Anbieter von Speziallösungen.
Mit der am 1. Januar 2022 in Kraft getretenen Klima- und Energieeffizienzregulierung RE 2020 (Réglementation Environnementale) hat das Land strikte Bauvorgaben eingeführt. Die Richtlinie soll den Treibhausgasausstoß im Immobilienbereich eindämmen. Eine Steigerung der Energieeffizienz, Eigenenergieerzeugung sowie die Verbesserung des Wohnkomforts in heißen Sommern sind ebenfalls wichtige Bestandteile der Richtlinie.
Ein besonderer Fokus der Richtlinie liegt auf Energieeinsparung vor allem durch die Isolierung von Fenstern, Dach und Außenfassaden. Nicht oder gering emittierende Energiequellen sollen beim Heizen und der Warmwassererzeugung Standard werden. Zudem zielt die Richtlinie auf den zunehmenden Einsatz von Niedrigkarbon-Baustoffen ab.
Die RE 2020 gilt für den Neubau von Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern sowie für Büro- und Unterrichtsgebäude. Auch bereits vermieteter Wohnraum unterfällt dem Anwendungsbereich der Richtlinie, abhängig von seiner Energieklassifizierung. Ab 2025 wird es verboten, Wohnungen der schlechtesten Energieeffizienzklasse G zu vermieten, für Wohnraum der Klasse F wird die Neuvermietung ab 2028 und für Wohnraum der Klasse E ab 2034 ausgeschlossen.
Das Ministerium für die Energiewende schätzt, dass 5,2 Millionen Wohneinheiten und damit 17,8 Prozent des gesamten Wohnungsparks in die Kategorien F und G fallen. Eigentümer dieser sogenannten "Passoires Thermiques" (Energieschleudern) stehen damit vor der Wahl, ihre Wohnung zu verkaufen oder zu renovieren. Es besteht enormer Handlungsbedarf. Nach dem Basisszenario der SNBC müssten bis 2030 jährlich 370.000 Wohneinheiten renoviert werden und ab dann bis 2050 jährlich 700.000 weitere.
Im Gewerbe- und Industriebau steigen die energetischen Ansprüche
Für den Gewerbebau (mit Ausnahme von Büros und Schulen) gilt die 2019 in Kraft getretenen Regulierung "Dispoitif Eco Efficacité Tertiaire (DEET, Décret Tertiare)". Das Décret tertiaire verlangt von Eigentümern und Nutzern gewerblicher Immobilien, den Endenergieverbrauch des Gebäudes stufenweise bis 2050 um 60 Prozent abzusenken. Damit steigen auch bei Betreibern gewerblicher Gebäude die Ansprüche an die Energieeffizienz von Gebäuden und Ausstattung.
Produktionsanlagen und Fabriken unterliegen bislang keinen regulativen Energie- und Nachhaltigkeitsvorgaben. Die im internationalen Vergleich hohen Energiekosten und steigende Kundenansprüche in die Klimafreundlichkeit treiben aber auch beim Fabrikbau Investitionen in eine energieeffiziente und niedrigemittierende Bauweise und Gebäudetechnik.
Staatliche Förderung hilft bei der Sanierung
Eine Vielzahl von Förderprogrammen unterstützt Privatpersonen bei der energetischen Sanierung und dem Neubau energieeffizienten Wohnraums. Die wichtigsten Programme sind MaPrimeRénov', Energiesparzertifikate (CEE) und Nullzinskredite (Éco-PTZ).
Über MaPrimeRénov' gibt es Zuschüsse zu Effizienzmaßnahmen in Privathaushalten. Im Budget 2024 hat die Regierung insgesamt 5 Milliarden Euro an Fördermitteln zur Verfügung gestellt, 1,6 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2023.
Das zweite wichtige Instrument für Arbeiten in Privathaushalten, Handel, Industrie und in öffentlichen Gebäuden sind die Energiesparzertifikate CEE (Certificats d'économie d'énergie). CEE-Sanierungsmaßnahmen werden von Unternehmen des Energiesektors finanziert, die dafür Zertifikate erhalten. Im Zeitraum 2022 bis 2025 sollen über das CEE-Programm 3.100 Terawattstunden Strom eingespart werden.
Förderinstrumente für Energieeffizienzmaßnahmen in Gebäuden
- MaPrimeRénov - Zuschüsse für bestimmte Arbeiten gestaffelt nach Einkommen der Haushalte
- Certificats d'économie d'énergie (CEE) - Energieunternehmen erhalten Energiesparzertifikate für Arbeiten, die sie finanzieren
- Éco-prêt à taux zéro (Éco-PTZ) - Nullzinskredite von bis zu 50.000 Euro für bestimmte Arbeiten
Komplexe Regularien schrecken deutsche Unternehmen ab
Privathaushalte, die durch die MaPrimeRenov geförderte Sanierungen vornehmen, sind bei der Auswahl der Handwerker gebunden. Lediglich Unternehmen, die über eine RGE (Reconnu Garant de l'Environnement)- Qualifizierung verfügen, dürfen durch die MaPrimeRenov geförderte Sanierungsarbeiten vornehmen. Die Vorgaben, unter denen diese Qualifizierung erteilt wird, sind komplex. Deutsche Unternehmen, die nur gelegentlich in Frankreich tätig sind, müssen abwägen, ob sich der Aufwand rechnet.
Grenznahe deutsche Unternehmen, für die sich der Erwerb einer RGE-Zertifizierung lohnen könnte, beklagen hingegen weitreichende bürokratische Hindernisse, wenn sie in Frankreich tätig werden wollen. Sozialversicherungs- und steuerrechtliche Vorgaben sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite behindern grenzüberschreitend tätige Unternehmen.
Gute Chancen bei der Zulieferung von Technologie und Ausrüstung
Gewerbliche Bauherren, die nicht von der MaPrimeRenov-Förderung profitieren, haben die freie Wahl der Durchführer. Insbesondere Großsanierungsprojekte können daher auch Chancen für deutsche Unternehmen bieten. Allerdings ist die Konkurrenz durch lokale Anbieter groß. Branchengrößen wie Vinci, Bouyges oder Eiffage agieren über eigene Tochtergesellschaften und treten sowohl als Bauentwickler als auch als Bauträger und Bauunternehmen auf. Bessere Chancen bestehen daher im Rahmen der Zulieferung von Baumaterialien und technischen Lösungen sowie Ausrüstung wie Heizungen, Isolierungslösungen, Be- und Entlüftungssystemen und Haustechnologien.
Recycling von Baumaterialien legt zu
Das Thema Kreislaufwirtschaft gewinnt auch in der französischem Bausektor an Bedeutung. Seit dem 1. Mai 2023 ist ein neues System zu Rücknahme und Recycling von Baumaterialien ("Responsabilité Élargie du Producteur") in Kraft. Danach sind Unternehmen, die Baumaterialien auf den französischen Markt bringen, verpflichtet, für die Entsorgung zu sorgen. Die deutsch-französische Auslandshandelskammer bietet hier Unterstützung an.
Große Branchenunternehmen verstärken unabhängig von gesetzlichen Vorgaben Investitionen in die Wiederverwertung von Baustoffen. Der Betonhersteller Lafarge hat 2,5 Millionen Euro investiert, um Abbruchbeton in neue Baumaterialien umzuwandeln. Holcim sammelt erste Erfahrungen mit recyceltem Beton und rechnet mit einer Produkteinführung im Jahr 2027. Der Glashersteller St. Gobain betreibt eine eigene Recyclingtochter, um Bauglas wiederzuverwerten und die Produktion zu dekarbonisieren.
Von Frauke Schmitz-Bauerdick
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Paris