Branche kompakt | Frankreich | Medizintechnik
Branchenstruktur
Deutsche Unternehmen sind in Frankreich gut vertreten. Ein schwieriges Marktumfeld und knappe Finanzmittel bei Krankenhäusern und Sozialversicherungen aber erschweren den Absatz.
10.02.2025
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
Frankreichs Medizintechnikbranche ist zwar kleiner als der deutsche Sektor, aber lebendig und international aktiv. Knapp 1.400 Unternehmen, davon 90 Prozent kleine und mittlere Firmen, entwickeln und produzieren Medizintechnik für den lokalen und den internationalen Markt. Im Jahr 2023 erwirtschaftete der Sektor laut Branchenverband SNITEM Umsätze in Höhe von 32,5 Milliarden Euro, davon 10,6 Milliarden Euro im Export. Ausländische Hersteller machen ein Viertel aller Branchenunternehmen aus, erwirtschaften aber gut zwei Drittel des Branchenumsatzes.
Deutschland ist mit einem Anteil von 18 Prozent wichtigster europäischer Investor. Siemens Healthineers, BBraun und Dräger, aber auch große Mittelständler wie Hartmann sind vor Ort. US-amerikanische Unternehmen tragen zu 34 Prozent aller ausländischen Investitionen in der Branche bei. Große internationale Marktführer wie Medtronic oder GE Healthcare sind in Frankreich mit eigenen Produktionen und Forschungszentren aktiv und weiten ihren Aktionsradius aus. So hat GE im Jahr 2024 eine Produktion von Scannern aus China nach Frankreich verlagert.
Lokaler Markt leidet unter restriktiver Erstattungspolitik
Gerade international aktive Unternehmen produzieren in Frankreich eher für den Export als für den heimischen Markt. B.Braun beispielsweise exportiert nach Unternehmensangeben mehr als 80 Prozent seiner französischen Produktion. Einige Unternehmen verzichten sogar darauf, innovative Produkte in Frankreich zuzulassen. Laut einer Umfrage des Branchenverbands SNITEM haben 46 Prozent der befragten Branchenunternehmen im Jahr 2023 davon abgesehen, Medizintechnikprodukte auf den französischen Markt zu bringen. Ein langes und komplexes Zulassungsverfahren sowie eine restriktive Erstattungspolitik wirken abschreckend.
Trotz der starken ausländischen Konkurrenz verfügt Frankreich über eigene, lokal und international erfolgreiche Branchenunternehmen. Air Liquide zählt im Segment Beatmungstechnologien zu den Weltmarktführern. Trixell, ein Joint Venture zwischen Thales, Philips Healthcare und Siemens Healthineers, ist nach Unternehmensangaben weltweit führend in der Entwicklung und Herstellung digitaler Röntgendetektoren. Aber auch große Mittelständler wie Amplitude Surgical oder Proteor sind in Frankreich mit eigener Produktion verankert und international aktiv.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2023 |
---|---|---|
GE Healthcare Technologies (Medical Systems, Healthcare) | Systeme im Bereich bildgebender, elektromedizinischer und elektrotherapeutischer Verfahren; Chirurgie und Zahntechnik | 1.994,2 |
Medtronic | Systeme für die Bereiche Herz-/Kreislauf, Neurologie, Chirurgie, Diabetes | 878,3 |
Siemens Healthineers | Systeme im Bereich bildgebender Verfahren, Onkologie, Diagnostik | 538,0 |
Air Liquide (Medical Systems, Santé, Santé Domicile) | Medizinische Gase, Beatmungssysteme | 481,2 |
BBraun Medical | Systeme für den Bereich Chirurgie, Pflege, chronische Erkrankungen | 396,6 |
Philips France | Systeme für Diagnose und Behandlung, vernetzte Versorgung, Körperpflege | 364,0 |
Abbots | Systeme für den Bereich Herz-/Kreislauferkrankungen, Neuromodulation | 321,2 |
Dräger | Systeme für die Akutversorgung (u.a. Anästhesie, Beatmung, Monitoring, vernetzte Lösungen) | 156,2 |
Trixell | Digitale Röntgendetektoren | 140,4 |
Amplitude Surgical | Prothesen | 106,0 |
Branchengrößen investieren in Start-ups
Eine hochaktive industrielle Start-up-Szene belebt trotz des schwierigen Umfelds den Medizintechniksektor. So plant das Jungunternehmen Orixha, bis 2028 eine Produktion von Kühlsystemen für Herzstillstandpatienten aufzubauen. Das Pariser Start-up Robeauté entwickelt neurochirurgische Miniroboter. Und das auf Robotik-Exoskelette fokussierte Start-up Wandercraft, konnte sich Mitte 2024 eine Finanzierung der Europäischen Investitionsbank in Höhe von 25 Millionen Euro für die Fortentwicklung seiner FDA- und CE-zertifizierten Produkte sichern.
Großunternehmen kooperieren mit Start-ups. So hat Thales im Juli 2024 einen Start-up-Accelerator für Jungunternehmen im bildgebenden Bereich eröffnet. Die Start-up-Förderung erfolgt durchaus auch im Eigeninteresse. Innovative Technologien sollen helfen, die Wettbewerbsfähigkeit der Branchengrößen zu erhöhen.
Importe decken den Bedarf an Medizintechnik
Trotz ihrer technologischen Reife ist die lokale französische Medizintechnikindustrie zu klein, um die steigenden Bedarfe Frankreichs zu decken. Das Land ist in weiten Bereichen auf Importe angewiesen. Laut Fitch Solutions erreichte die Importquote bei Hilfsmitteln wie Hörgeräten, Herzschrittmachern oder Beatmungsgeräten annähernd 90 Prozent, liegt aber auch in anderen Bereichen bei über 70 Prozent. Deutschland ist nach den USA wichtigster Importeur.
SITC | Import (2023) | Anteil Import aus Deutschland | |
---|---|---|---|
774.1 | Elektrodiagnoseapparate und -geräte | 1.096,3 | 14,3 |
774.2 | Röntgenapparate etc. | 1.293,6 | 16,6 |
741.83 | Sterilisierapparate | 45,3 | 16,1 |
872.1 | Zahnmedizinische Instrumente; a.n.g. | 369,1 | 34,6 |
872.21 | Spritzen, Nadeln, Katheter, Kanülen etc. | 2.046,4 | 14,9 |
872.25 | Ophthalmologische Instrumente | 319,0 | 14,7 |
872.29 | Andere Instrumente, Apparate und Geräte | 2.194,0 | 18,8 |
872.3 | Therapiegeräte, Atmungsgeräte etc. | 702,0 | 19,5 |
872.4 | Medizinmöbel etc. | 172,3 | 22,8 |
899.6 | Orthopädietechnik, Prothesen etc. | 3.175,0 | 13,1 |
Frankreichs Gesundheitswesen ist gut, aber teuer
Frankreichs öffentliches Gesundheitssystem zählt zu den besten, aber nach den USA und Deutschland auch teuersten weltweit. Die Gesundheitskosten beliefen sich laut Eurostat im Jahr 2022 auf 11,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Ausgaben sind die zweithöchsten in der EU und liegen deutlich über dem europaweiten Durchschnitt von 10,4 Prozent des BIP.
Laut dem staatlichen Gesundheitsstatistikdienst DREES übernimmt die staatliche Krankenversicherung den Löwenanteil der Kosten, im Jahr 2023 lag dieser bei etwa 80 Prozent. Private Zuzahlungen erreichen 7,5 Prozent der Gesamtausgaben. Frankreich zählt damit, im Vergleich der
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), zu den drei Ländern mit den geringsten privaten Zuzahlungen.
Der öffentliche Krankenhaussektor stellte im Jahr 2023 knapp 61 Prozent der verfügbaren Betten. Die Bettenanzahl in öffentlichen und privaten Einrichtungen nimmt seit Jahren konstant ab, was auch auf verbesserte ambulante Behandlungsmöglichkeiten zurückzuführen ist. Der Rückgang 2023 belief sich auf 1,3 Prozent.
Krankenhäuser kämpfen mit Finanzierungslücken
Im Krankenhausbereich sind die wichtigsten Abnehmer die Universitätskliniken (CHU) und Regionalkrankenhäuser (CRU). Während gerade die an Universitäten angebundenen Häuser über hochmoderne Einrichtungen verfügen, haben kleinere, in der Peripherie oder außerhalb städtischer Ballungsgebiete liegende Krankenhäuser nicht selten Modernisierungsbedarf. Die finanziellen Mittel aller Einrichtungen allerdings sind knapp. Inflation und anziehende Lohnkosten belasten die ohnehin schon häufig defizitären Finanzen gerade öffentlicher Gesundheitseinrichtungen.
Um Versorgungs- und Finanzierungslücken zu schließen, hat Präsident Macron im Jahr 2023 den Plan Ségur de la Santé neu aufgelegt. Der Plan "Ségur" soll über einen Zeitraum von 10 Jahren Investitionsrückstände abbauen. Investitionen in Höhe von 19 Milliarden Euro waren ursprünglich für den Gesamtzeitraum vorgesehen. Aufgrund der wechselnden Regierungskonstellationen im Jahr 2024 und der dauerhaften Unsicherheit in Bezug auf die Höhe des verfügbaren Budgets verzögert sich die Umsetzung des Finanzierungsplans.
Indikator | Wert |
---|---|
Einwohnerzahl (2024 in Mio.) | 66,5 |
Bevölkerungswachstum (2024 in % p.a.) | 0,2 |
Altersstruktur der Bevölkerung (2023) |
|
Anteil der unter 14-Jährigen (in %) | 17,3 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %) | 21,2 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2023 in Jahren) | 83,1 |
Durchschnittseinkommen (2022 in Euro) | 47.496 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (in Euro) | 4.606,98 |
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2022 in %) | 11,9 |
Ärzte/100.000 Einwohner (2022) | 319,5 |
Zahnärzte/100.000 Einwohner (2022) | 67,6 |
Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2022), davon | 550 |
privat | 214 |
öffentlich | 336 |