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Luftfahrtindustrie auf dem Weg zum "grünen" Fliegen
Frankreichs Luftfahrtindustrie gewinnt nach schwierigen Jahren wieder an Fahrt. Die Branche schiebt den Umbau zur Klimaneutralität an. Der genaue Weg dorthin ist noch offen.
26.06.2023
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
Frankreichs Luftfahrtindustrie hat die Pandemie überwunden. Im Jahr 2022 konnte die Branche nach Angaben des Industrieverbands GIFAS (Groupement des Industries Françaises Aéronautiques et Spatiales) ihre Umsätze um nominal 13,6 Prozent auf knapp 63 Milliarden Euro steigern. Vom Gesamtumsatz entfallen 69 Prozent auf den zivilen Flugsektor.
2021 | 2022 | Veränderung 2022/2021 (in %) | |
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Gesamtumsatz | 55.179 | 62.700 | 13,6 |
Umsatz Inland | 17.915 | 21.800 | 21,7 |
Exporte | 37.264 | 40.900 | 9,8 |
Umsatz Bereich zivile Luftfahrt | 35.657 | 43.500 | 22,0 |
Umsatz Bereich Verteidigung | 19.532 | 19.200 | -1,7 |
Die Produktion zieht nach einem von Zulieferproblemen und Fachkräftemangel gezeichneten Jahr 2022 wieder an. Das Analyseinstitut Xerfi prognostiziert für 2023 ein Produktionswachstum des Luftfahrtsektors um 15 Prozent. Die Exporte gewinnen nach schwachen Pandemiejahren ebenfalls wieder an Dynamik, wenngleich auch 2022 das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht wurde.
Innovative Flugmodelle erobern den Markt
Die Branchenstimmung ist gut, beflügelt von Großaufträgen. Airbus verkündete Ende Juni 2023 anlässlich der internationalen Flugausstellung in Le Bourget eine Rekordbestellung über 500 Airbus A320. Die indische Fluggesellschaft IndiGo hat die Flugzeuge mit einem Auftragswert von 55 Milliarden US-Dollar für den rasant wachsenden indischen Markt geordert. Die saudische Luftlinie Flynas gab ebenfalls eine Bestellung über 30 Airbus A350 auf, der Auftragswert liegt bei 14 Milliarden US-Dollar. Zudem konnte sich Airbus Helikopter im April 2023 einen Auftrag durch das chinesische Unternehmen GDAT über 50 H160-Hubschrauber sichern.
Neben den etablierten Großkonzernen drängen junge Fluggerätebauer auf den Markt, insbesondere in den Sparten Elektro- und Leichtbauflieger oder Senkrechtstarter. So hat der junge französische Flugzeugbauer Ascendance Flight Technologies 110 Kaufabsichtserklärungen für sein hybrid-elektrisches Flugtaxi ATEA verkündet. Das Unternehmen will zudem bis 2027 in Kooperation mit dem Turboprop-Flugzeugbauer Daher einen ersten Hybrid-Geschäftsflieger entwickeln.
Dekarbonisierung ist das Gebot der Stunde
Die erfreulichen Auftragszahlen fallen in eine Zeit des technologischen Umbruchs. Der Flugverkehr muss sich dekarbonisieren. Bis 2050 soll Klimaneutralität erreicht werden. Um dies zu erreichen, stellt die Branche die gesamte Betriebskette auf den Prüfstand. Antrieb, Materialien, technische Ausstattung, Kabinenkonzeption, Energiesysteme und Digitalisierung sind Bausteine, die für einen niedrigeren Energie-, Treibstoff- und Emissionsausstoß optimiert werden müssen. Auch dem reinen Flug vor- und nachgelagerte Prozesse wie Produktion, Reparatur und Dekonstruktion sowie Flugabfertigung sollen emissionsärmer werden. Zudem drängt die Industrie auf den Aufbau einer Produktion nachhaltiger Treibstoffe.
Sektorunternehmen intensivieren ihre Forschungsvorhaben, auch in Kooperation mit nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen wie dem französischen ONERA oder dem International Forum for Aviation Research (IFAR). Die französische Regierung unterstützt die Branchenbestrebungen. Der Innovationsplan France 2030 sieht Fördermittel in Höhe von insgesamt 1,2 Milliarden Euro für die Dekarbonisierung der Luftfahrt vor, davon 200 Millionen für Branchen-Start-ups. Im Juni 2023 hatte Präsident Macron zudem angekündigt, die Aktivitäten des CORAC (Conseil pour la Recherche Aéronautique Civile), der Forschungsfördereinrichtung für die Luftfahrt, bis 2030 mit insgesamt 2,1 Milliarden zu unterstützen.
Branche plädiert für Technologieoffenheit
Wie langfristig Klimaneutralität erreicht werden soll, ist noch offen. Zunächst ist zwar ist die Absenkung des Treibstoffverbrauchs und die Verwendung nachhaltiger Treibstoffe (SAF, Sustainable Aviation Fuel) wesentliches Einfallstor für CO₂-Einsparungen. So plant die Branche laut ihrer Feuille de Route bis spätestens 2030 die Entwicklung einer neuen Generation von ultraeffizienten und spritsparenden Flugzeugen, die zu 100 Prozent mit nachhaltigen Treibstoffen betrieben werden können. Bereits im März 2023 hatte Airbus erste Probeflüge mit einem zu 100-Prozent mit nachhaltigen Kraftstoffen betanktem A321Neo durchgeführt.
Parallel arbeiten Branchenunternehmen an emissionsfreien Antrieben. Allerdings ist noch offen, welche Technologien sich in Zukunft am Markt etablieren werden. Frankreichs Regierung sieht in der Entwicklung von Wasserstoffantrieben die beste Lösung für einen dekarbonisierten Flugverkehr. Auch für Airbus ist Wasserstoff der Antriebsstoff der Zukunft. Im September 2022 hatte Airbus angekündigt, bis 2035 einen wasserstoffbetriebenen Flieger mit einer Transportkapazität von 100 bis 200 Personen auf den Markt zu bringen. Aber auch die Entwicklung von durch Wasserstoffbatterien gespeiste Elektroflieger steht auf dem ZEROe-Programm von Airbus.
Andere Branchenvertreter aber stehen reinen Wasserstoffantrieben kritischer gegenüber und plädieren für Technologieoffenheit. Grund für diese Skepsis ist vor allem die technische Komplexität der Wasserstoffhandhabung an Bord sowie die Notwendigkeit, für den Wasserstoffbetrieb die vorhandene Tank- und Flughafeninfrastruktur anpassen zu müssen. Dassault, führender Anbieter von Geschäfts- und Kampffliegern, und der Antriebsbauer Safran sehen zumindest mittelfristig ein größeres Potenzial bei nachhaltigen Treibstoffen und Elektrofliegern.
Start-ups drängen in eine international aufgestellte Branche
Frankreichs Luftfahrtbranche zählt zu den führenden Industriezweigen Frankreichs. Starke, international aufgestellte Unternehmen wie das deutsch-französische Kooperationsprojekt Airbus, Safran, Dassault Aviation, Daher, der Systemausstatter Thales oder der Regionalflugzeugbauer ATR Aircraft stehen in weltweiter Konkurrenz zu Anbietern wie Boeing, Rolls-Royce, Gulfstream und Bombardier.
Eine reiche Zulieferszene von gut 4.000 Unternehmen unterstützt die Branchengrößen. Aber auch Jungunternehmen und Start-ups fassen vermehrt Fuß und werden durch die Marktführer in Sonderprogrammen wie Airbus Ventures oder Safran Corporate Ventures gezielt gefördert.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkung |
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BioTJet Industrial Poject; SAF (Sustainable Aviation Fuel)-Produktion, Lacq (Pyrenées-Atlantiques), Kapazität: 75.000 t/Jahr E-Biokerosin | 1.000 | Projektankündigung Juni 2023, Betriebsaufnahme 2028 | Elyse Energy, Avril, Axens, IFP Investissements |
SAF-Produktion Grandpuits, Kapazität 210.000 t/Jahr ab 2025; weitere 75.000 t/Jahr ab 2027 | 500 | Im Bau, Produktionsbeginn 2025 | |
Flugzeugfertigung, Serienproduktion des hybrid-elektrischen Regionalflugzeugs ERA (Electrical Regional Aircraft) | 150 | Projektankündigung März 2023, Baubeginn 2024, Produktionsaufnahme 2025 |