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Luftfahrtindustrie überspannt ganz Nordamerika

Trotz der aktuellen Zollproblematik dürfte die Luftfahrtindustrie die grenzüberschreitende Produktion im USMCA-Gebiet mittelfristig weiter ausbauen.

Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt

Zwar dominiert bei der überregionalen Produktion im USMCA-Handelsraum (USA, Mexiko, Kanada) weiterhin der Automobilsektor, doch auch in der Flugzeugindustrie wachsen die Liefer- und Wertschöpfungsketten immer mehr zusammen. Beispiel Diehl Aviation: Der süddeutsche Luftfahrtzulieferer baut aktuell im mexikanischen Querétaro einen Produktionsstandort für Gepäckfächer und weitere Kabinenteile auf. Schon 2025 will das Unternehmen von dort aus die Endmontagelinien von Airbus in Alabama (USA) und Québec (Kanada) beliefern. Auch die Luftfahrzeughersteller Boeing, Bombardier und Embraer gehören in Nordamerika zum Kundenkreis von Diehl.

Grenzüberschreitende Lieferketten

Die enge Verzahnung der Lieferketten zwischen den drei Ländern Nordamerikas wird auch an Bombardier deutlich: Der kanadische Hersteller von Geschäftsflugzeugen investierte zuletzt 465 Millionen US-Dollar (US$) in den Standort Toronto, wo noch 2025 die Produktion des neuen Modells Global 8000 anlaufen soll. Dabei werden die Tragflächen im texanischen Red Oak gefertigt, der hintere Flugzeugrumpf stammt aus der Bombardier-Niederlassung in Querétaro. Der Businessjet wird als das schnellste zivile Flugzeug seit der Concorde angepriesen.

Auch Mitbewerber Airbus ist in Querétaro präsent. Der europäische Luftfahrtkonzern fertigt dort Türen für Notausgänge sowie Frachttüren für kleinere Verkehrsflugzeuge mit nur einem Kabinengang ("single aisle"). Laut Unternehmensangaben hat Airbus 700 Beschäftigte in Mexiko.

Größter Arbeitgeber in Mexikos Luftfahrtbranche ist der französische Zulieferer Safran mit 18.000 Mitarbeitern in insgesamt 18 Werken. In den Bundesstaaten Chihuahua, Baja California und Querétaro stellt der Konzern unter anderem Flugzeugtriebwerke, Verkabelungen und Kabinenausstattungen her. Aktuell investiert die Sparte Safran Aircraft Engines 80 Millionen US$ in den Ausbau des Werks in Querétaro. Ab 2026 sollen dort LEAP-1A-Triebwerke für Airbus in Alabama und Québec gefertigt werden, wo die Modelle A220 und A320 entstehen. Bislang stellt Safran diese Triebwerke nur in Frankreich her.

US-Zollpolitik sorgt für Ungewissheit

Im Jahr 2024 wurden zwischen den USA, Kanada und Mexiko Luftfahrzeuge, Raumfahrzeuge und Teile davon (HS-Code 88) im Wert von 25,9 Milliarden US$ gehandelt, ein Anstieg von 9,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das entspricht etwa einem Zehntel des Handelsvolumens der Automobilindustrie im USMCA-Gebiet. Wie die oben aufgeführten Beispiele belegen, dürfte die grenzüberschreitende Produktion in der Luftfahrtindustrie mittelfristig weiter zunehmen. So liegen Germany Trade & Invest weitere Pläne deutscher Luftfahrtzulieferer zur Produktion in Mexiko für den nordamerikanischen Markt vor.

Allerdings wirken sich die von US-Präsident Donald Trump am 4. März 2025 in Kraft gesetzten Zölle auf Waren aus den beiden USMCA-Partnerländern Kanada und Mexiko wohl negativ auf den Sektor aus. Airbus-Geschäftsführer Guillaume Faury sagte im Februar 2025 auf einer Pressekonferenz, dass sein Unternehmen im Fall von Zöllen Kunden außerhalb der USA den Vorzug geben könne. So habe der Konzern etwa in Indien oder im Nahen Osten volle Auftragsbücher. Da Airbus zuletzt den Standort Alabama ausgebaut habe und 5.000 Mitarbeiter in den USA beschäftige, könne man aber flexibel reagieren, so Faury.

Sektor beschäftigt rund 700.000 Personen in Nordamerika

Unter den drei Nationen haben die USA die mit Abstand größte Luftfahrtindustrie: Laut Zahlen der Federal Reserve Bank lag das Produktionsvolumen 2023 bei 177,4 Milliarden US$, und der Sektor beschäftigte 535.000 Personen. Ein wichtiges Cluster ist der nordwestliche Bundesstaat Washington, wo Boeing verschiedene Passagierflugzeuge (unter anderem 737, 767, 777) herstellt. Die östlichen Bundesstaaten Connecticut, South Carolina, Ohio und Alabama sind ebenfalls stark aufgestellt (unter anderem mit Airbus, Boeing, Pratt & Whitney, GE Aviation). In Texas und Kalifornien sind Hersteller von Militärflugzeugen und Raumfahrtunternehmen wie Lockheed Martin und SpaceX angesiedelt.

In Kanada konzentriert sich die Luftfahrtindustrie vor allem auf die französischsprachige Provinz Québec, den Hauptsitz von Bombardier. Montreal gilt nach Seattle (USA) und Toulouse (Frankreich) als drittwichtigster Luftfahrtcluster der Welt. Daneben sind Westkanada und die Provinz Ontario bedeutend für die Wartung, Reparatur und den Betrieb (MRO) von Flugzeugen. Der Produktionswert der kanadischen Luftfahrtindustrie lag 2023 bei 10,1 Milliarden US$, so der Branchenverband AIAC (Aerospace Industries Association of Canada). Inklusive der MRO-Aktivitäten arbeiteten rund 88.000 Kanadier in dem Sektor.

Mexiko weist ein deutlich niedrigeres Lohnniveau auf als die USA und Kanada, und dient bislang vor allem als Produktionsstandort für Flugzeugteile, die an die Endmontagelinien der großen Hersteller im Norden geliefert werden. Komplette Flieger fertigt Mexiko bislang nicht. Der Produktionswert der Branche lag 2023 bei 6,3 Milliarden US$. Die rund 370 Branchenunternehmen stellen 65.000 direkte Arbeitsplätze, so der Luftfahrtverband FEMIA (Federación Mexicana de la Industria Aeroespacial). Viele dieser Unternehmen sind Niederlassungen von Firmen aus den USA, Kanada und Europa, die Mexiko für arbeitsintensive Produktionsschritte nutzen.

Deutscher Leichtbauspezialist expandiert

Der nordamerikanische Markt verspricht interessante Absatzchancen für deutsche Hersteller, unter anderem im Bereich von Hochleistungsverbundwerkstoffen und fortschrittlichen Leichtmetalllegierungen. In diesem Zusammenhang übernahm die deutsche Firma Muhr und Bender (Mubea) Ende 2023 den bei Toronto ansässigen Luftfahrtzulieferer Cyclone, der die großen Flugzeughersteller der Region beliefert. Mubea, bislang vor allem auf Leichtbauteile für den Automobilsektor spezialisiert, weitete dadurch sein Luftfahrtgeschäft in Nordamerika aus. Die knapp 600 Mitarbeiter des kanadischen Werks fertigen komplexe Flugzeugteile aus Stahl, Aluminium und Titan.

Lufthansa Technik wächst in Nordamerika

Die Tochterfirma der Lufthansa-Gruppe bietet weltweit MRO-Dienstleistungen (Wartung, Reparatur und Überholung) von Flugzeugen an, so auch in Nordamerika. An den Standorten Montreal (Kanada), Tulsa (USA) sowie auf Puerto Rico beschäftigt das Unternehmen rund 1.400 Personen.

Im Februar 2025 gab Lufthansa Technik den Abschluss eines milliardenschweren Vertrages mit Kanadas zweitgrößter Airline WestJet bekannt: Ab 2027 wird der Dienstleister die Triebwerke der Boeing-Flotte von WestJet warten. Dazu eröffnet Lufthansa Technik ein neues Wartungszentrum in Calgary (Kanada). Laut Sören Stark, CEO von Lufthansa Technik, handelt es sich um "einen der größten Aufträge, der jemals an einen MRO-Anbieter für CFM LEAP-Triebwerke vergeben wurde".

Georgios Ouzounidis, Vizepräsident Corporate Sales Americas bei Lufthansa Technik, sagte im Gespräch mit Germany Trade & Invest (GTAI), dass das Unternehmen entschlossen sei, "weiter in der Region zu wachsen und den Marktanteil zu erhöhen". Dazu baue man derzeit den Standort in Tulsa im US-Bundesstaat Oklahoma für rund 30 Millionen US$ aus. Neben der Erweiterung der Kapazität vergrößert Lufthansa Technik damit auch sein Dienstleistungsportfolio.

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