Branchen | Frankreich | Nahrungsmittel, Getränke
Verbraucher halten französischen Nahrungsmitteln die Treue
Frankreichs Nahrungsmittelindustrie ist eine der wichtigsten Wirtschaftsstützen und der Stolz des Landes. Der Sektor aber kämpft mit Inflation und dem Zwang zur Umstrukturierung.
12.05.2023
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
Frankreich verfügt nach Deutschland über die zweitstärkste Lebensmittelindustrie in der EU. Die rund 17.000 Branchenunternehmen erzielten 2021 eine Wertschöpfung von rund 46 Milliarden Euro und erbrachten damit einen Anteil von knapp 15 Prozent an der Gesamtleistung der französischen Industrie. Die Getränkeherstellung, hier insbesondere die Weinproduktion, sowie die Milch- und Fleischindustrie sind die umsatzstärksten Untersektoren.
Sparte | 2021 (in Mrd. Euro) | Veränderung in Prozent |
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Fleisch und Fleischprodukte | 27,1 | 7,2 |
Milch und Milchprodukte | 21,9 | 3,3 |
Wein | 11,9 | 21,4 |
Back- und Teigwaren | 9,4 | 4,4 |
Obst- und Gemüse (verarbeitet) | 6,1 | 5,1 |
Fertiggerichte | 5,8 | 7,4 |
Wein | 11,9 | 21,4 |
Wein, Käse und Backwaren aus französischer Hand sind international berühmt und weltweit begehrt. Der Nahrungsmittelsektor steigerte 2022 seine Exporte um gut 14 Prozent und war mit Ausfuhren im Wert von 61 Milliarden Euro der exportstärkste Industriezweig des Landes.
In Frankreich selbst können sich die Branchenunternehmen auf eine qualitätsbewusste Käuferschaft verlassen, die, soweit möglich, französischen Nahrungsmitteln den Vorzug gibt. "Produziert in Frankreich" ist gerade in diesem Sektor eine Auszeichnung und wichtiges Verkaufsargument.
Steigende Preise bremsen die Kauflaune
Dennoch kämpft die traditionell erfolgsverwöhnte Branche mit Problemen. Insbesondere steigende Energiepreise haben die Produktionskosten nach oben getrieben. Im März 2023 lagen diese nach Angaben des staatlichen Statistikamtes INSEE um 19 Prozent über denen des gleichen Vorjahresmonats. Weitergereichte Kosten führen zu massiven Preissteigerungen bei Lebensmitteln. Die Inflation im Lebensmittelsektor erreichte im Dezember 2022 produktübergreifend 12,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Bei einzelnen Produktgruppen wie Butter, Milch und Käse stiegen die Preise um knapp 17 Prozent, Fleisch verteuerte sich um 14 Prozent.
Verbraucher ändern ihr Einkaufsverhalten und schränken sich ein oder schwenken von Markenprodukten auf No-Name-Waren oder Handelsmarken um. Im Jahr 2022 sanken die Verbraucherausgaben für Lebensmittel um 4,7 Prozent. Auch im 1. Quartal 2023 setzte sich angesichts anhaltend steigender Preise die Kaufzurückhaltung fort. Die Lebensmittelumsätze sanken laut Statistikamt INSEE gegenüber dem Vorquartal um 2,8 Prozent.
Bio und vegetarische Ernährung sind noch Randerscheinungen
Besonders das Biosegment kämpft mit einer rückläufigen Nachfrage. Seit 2021 gingen die Umsätze laut dem Marktforschungsinstitut Xerfi um mehr als 4 Prozent zurück. Die tendenziell höheren Preise sowie weitverbreitete Zweifel am Label "Bio" führen dazu, dass Kunden regionalen und preisgünstigeren Lebensmitteln den Vorzug geben. Allerdings erwartet Xerfi nach einer Stagnation 2023 ein Wiederanziehen der Biobranche ab 2024.
Ein sich verändernder Lebensstil bietet jedoch auch Chancen für den Nahrungsmittelsektor. Eine zunehmende Zahl von Einpersonenhaushalten und weniger freie Zeit führen dazu, dass immer mehr Verbraucher weniger kochen, dafür aber auf Fertiggerichte und Snacks zurückgreifen. Dabei sollen weder der Geschmack noch eine gesunde Ernährung zu kurz kommen. Der EU-weit gebräuchliche Nutriscore gewinnt für die Kaufentscheidung zunehmend an Bedeutung.
Dabei ist die französische Ernährung nach wie vor weitestgehend fleischbasiert. Laut Agrarministerium lag der Fleischverbrauch zwischen 2010 und 2021 konstant bei knapp 90 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Ernährungstrends wie fleischarme oder fleischlose Ernährung treffen beim Verbraucher bislang noch auf wenig Gegenliebe. Selbst im städtischen großen Einzelhandel sind vegetarische Produkte oder Fleischersatzprodukte auf Sojabasis kaum verbreitet. Auch beim Verzehr von Milch und Milchprodukten, vor allem Käse sowie bei Wein liegt Frankreich beim Verbrauch vor den deutschen Konsumenten.
Große Branchenunternehmen dominieren den Markt
Frankreichs Nahrungsmittelindustrie umfasst laut dem Verband der Lebensmittelindustrie ANIA gut 17.000 Industrieunternehmen, davon 98 Prozent kleine und mittlere Betriebe. Umsatzträger der Branche aber sind die restlichen 2 Prozent der Unternehmen. Die gut 330 teils international aufgestellten Großbetriebe erzielten im Jahr 2020 annähernd 85 Prozent der Umsätze und 92 Prozent der Exporte.
Führende Branchenunternehmen sind die Lebensmittelkonzerne Danone und Lactalis. Der Milchproduktekonzern Lactalis erreichte 2022 einen Rekordumsatz von 28,3 Milliarden Euro. Mit diesem Geschäftsergebnis hat sich Lactalis erstmals vor Danone als stärkster Lebensmittelkonzern Frankreichs etabliert und sich unter die zehn umsatzstärksten Lebensmittelkonzerne der Welt eingereiht. Danone hingegen musste 2022 trotz eines Umsatzes von 27,6 Milliarden Euro einen Gewinnrückgang von knapp 1 Milliarde Euro hinnehmen, was auch dem Rückzug aus dem Russlandgeschäft geschuldet ist. Den dritten Rang nach Umsatz hält Ricard Pernod. Der Spirituosenkonzern erzielte 2022 Umsätze von 10,7 Milliarden Euro, davon knapp 70 Prozent im außereuropäischen Ausland.
Umwelt, Energie und Dekarbonisierung erfordern Investitionen
Die traditionell wasser- und energieintensive Branche steht vor der Herausforderung, ihre Produktion umwelt- und klimafreundlicher aufzustellen. Insbesondere in den Bereichen Produktion und Kühlung, Wasserverbrauch, Verpackung sowie Transport und Logistik besteht Optimierungsbedarf. Die großen Unternehmen der Branche investieren angesichts steigender Energiepreise und zunehmender Wasserknappheit in effizientere und energiesparendere Technologien für Betrieb und Reinigung der Produktion. In der fleischverarbeitenden Industrie gewinnen Investitionen in den Tierschutz, aber auch ein verbesserter Umgang mit Tierseuchen wie der Vogelgrippe an Bedeutung. Das auf Geflügel spezialisierte Unternehmen Galliance hat im laufenden Jahr 43 Millionen Euro in den Bau eines neuen Industrieschlachthofs investiert.
Bezeichnung | Anmerkung |
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Association Nationales des Industries Alimentaires (Ania) | Verband der Lebensmittelindustrie |
Ministeriums für Landwirtschaft und Nahrungsmittelsouveränität | |
Statistikdienst des Ministeriums für Landwirtschaft und Nahrungsmittelsouveränität |