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Rechtsbericht | Frankreich | Arbeitsrecht

Arbeitsrecht

Frankreichs Arbeitsrecht ist stark auf den Schutz von Arbeitnehmenden ausgerichtet. 

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

Gesetzliche Regelungen auf einen Blick
Vergütung: Durch die Parteien frei verhandelbar (vorbehaltlich abweichender Betriebs-/Kollektiv- und Branchenvereinbarungen); Mindestmonatsgehalt Vollzeitstelle: 1.766,92 Euro (Salaire minimum de croissance; SMIC)
Mindestlohn: 11,65 pro Stunde (brutto, Salaire minimum de croissance; SMIC), Anpassung erwartet zum 1.1.2025
Arbeitsstunden pro Woche: 35
Regelarbeitstage pro Woche: 5
Zulässige Überstunden: 220 pro Jahr (vorbehaltlich nach unten abweichender Betriebs-/Kollektiv- und Branchenvereinbarungen)
Bezahlte Feiertage: 11; in Moselle, Bas-Rhin und Haut-Rhin 13
Bezahlte Urlaubstage: 30 Arbeitstage / 2,5 Arbeitstage pro Monat, zuzüglich 2 Tage pro Jahr pro Kind unter 15 Jahren
Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen (13. und/oder 14. Gehalt): 13. Monatsgehalt üblich, verpflichtend im Fall betrieblicher Übung oder wenn vertraglich oder durch Betriebs-, Kollektiv- oder Branchenvereinbarung vorgesehen
Tage mit bezahltem Arbeitsausfall: Urlaub aus familiären Gründen (u.a. Hochzeit, Geburt, Adoption) und Trauerurlaub; Dauer: 1 bis 14 Tage in Abhängigkeit vom Ereignis
Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: Abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, zwischen 60 und 180 Tage innerhalb eines 12-Monats-Zeitraums
Probezeit: Arbeitnehmer: 2 Monate mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit um weitere zwei Monate; Führungskraft (Cadre): 4 Monate mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit (8 Monate); Sonderregelungen bei befristeten Arbeitsverhältnissen
Quelle: Code de Travail, Ministère du travail, du plein emploi et de l'insertion

 

Eine Vielzahl an verpflichtenden Schutzbestimmungen soll Arbeitnehmerrechte bewahren und ein Gleichgewicht im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber herstellen. Arbeitsmarktreformen unter der Regierung Macron aus dem Jahr 2019 haben das Arbeitsrecht sowie traditionell hochkomplexe arbeitsrechtliche Verfahren, insbesondere den Bereich der Kollektivvereinbarungen, vereinfacht. Dennoch halten Unternehmen das französische Arbeitsrecht noch für zu unflexibel und fordern weitere Reformen ein. 

Rechtsgrundlagen

Rechtsgrundlage des französischen Arbeitsrechts ist das französische Arbeitsgesetzbuch (Code de Travail). Der Code de Travail regelt die wesentlichen Fragen im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, insbesondere die Begründung, die Durchführung und die Auflösung von Arbeitsverhältnissen. 

Daneben regeln mehr als 680 Tarifverträge branchenspezifische Fragen. Die Tarifverträge und -abkommen werden auf verschiedenen Ebenen geschlossen, das heißt regional oder überregional oder auf Betriebs-, Unternehmens-, Branchen-, Berufsgruppen- oder berufsübergreifender Ebene. Ziel dieser Vereinbarungen ist es, allgemeingültige Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer zu definieren. Sie werden traditionell zwischen den Arbeitgebervertretungen und den Arbeitnehmervertretungen (Gewerkschaften) abgeschlossen. Die Datenbank Legifrance listet die nationalen Branchen- und Tarifverträge (Accords de branche et conventions collectives) auf. 

Tarifabkommen können Bestimmungen umfassen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind als die geltenden Gesetze und Regelungen. Gesetzlich zwingende Vorschriften können jedoch auch tarifvertraglich nicht abgeändert werden. Kollektivvereinbarungen auf untergeordneter Ebene sind den auf einer höheren Ebene geschlossenen Tarifverträgen untergeordnet.

Auf Unternehmensebene sind zudem die Betriebsvereinbarungen der einzelnen Unternehmen verpflichtend. Die Betriebsvereinbarung ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die sich unmittelbar auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse auswirken. Auch Betriebsvereinbarungen dürfen für den Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen enthalten, als durch Gesetz oder Tarifverträge vorgesehen. 

Vertragsabschluss 

Arbeitsverträge können grundsätzlich formfrei geschlossen werden. Allerdings ist die Einhaltung der Schriftform üblich und für befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeitbeschäftigung und ausländische Beschäftigte, die eine Arbeitserlaubnis benötigen, zwingend.

Der Arbeitsvertrag muss folgende wesentliche Elemente enthalten:

  • Identität der Vertragsparteien;
  • Stellenbezeichnung und -beschreibung;
  • Entlohnung; 
  • Laufzeit des Vertrages; 
  • Kündigungsfrist; 
  • den geltenden Tarifvertrag; 
  • die Anzahl der bezahlten Urlaubstage;
  • Arbeitsort 
  • Anzahl der zu leistenden Arbeitsstunden. 

Verträge können unbefristet (Contrat à durée indéterminée (CDI)) oder befristet (Contrat à durée déterminée (CDD)) geschlossen werden. Im Falle eines befristeten Vertrages beträgt die Höchstdauer insgesamt 18 Monate, in festgelegten Sonderfällen kann die Dauer bis zu 24 Monate betragen. Die Befristung muss einen sachlichen Grund haben (Projektarbeit, Vertretung, Saisonarbeit). Ein befristeter Vertrag mit einer Laufzeit von unter 18 Monaten kann bis zu zweimal verlängert werden, allerdings nur bis zur Höchstdauer von 18 Monaten. Wird der Arbeitnehmer mit Ablauf der Befristung weiterbeschäftigt, wandelt sich das Vertragsverhältnis automatisch in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis um.

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Grundsätzlich unterscheiden sich die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien in Frankreich nicht von denen in Deutschland. Wie in Deutschland stehen sich die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung und die Pflicht zur monatlichen Lohnzahlung gegenüber. Außerdem steht dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht zu.

Arbeitszeiten

Die gesetzliche Regelarbeitszeit in Frankreich beträgt 35 Stunden pro Woche (Art. L 3121-27 Code du Travail). Darüber hinaus können Überstunden geleistet werden (Art. L 3121-28 ff. Code du Travail). 

Geleistete Überstunden werden mit einem erhöhten Stundenlohn vergütet. Unternehmens- oder Branchentarifverträge oder Betriebsvereinbarungen können den teilweisen oder vollständigen Ersatz der Bezahlung der Überstunden durch entsprechenden Ausgleichsurlaub vorsehen, sogenannte RTT-Tage (Réduction du temps de travail). Übersteigt die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit 39 Stunden, gelten alle darüber hinaus geleisteten Arbeitszeiten als separat zu vergütende Überstunden. 

Auf Unternehmensseite, teils aber auch in der Politik, werden Stimmen laut, die eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit fordern. Allerdings kommen diese Vorschläge in der Bevölkerung nicht gut an. 

Krankheitsfall

Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wird durch die Zahlung von Tagegeld durch die Sozialversicherung abgedeckt, regelmäßig ergänzt durch Zuschlagszahlungen seitens des Arbeitgebers. Die Gesamtzahlungen belaufen sich zunächst auf 90 Prozent, nach Ablauf einer nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit variierenden Frist 66 Prozent des Brutto-Arbeitseinkommens.

Vertragsbeendigung 

Ein unbefristeter Arbeitsvertrag kann 

  • in beiderseitigem Einvernehmen oder
  • durch Kündigung des Arbeitnehmers oder 
  • auf Initiative des Arbeitgebers aus personenbezogenen oder betriebsbedingten Gründen

beendet werden (Art. L 1231-1 Code du Travail). 

Die Kündigung aus personenbezogenen Gründen seitens des Arbeitgebers ist nur möglich bei Vorliegen eines ernsten und tatsächlich bestehenden Grundes (cause sérieuse et réelle). Um diese Kriterien zu erfüllen, muss die Kündigung auf präzisen, konkreten und nachprüfbaren Tatsachen beruhen, die wichtig genug sind, die Kündigung des Arbeitsvertrags zu rechtfertigen (z. B. Störung des Betriebsablaufs). Bei Kündigung ohne hinreichenden Kündigungsgrund (sans cause réelle et sérieuse), stehen der gekündigten Person je nach Dauer der Betriebsangehörigkeit hohe Entschädigungen zu.

Vertiefte Informationen zum französischen Arbeitsrecht finden Sie in der Publikation Recht kompakt - Frankreich.

Rechtspraxis

Frankreichs Gewerkschaften können auf die Bevölkerung bauen

Der arbeitsrechtliche Alltag ist stark von Tarif- und Branchenverträgen geprägt, die gesetzliche Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers abändern können und dies in der Regel auch tun. Gut 680 Branchenverträge fanden im Jahr 2024 Anwendung. Sie regulieren über den gesetzlichen Rahmen des Arbeitsrechtes hinaus Gehalt und Arbeitsalltag von mehr als 19 Millionen Beschäftigten. Dies ist auch Folge des traditionell starken Einflusses von Gewerkschaften im Land. 

Zwar leiden diese klassische Arbeitnehmerbewegungen unter einem kontinuierlichen Mitgliederschwund. Sie haben aber dennoch einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Dies zeigt sich bei den regelmäßigen Streikwellen, zuletzt zu Beginn des Jahres 2023 gegen eine umstrittene Rentenreform. Die Anzahl der aufgrund von Streiks verlorenen Arbeitstage schwankt von Jahr zu Jahr, lag aber in Frankreich im Jahr 2022 bei 99 Tagen je 1.000 Beschäftigte, gegenüber etwa 7 Tagen in Deutschland. Streiks betreffen zumeist öffentliche Einrichtungen, wie den Transport oder die Müllabfuhr, aber auch Schulen und Kindergärten. Im Privatsektor spielen Arbeitsniederlegungen außer bei Großunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten keine bedeutende Rolle.

Teilzeitarbeit weniger verbreitet als in Deutschland

Der Anteil an befristeten Arbeitsverträgen liegt in Frankreich im Jahr 2023 bei 9,8 Prozent und damit über der Befristungsquote in Deutschland von 7,5 Prozent. Der Anteil befristeter Tätigkeit ist in Frankreich in den vergangenen Jahren leicht zurückgegangen. 

Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten ist mit 17,4 Prozent (Frauen: 27 Prozent; Männer: 9 Prozent) im Jahr 2023 hingegen stabil geblieben. Die Teilzeitquote in Frankreich liegt weit unter dem Teilzeitanteil in Deutschland mit gut 30 Prozent. Gerade junge Familien in den städtischen Regionen können auf eine Vielzahl an Kinderbetreuungsangeboten zurückgreifen. Die durchschnittliche tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit liegt laut INSEE im Jahr 2023 branchenübergreifend bei knapp 39 Wochenstunden.

Kündigungen bleiben komplex

Auch wenn arbeitsrechtliche Reformen aus dem Jahr 2019 Kündigungen vereinfacht haben, versuchen Unternehmen Kündigungen nach wie vor zu vermeiden. Denn das Kündigungsverfahren gerade bei Vertragsbeendigungen aus personenbedingten Gründen ist aufwändig und hochformalisiert und Fehler beim Kündigungsprozess werden streng sanktioniert. Je nach Position des zu entlassenden Mitarbeitenden stellen damit einvernehmliche Vertragsaufhebungen das Mittel der Wahl dar, um das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Gerade bei einfachen Tätigkeiten heuern Unternehmen Beschäftigte zunächst über Zeitarbeitsfirmen an. So besteht die Möglichkeit, neue Beschäftigte zu erproben, ohne an die strikten Probezeitvorgaben von befristeten Verträgen gebunden zu sein.  

 

 

 

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