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Georgiens Bausektor wächst wieder zweistellig
Die Bauwirtschaft ist erneut ein wichtiger Konjunkturtreiber Georgiens. Öffentliche und private Projekte sorgen 2023 für ein zweistelliges reales Wachstum.
15.06.2023
Von Uwe Strohbach | Tiflis
In Georgiens Baubranche geht es seit 2022 wieder aufwärts. Marktkenner erwarten für 2023 ein reales Wachstum von 10 Prozent und mehr. Im Vorjahr konnte das Baugewerbe sogar um 14,8 Prozent zulegen. Damit kann der Sektor wieder an sein früheres Niveau anknüpfen. In den Corona-Krisenjahren 2020 und 2021 war er im Schnitt um jeweils 16 Prozent real geschrumpft.
2020 | 2021 | 2022 | 2023*) | |
Anzahl | 9.564 | 10.095 | 10.822 | 2.200 |
darunter Hauptstadt Tiflis (Anteil in %) | 53,5 | 48,4 | 51,9 | 53,3 |
Gesamtfläche (Nutzfläche, in Mio. qm) | 5,2 | 7,4 | 7,4 | 1,7 |
Viel öffentliches Geld für Infrastrukturprojekte
Ein reger öffentlicher Schub für neue und modernisierte Infrastruktur sowie belebte Projektentwicklungen und Bauplanungen im privaten Sektor versprechen gute kurz- und mittelfristige Geschäfte. Die Investitionen der öffentlichen Hand dürften sich nach vorläufigen Planungen im Zeitraum 2023 bis 2026 auf solide 7 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts belaufen. Im Etat des Ministeriums für Regionalentwicklung und Infrastruktur (MRDI) sind für 2023 Rekordausgaben für Infrastrukturprojekte von insgesamt circa 1,4 Milliarden US$-Dollar (US$) eingestellt.
Die Mittel im Umfang von jeweils circa 350 Millionen US$ und 180 Millionen US$ fließen wie schon in den Vorjahren vorrangig in den Straßenbau sowie in die Wasser- und Abwasserwirtschaft. Durch die Übernahme von Bankbürgschaften unterstützt der georgische Staat private Bau- und Handwerksbetriebe bei der Modernisierung und dem Bau öffentlicher Infrastruktur, so zum Beispiel bei Sport-, Kultur- und Bildungseinrichtungen. Die Autonome Republik Adscharien plant beispielsweise, ihre zentrale Poliklinik und ihr regionales Notfallmedizinzentrum in Batumi zu modernisieren.
Großprojekte im Energie- und Transportsektor geplant
Auch die nun forcierte, schon länger geplante Errichtung großer Wasserkraftwerke sowie der angekündigte Ausbau der maritimen Transportinfrastruktur und der zivilen Luftfahrt dürften dem georgischen Baugeschäft frischen Schwung verleihen. Eng möchte man hierbei mit ausländischen Partnern zusammenarbeiten.
Nach Regierungsangaben sollen in den Jahren 2023 bis 2025/2026 etwa 3 Milliarden US$ in die Stromwirtschaft, vor allem in die Wasserkraft, fließen. Ein 2022 verabschiedeter Zehnjahresplan umreißt die langfristigen Branchenziele. Demnach sollen die Kapazitäten zur Stromerzeugung von heute 4.564 Megawatt auf 10.086 Megawatt im Jahr 2032 ausgebaut werden.
Hohe Priorität genießen auch die Wiederbelebung des Megaprojekts Tiefseehafen Anaklia und das im Frühsommer bekanntgegebene Vorhaben eines neuen Hauptstadtflughafens. Ob grünes Licht für das geplante georgische Flughafendrehkreuz gegeben wird, hängt von einer detaillierten Projektstudie ab. Favorisierter Standort für das Großprojekt ist das Gelände nahe eines Militärflugplatzes in Vaziani, etwa 20 Kilometer außerhalb von Tiflis.
Partner für Tiefseehafenprojekt Anaklia gesucht
Für den geplanten Tiefseehafen in Anaklia verabschiedete die Regierung im Herbst 2022 einen Stufenplan und machte 2023 Mittel für die weitere Projektentwicklung frei. Georgien sucht dabei Investoren für eine öffentlich-private Partnerschaft. Gewünscht ist deren Beteiligung bis zu 49 Prozent. Zurzeit läuft die erste Phase einer unverbindlichen Interessenbekundung. Das Mehrheitspaket von 51 Prozent der Anteile soll beim Staat verbleiben.
Von dem künftigen Hafen verspricht sich die Regierung Synergieeffekte für die Entwicklung Westgeorgiens. Zudem soll das Logistikdrehkreuz ausländische Investoren verschiedener Branchen anlocken. Ansprechpartner für das Großprojekt ist die beim Ministerium für Wirtschaft und Nachhaltige Entwicklung Georgiens angesiedelte Anaklia Deep Sea Port Development Agency.
Ausbau des Tourismussektors kommt wieder in Fahrt
Im gewerblichen Hochbau winken vor allem touristische Objekte. Der erneut aufstrebende Fremdenverkehr belebt Projekte wieder, die durch die Coronakrise zeitweilig auf Eis gelegt wurden. Aber auch neue Vorhaben für den Ausbau der touristischen Infrastruktur werden vorbereitet und umgesetzt. Die Gelder fließen vorrangig in Unterkünfte aller Preisklassen, Freizeit- und Sportanlagen sowie in Restaurants.
Im Zeitraum 2023 bis 2025 sollen in dem Kaukasusland voraussichtlich 292 neue Hotels und Herbergen entstehen, so die Nationale Tourismusverwaltung (GNTA) im Frühjahr 2023. Dabei engagieren sich bei 22 Objekten internationale Hotelmarken. Entstehen sollen insgesamt etwa 17.000 neue Zimmer und 33.700 Betten. Allein in der Hauptstadt Tiflis dürften 65 neue Hotels ihre Pforten öffnen. Auf Rang zwei und drei folgen die Provinz Samzchwe-Dschawetien und die Autonome Republik Adscharien mit 47 und 46 Gästehäusern.
Großprojekte im Bäderwesen und Medizintourismus geplant
Erhebliche Investitionen fließen in den kommenden Jahren in den Ausbau von Wintersport- und Urlaubszentren sowie in das Kurwesen. Eine große Rolle hierbei spielt der Medizintourismus. Das MRDI analysierte 2022 das Potenzial bestehender und neuer, vor allem balneologischer, Kurorte. Darunter sind 50 Ressorts, die Investoren schon in naher Zukunft angeboten werden sollen.
Unter den aktuellen Projekten in der Sparte Bäderwesen (Balneologie) und Medizintourismus ragen zwei mit einem potenziellen Investitionsvolumen von bis zu 1 Milliarde US$ hervor:
Der Kurort Tskaltubo soll zu einem attraktiven Spa- und Wellnessressort ausgebaut werden. Tskaltubo mit seinen radonhaltigen Quellen liegt nahe der zweitgrößten georgischen Stadt Kutaissi.
Pläne gibt es auch für die Wiederbelebung des südgeorgischen Hochgebirgskurorts Abastumani. Er gründet sich auf reiche natron- und schwefelhaltige Thermalquellen. Vorgesehen sind mehrere neue Hotels der Oberklasse.