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Wettbewerbssituation und Geschäftspraxis
Tiefbauunternehmen profitierten zuletzt stark von den Infrastrukturprojekten der Regierung, die vor den Wahlen 2024 möglichst weit vorangetrieben werden sollten.
27.11.2024
Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt
Wettbewerbssituation
Da die Regierung im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Juni 2024 bei größeren Infrastrukturprojekten einen Gang zulegte, stiegen auch die Umsätze der beteiligten Tiefbauunternehmen überdurchschnittlich. Davon profitierten Unternehmen wie CICSA, Grupo Indi oder Mota-Engil, die am Bau des Zugprojekts Tren Maya involviert sind. Da sich die Bauaktivität nach den Wahlen verlangsamte, normalisiert sich auch die Umsatzsteigerung der Tiefbauunternehmen wieder.
Immobilienentwickler wie Fibra Uno oder Ruba verzeichnen aufgrund der hohen Zinsen eine schwächere Nachfrage nach Wohnimmobilien, können dies aber zum Teil durch einen höheren Bedarf an Industrieimmobilien im Zuge des Nearshoring ausgleichen.
Die größten Baufirmen Mexikos sind weiterhin CICSA und IDEAL, die beide zur Unternehmensgruppe des Milliardärs Carlos Slim gehören. Der portugiesische Tiefbaukonzern Mota-Engil expandierte in Mexiko zuletzt jedoch stark durch Beteiligungen an den Metrolinien 4, 5 und 6 in Monterrey, der neuen Bahnlinie 4 in Guadalajara und den Abschnitten 1 und 5 des Tren Maya. Zwischen 2021 und 2023 konnte der Baukonzern seinen Umsatz in Mexiko vervierfachen.
Unternehmen | Umsatz 2023 1) | Veränderung 2023/22 2) |
---|---|---|
CICSA (Grupo Carso) | 2.534 | 16,0 |
IDEAL | 1.531 | 10,3 |
Fibra Uno | 1.467 | 9,0 |
Mota-Engil México | 1.295 | 49,6 |
Coconal | 992 | 65,9 |
Grupo Indi | 985 | 39,6 |
Grupo GP | 956 | 40,2 |
Pinfra | 875 | 8,3 |
RUBA | 817 | 10,6 |
Aleatica | 803 | 8,9 |
Militär an zahlreichen Bauprojekten beteiligt
Auffällig ist die zunehmende Einbindung des mexikanischen Militärs (Secretaría de la Defensa Nacional, Sedena) in große öffentliche Infrastrukturprojekte unter der aktuellen Morena-Regierung. Beispiele sind der Bau von landesweit 1.250 Niederlassungen des staatlichen Finanzinstituts Banco de Bienestar, der zweite Flughafen in Mexiko-Stadt (Aeropuerto Internacional Felipe Ángeles, AIFA), die Eisenbahnprojekte Tren Maya und Istmo de Tehuantepec sowie die neuen internationalen Flughäfen in Tulum und Chetumal. Zudem hat Sedena sechs größere Hotels an Haltestellen des Tren Maya errichtet. Die Projekte laufen jeweils über das 2022 gegründete Staatsunternehmen GAFSACOMM (Grupo Aeroportuario, Ferroviario y de Servicios Auxiliares Olmeca-Maya-Mexica), das im Besitz des Militärs ist.
Nach Angaben des Wirtschaftsmagazins Expansión betreiben Militär und Marine (Secretaría de Marina, Semar) inzwischen landesweit 19 Flughäfen, darunter den wichtigen Hauptstadtflughafen. Die drei großen privaten Betreiber Grupo Aeroportuario del Sureste (ASUR), Grupo Aeroportuario del Pacífico (GAP) und Grupo Aeroportuario Centro Norte (OMA) sind für 34 Flughäfen zuständig.
Laut Expansión erwirtschaften die mexikanischen Bauunternehmen rund 70 Prozent ihres Umsatzes mit privatwirtschaftlichen Projekten. Die restlichen 30 Prozent stammen aus Großprojekten der Zentralregierung, der Bundesstaaten oder aus öffentlich-privaten Partnerschaften.
Geschäftspraxis
Die Bearbeitung des mexikanischen Marktes ist aufwändig, da eine starke Präsenz und eine genaue Beobachtung des Geschehens notwendig sind, um Erfolg zu haben. Für die Geschäftsanbahnung ist ein frühzeitiger und kontinuierlicher Kontakt zu Regierungsstellen und Auftragnehmern von Bauprojekten ratsam. Nach Aussagen deutscher Unternehmensvertreter sollte bereits in der Planungsphase Kontakt zu den zuständigen Behörden - wie etwa dem Transportministerium SCT - aufgebaut werden.
Es ist ratsam, dem Ingenieurbüro, das die Ausschreibung vorbereitet, das eigene Produkt vorzustellen. Nicht zuletzt ist auch der Kontakt zu den verantwortlichen Baufirmen wichtig, die häufig direkt aus Mexiko (CICSA, IDEAL etc.) oder aus Europa (Acciona México, Techint, Mota-Engil etc.) stammen. Für den geschäftlichen Erfolg ist die Zusammenarbeit mit einem lokalen Partner sehr wichtig. Viele der im Land tätigen Bauunternehmen sind in der Baukammer CMIC organisiert, die rund 9.000 Mitgliedsunternehmen hat.
Mexiko schneidet im Korruptionsranking sehr schlecht ab
Korruption ist ein großes Problem in Mexiko, auch im Bausektor. Laut dem aktuellen Rechtsstaatlichkeitsindex des World Justice Project von 2023 steht Mexiko weltweit auf Rang 116 von 142 untersuchten Ländern. In der Unterkategorie "Abwesenheit von Korruption" belegt Mexiko sogar nur Platz 136, schlechter noch als Venezuela (132). Auf dem Kontinent schneiden nur Bolivien und Haiti noch schlechter ab. Neben der direkten Projektvergabe sind auch die Enteignung benötigter Landflächen und die Erteilung von Baugenehmigungen von Korruption betroffen. Die Politik nimmt traditionell einen starken Einfluss, was sich in sehr kurzen Ausschreibungsfristen oder der Rücknahme bereits vergebener Aufträge äußern kann (siehe Flughafen Texcoco).
Öffentliche Ausschreibungen werden im Amtsblatt Diario Oficial de la Federación (DOF) beziehungsweise auf der Beschaffungsseite des öffentlichen Sektors CompraNet veröffentlicht. Auch die Internetseiten der ausschreibenden Behörden und Ministerien (SCT, IMSS, ISSSTE, Conagua) sowie der Staatsunternehmen Pemex und CFE bieten Informationen zu Ausschreibungen. Da die aktuelle Regierung einige große Bauprojekte unter Intransparenz an das Militär übertragen hat, laufen viele Ausschreibungen für die Unterauftragnahme dieser Projekte über das Verteidigungsministerium Secretaría de la Defensa Nacional (Sedena).