Rechtsbericht Ghana Coronavirus
Ghana: Coronavirus und Verträge
Das Land in Westafrika ist ein wichtiger Markt in Subsahara-Afrika. Was passiert nun, wenn Verträge aufgrund der Coronavirus-Pandemie nicht eingehalten werden können?
16.12.2020
Von Katrin Grünewald | Bonn
Einleitung
Auch in Ghana steigen die Fallzahlen des Coronavirus kontinuierlich. Die Regierung hat, wie in anderen afrikanischen Ländern, bereits bei offiziell relativ niedrigen Fallzahlen drastische Maßnahmen ergriffen. So wurde der internationale Flughafen in Accra für mehrere Monate geschlossen und für bestimmte Gebiete eine zweiwöchige Ausgangssperre verhängt.
Trotz Lockerungen gelten bis heute Einschränkungen, die es zum Teil schwierig machen, bestehende Verträge zu erfüllen. Immer häufiger stellt sich die Frage: Welche rechtlichen Konsequenzen hat die Nichterfüllung eines Vertrages?
Höhere Gewalt-Klausel im Vertrag
Die meisten Verträge enthalten eine höhere Gewalt-Klausel, auch force majeure-Klausel genannt. Wer sich also aufgrund der Beschränkungen zur Bekämpfung des Coronavirus in einer Situation wiederfindet, in der die Erfüllung eines Vertrages unmöglich geworden ist, sollte zunächst im bestehenden Vertrag nachschauen, ob eine höhere Gewalt-Klausel vorhanden ist.
Ob die Coronakrise unter eine solche Klausel fällt, ist auch abhängig von der jeweiligen Formulierung und dem anwendbaren Recht. Ein Orientierungsbeispiel bietet die Musterklausel der Internationalen Handelskammer (ICC Force Majeure Clause 2020), deren Geltung vertraglich vereinbart werden kann.
Sofern eine Prüfung des anwendbaren Rechts ergeben hat, dass ghanaisches Recht anwendbar ist, gilt insgesamt, dass bei sehr allgemein gehaltenen Klauseln, die lediglich auf Ereignisse höherer Gewalt, im englischsprachigen Raum auch acts of God genannt, verweisen, die Coronakrise nicht unbedingt als Ereignis höherer Gewalt eingeordnet werden kann. Denn einige Gerichte verstehen unter dem Begriff acts of God lediglich Wirbelstürme, Erdbeben und ähnliche Naturkatastrophen.
Sofern die Klausel jedoch konkreter formuliert ist und beispielsweise auf Regierungsakte (acts of government) oder sogar Epidemien oder Pandemien hinweist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die durch das Coronavirus ausgelösten Beschränkungen ein Ereignis höherer Gewalt im Sinne einer vertraglichen Klausel darstellen.
Kausalität zwischen höherer Gewalt und Nichterfüllung
Eine weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit einer höhere Gewalt-Klausel ist in der Regel, dass es zwischen dem Ereignis höherer Gewalt und der Nichterfüllung des Vertrages einen kausalen Zusammenhang gibt. Die Nichterfüllung muss somit unmittelbar auf die durch die Coronakrise hervorgerufenen Beeinträchtigungen zurückzuführen sein. Nach neuerer Rechtsprechung ist es, je nach Formulierung der Klausel, außerdem erforderlich, dass die Nichterfüllung ausschließlich auf Beschränkungen zurückzuführen ist, die zur Bekämpfung des Coronavirus erlassen wurden. Es darf danach kein weiterer Grund hinzukommen, weswegen die Vertragserfüllung unmöglich ist.
Die ICC-Musterklausel sieht zudem vor, dass eine Mitteilung über die Unmöglichkeit der Leistung durch die leistungspflichtige Partei an die andere Partei erfolgt. Hierfür kann der Vertrag eine Frist vorsehen.
Liegen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit einer vertraglichen Klausel vor, so folgt daraus regelmäßig, dass die Parteien von ihren vertraglichen Pflichten befreit werden und nicht für Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder Verzug haften. Wenn die Beeinträchtigung nur vorübergehend besteht, was bei der Coronakrise häufig der Fall sein dürfte, dann gilt laut ICC-Musterklausel die Leistungsbefreiung nur für die Dauer der Beeinträchtigung. Sobald das beeinträchtigende Ereignis wegfällt, hat die sich auf die Klausel berufende Partei die andere Partei hierüber zu informieren.
In einigen Fällen macht die Erfüllung nach Wegfall der Beeinträchtigung keinen Sinn mehr. Für einen solchen Fall sieht die ICC-Klausel vor, dass beide Parteien innerhalb einer angemessenen Frist kündigen können.
Bei mangelnder Klausel gilt die Doktrin der frustration of contract
Womöglich wurde bei Vertragsschluss keine höhere Gewalt-Klausel vereinbart. In diesem Fall gilt die aus dem anglo-amerikanischen Rechtssystem bekannte richterrechtliche Rechtsdoktrin der frustration of contract.
Voraussetzung dafür ist, dass sich nach Vertragsschluss Umstände ergeben, die eine Erfüllung der vertraglichen Pflichten dauerhaft unmöglich machen oder den Charakter des Vertrages grundlegend ändern. Das heißt, der Vertrag unter den neuen Umständen unterscheidet sich radikal von dem ursprünglich vereinbarten Vertrag. Die Umstände, die zur Nichterfüllung führen, sollten außerhalb des Verantwortungsbereichs der Vertragsparteien liegen und für diese bei Vertragsschluss unbekannt und unvorhersehbar gewesen sein.
Wichtig zu wissen ist, dass Gerichte die Doktrin der frustration sehr eng auslegen. Bloße Schwierigkeiten bei der Vertragserfüllung oder finanzielle Verluste beim Leistungserbringer sind nicht ausreichend. Auch Verzögerungen bei der Erfüllung sind für eine frustration nicht ausreichend.
Rechtsfolge im Contracts Act, 1960
Im Unterschied zu anderen anglo-amerikanischen Rechtssystemen wird die Rechtsfolge der frustration im ghanaischen Recht im Contracts Act, 1960 geregelt. Danach werden die Vertragsparteien, wenn sich eine Partei erfolgreich auf die Doktrin der frustration beruft, von ihren vertraglichen Pflichten befreit. Das heißt im Einzelnen, dass bereits gezahlte Geldbeträge erstattet werden müssen und noch offene Geldbeträge nicht mehr zu zahlen sind. Außerdem können Aufwendungen, die von einer Vertragspartei vor der Leistungsbefreiung in Erwartung der Erfüllung getätigt wurden, zurückgefordert oder von zurückzuzahlenden Geldbeträgen einbehalten werden.
Die gesetzlichen Regelungen sehen darüber hinaus vor, dass Vertragsteile, die bereits vor der Befreiung von den vertraglichen Pflichten teilweise oder gänzlich erfüllt wurden, vom Gericht als unabhängige Verträge zu betrachten sind. Diese Vertragsteile bleiben somit auch nach Auflösung des Hauptvertrages weiterbestehen.
UN-Kaufrecht
Ghana hat das Übereinkommen zum UN-Kaufrecht nicht ratifiziert. Nichtsdestotrotz ist es möglich, dass auf einen Vertrag mit einem ghanaischen Geschäftspartner das UN-Kaufrecht anwendbar ist.
Mehr zu diesem und zum Thema „Coronavirus und anwendbares Recht“:
- GTAI-Artikel vom 2. November 2020: Coronavirus und die Haftungsbefreiung nach Art. 79 UN-Kaufrecht
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