Die Baubranche legt den Fokus auf Großprojekte

Markttrends

Im 1. Halbjahr 2024 betrug der Wert des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Baubranche in Hongkong 3,91 Milliarden US-Dollar (US$), ein minimaler Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, als er 3,94 Milliarden US$ erreichte. Das allgemeine Wirtschaftswachstum betrug im gleichen Zeitraum 3,5 Prozent, die Baubranche entwickelte sich also schwächer als die Gesamtwirtschaft. Branchenexperten bezeichnen Hongkong als volatilen Markt, der häufig von Sieben-Jahres-Zyklen geprägt ist, und rechnen mit einer weiteren Abschwächung der Baukonjunktur. 

Die Zulieferindustrie erwartet für 2024 das sechste gute Jahr für den Absatz von Baumaschinen, obwohl die Bauwirtschaft bereits einen leichten Rückgang verzeichnet. In der Bauwirtschaft kommt es häufig zu zeitlichen Verschiebungen.  Die Projekte, die den Bedarf an Baumaschinen auslösen, wurden meist vor dem Rückgang der Bauwirtschaft geplant und genehmigt. Daher profitiert die Zulieferindustrie zunächst noch von diesen laufenden und geplanten Bauprojekten, bevor sich die Auswirkungen der rückläufigen Baukonjunktur voll auf den Absatz von Baumaschinen auswirken. Bis etwa 2033 ist daher mit einer Abschwächung zu rechnen. 

Hongkong ist mit einer Bevölkerung von etwa 7,3 Millionen Menschen eine der am dichtesten bevölkerten Städte der Welt. Auf einer Landfläche von 1.114 Quadratkilometern sind lediglich 24 Prozent bebaut. Diese hohe Bevölkerungsdichte und der begrenzte Wohnraum, der im Durchschnitt nur 13,3 Quadratmeter pro Person beträgt, führen zu extrem hohen Immobilienpreisen. Hongkong gilt als der teuerste Wohnungsmarkt der Welt. Die Bauindustrie umfasst etwa 330.000 Beschäftigte und ist ein wesentlicher Wirtschaftssektor, der etwa 9 Prozent zum BIP beiträgt.

Um die Anbindung an das chinesische Festland und die globale Vernetzung zu verbessern, investiert Hongkong kontinuierlich in Infrastruktur und Großprojekte. Die wesentlichen Infrastrukturprojekte im Bereich Städte- und Verkehrsplanung, wie der Metroausbau der MTR und die Northern Metropolis werden umgesetzt. Dem entgegen erfolgt der Ausbau von öffentlichen Wohnungen nicht entsprechend der Zielsetzung. Die durchschnittliche Wartezeit der 253.000 Bewerber hat sich auf 5,6 Jahre erhöht, bis 2029 sollen 156.000 neue Wohnungen entstehen. Neben der Errichtung von Neubauten ist die alternde bestehende Bausubstanz eine große Herausforderung. Dies betrifft die Sanierung, die geringe Energieeffizienz sowie nicht altersgerechte Gebäude. Auch die Revitalisierung veralteter Stadtteile stellt aufgrund der komplexen Aufgabe und der hohen Kosten eine große Herausforderung dar. Bei privaten Immobilienentwicklern ist kein Anstieg von Neubauprojekten zu verzeichnen. 

Branchenstruktur und Rahmenbedingungen

Hongkongs Baubranche zeichnet sich durch eine kleine Zahl großer lokaler Auftragnehmer, eine große Anzahl ausländischer Auftragnehmer und einen hohen Anteil an Unterauftragnehmern aus. Die öffentliche Vergabe gilt als transparent und auch ausländische Firmen profitieren von Fördermaßnahmen.  

Die Regierung priorisiert Großprojekte mit internationalem Prestige

Die Regierung hat im Budget 2024/25 rund 13,6 Milliarden US$ für Infrastrukturmaßnahmen vorgesehen, eine Steigerung um 19,8 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Diese Initiativen zielen darauf ab, Wohnraum zu schaffen, die Infrastruktur zu modernisieren und die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Geplant sind 330.000 neue Sozialwohnungen in den nächsten zehn Jahren. Für den Ausbau des Hong Kong International Airport ist im November 2024 ist eine weitere Ausschreibungsrunde für das Terminal 2 geplant, auf die sich deutsche Zulieferer bei Sicherheitstechnik und Inneneinrichtung vorbereiten. Der kontinuierliche Ausbau des U-Bahn-Netzes mit zwei neuen Linien und sechs Verlängerungen erfolgt unter der Verwendung von Maschinen von Herrenknecht zum Tunnelbau. 

Nicht gesichert ist, inwieweit weitere auf dem Papier bestehende Projekte umgesetzt werden. Ein aktuelles Beispiel ist die Abfallwirtschaft und die noch nicht erfolgte Einführung eines Recyclingmodells mit entsprechenden Anlagen.

Öffentliche Förderung für ausländische Unternehmen zugänglich

In Hongkongs Bauwirtschaft spielen ausländische Firmen eine wichtige Rolle als Partner für lokale Immobilienfirmen, insbesondere in spezialisierten Bereichen wie Maschinenzulieferung. Die großen Bauunternehmen stammen insbesondere aus China, Berater häufig aus dem Vereinigten Königreich und Australien. Deutsche Bauunternehmen und Architekturbüros sind in Hongkong nur wenig vertreten. Ein Beispiel mit deutschem Bezug zu Deutschland ist das in Hongkong 1975 gegründete Unternehmen Leighton. Dieses ist eine Tochtergesellschaft der australischen CIMIC Group, die wiederum eine Tochtergesellschaft von Hochtief ist. 

Maschinenhersteller können von dem am 1. September 2024 neu aufgesetzten Construction Innovation and Technology Fund profitieren. In Hongkong registrierte Unternehmen können bis zu 960.000 US$ Finanzierung erhalten und deutsche Zulieferer wie Liebherr und Leica sind in der Vorabgenehmigungsliste bereits aufgeführt.

„Das Baugewerbe in Hongkong steht unter zunehmendem Druck und verlagert sich in Richtung umweltfreundlicheres Bauen. Es werden regelmäßig neue Vorschriften erlassen, und eine große Anzahl bestehender Gebäude muss in den nächsten fünf bis zehn Jahren renoviert werden, insbesondere auch ihre Fassade.“

Hans Niemann, Bauingenieur zu Nachhaltigkeit bei Inhabit

Zunehmend in den Fokus rücken umweltfreundliche Bauweisen und Materialien. In einer Stadt wie Hongkong, die mit 558 Hochhäusern weltweit die meisten besitzt, umfasst dies nachhaltige Gebäudefassaden und rechtliche Vorgaben zu Sonnenreflektionen. Ganz aktuell umgesetzt hat dies der schwäbische Fassadenhersteller Seele an dem ikonischen Neubau "The Henderson" des führenden Hongkonger Immobilienentwicklers.