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Hohe Lebenserwartung – Stärke und Belastung für Gesundheitssektor
Die medizinische Versorgung ist gut, doch für Senioren muss Hongkong Lösungen entwickeln. Probleme bereitet nicht die Finanzierung, sondern der Personalmangel und fehlende Flächen.
04.08.2023
Von Robert Herzner | Hongkong
Das Gesundheitssystem in der Sonderverwaltungsregion (SVR) Hongkong unterscheidet sich deutlich von Großbritannien und China und ist in einen öffentlichen und einen privaten Bereich aufgeteilt. Der öffentliche Sektor wird von der Hongkonger Regierung finanziert und vom Department of Health sowie der Hospital Authority verwaltet. Die stationäre Versorgung erfolgt vorrangig in öffentlichen Krankenhäusern; ambulante Behandlungen führen sowohl Privatkliniken als auch Spezialisten im öffentlichen Bereich durch.
Die Ausgaben für den Gesundheitssektor im Haushaltsjahr 2023/2024 betragen mit 13 Milliarden US-Dollar (US$) etwa 19 Prozent der Gesamtausgaben der Regierung. Traditionell stammt rund die Hälfte der gesamten Gesundheitsaufwendungen der SVR aus öffentlichen Mitteln. Der Anteil der Gesundheitsversorgung am Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 2021 bei 6,8 Prozent und beinhaltet den privaten Sektor. Der höchste Anteil am BIP im internationalen Vergleich bestand im gleichen Jahr mit 17,8 Prozent in den USA, Deutschland rangierte mit 13,2 Prozent auf dem zweiten Platz.
Indikator | Wert |
---|---|
Gesamtausgaben (Haushaltsjahr 2023/2024; in Milliarden US$), davon | 25,6 |
Öffentlich | 15,5 * |
Privat | 10,1 |
Ausgaben pro Kopf (2022; in US$) | 3.426 |
Relative Ausgaben (2022; in Prozent am BIP) | 7,3 |
Hochwertige Medizintechnik stammt aus dem Ausland
Zur Größe des lokalen Marktes für Medizintechnik gibt es keine offiziellen Angaben. Analysten schätzen das Volumen auf etwa 700 Millionen US$. Hongkong kauft einen Großteil des Bedarfs im Ausland ein, weil es kaum einheimische Anbieter gibt. In der SVR existieren lediglich einige Auftragshersteller für internationale Konzerne.
Aus der Volksrepublik erwerben Krankenhäuser in Hongkong vor allem Verbrauchsgüter und einfache mechanische und elektromedizinische Geräte. Bei höherwertigen Apparaten setzen sie auf Hightech-Produkte aus den USA, Deutschland oder Japan. Der Sektor für Medizin- und Gesundheitsprodukte in der SVR zielt hauptsächlich auf den privaten Verbrauchermarkt ab. Gemäß Hongkongs Statistikamt betrugen die Einfuhren von Medizintechnik 2022 rund 2,7 Milliarden US$. Aus Deutschland wurden entsprechende Produkte für 153,5 Millionen US$ importiert.
Die Hospital Authority nimmt die Einkäufe für 43 staatliche Krankenhäuser und 132 Tageskliniken vor. Ab einem bestimmten Einkaufswert schreibt die Behörde Beschaffungen aus, bei kleineren Aufträgen informiert sie registrierte Zulieferer. Die Anschaffungen werden über das Government Logistics umgesetzt, wo sich Zulieferer online registrieren können. Deutsche Anbieter von Medizintechnik äußern sich positiv zum Beschaffungsverfahren, bei Pharmazeutika kann die Kostenerstattung hingegen bis zu drei Jahre dauern.
Medizinische Behandlung günstig, aber mit langen Wartezeiten
Staatliche Krankenhäuser und Tageskliniken bieten eine nahezu kostenlose Versorgung auf einem hohen medizinischen Niveau an. Insbesondere bei der Versorgung in öffentlichen Krankenhäusern kann es jedoch zu langen Wartezeiten kommen. Bei Notfällen führen staatliche Krankenhäuser ein Triage-System durch, die Reihenfolge der Behandlung richtet sich nach der Schwere des Zustands des Patienten. Die Wartezeit in der Notaufnahme kann bis zu acht Stunden betragen; bei weniger dringenden Fällen warten Patienten bis zu acht Wochen auf eine Behandlung.
Das Hongkonger Gesundheitssystem bietet insgesamt eine hervorragende medizinische Versorgung nach westlichem Standard an, ist aber auf Kosteneffizienz getrimmt.
Deswegen weichen Patienten teils auf private Anbieter aus. Ein in Hongkong häufig genannter Kostenvergleich für staatliche und private Einrichtungen sind von Eltern zu tragende Kosten für eine Geburt. Im staatlichen Queen Mary Krankenhaus betragen diese lediglich 20 US$, im privaten Matilda International Hospital liegen sie hingegen bei 6.500 US$. Die Beratungsgebühren für medizinische Notdienste in privaten Krankenhäusern betragen 35 bis 165 US$. Für Medikamente, Untersuchungen und Operationen fallen weitere Gebühren an. Neben der freiwilligen privaten Zusatzversicherung bieten Arbeitgeber oftmals eine Krankenversicherung an.
Wegen der höheren Kosten in privaten Kliniken warten viele Patienten lieber auf eine kostenlose Behandlung in staatlichen Einrichtungen. Dadurch verlängert sich die Wartezeit in öffentlichen Kliniken, die 80 Prozent der ambulanten Behandlungen abdecken. Im stationären Bereich behandeln rund 45 Prozent der im öffentlichen Bereich angestellten Fachärzte knapp 90 Prozent aller Patienten.
Indikator | Wert |
---|---|
Anzahl Ärzte | 15.546 |
Ärzte pro 1.000 Einwohner | 2,1 |
Anzahl Zahnärzte | 2.706 |
Anzahl Hospitäler, davon | 56 |
Öffentlich | 43 |
Privat | 13 |
Anzahl Krankenhausbetten, davon | 35.252 |
Öffentlich | 30.105 |
Privat | 5.050 |
Personalmangel und fehlende Flächen sind Engpässe
Die Regierung will die finanzielle Ausstattung langfristig verbessern, denn insbesondere die Alterung der Gesellschaft treibt den Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen in die Höhe. Laut der Weltgesundheitsorganisation haben Hongkonger die höchste Lebenserwartung der Welt.
Mehr Senioren und zu wenig Fläche
Hongkong hat 7,5 Millionen Einwohner. Fast jeder Fünfte ist älter als 65 Jahre. Bis 2040 wird es jeder Dritte sein. Dies bringt Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenzen, insbesondere für altersbedingte Behandlungen. Des Weiteren ist die Wohnfläche aufgrund der hohen Mietpreise in der SVR für viele Senioren begrenzt. Sie leben häufig in nicht altersgerechten Wohnungen, beispielsweise in mehrgeschossigen Gebäuden aus den 70er-Jahren ohne Fahrstuhl. Aufgrund der begrenzten Immobilienfläche in der Metropole decken Erweiterungen und Neubauten von Krankenhäusern und Seniorenwohnheimen nicht den tatsächlichen Bedarf.
Mangel an Fachkräften bleibt Herausforderung
Ein großer Engpass bei der Gesundheitsversorgung sind fehlende Ärzte und Krankenschwestern. Die Regierung versucht, den Mangel durch mehr Universitätsstudierenden in medizinischen Fächern und die Anwerbung von Personal aus Übersee zu kompensieren. Dem steht die Abwanderung von eigenem Personal entgegen, die während der Covid-19-Pandemie ein Hoch erreichte. Außerdem erhalten öffentliche Kliniken seit der Coronapandemie 2020 jährlich ein erweitertes Budget von circa 500 Millionen US$, dies entspricht zusätzlich gut 10 Millionen US$ pro Krankenhaus. Damit sollen Kliniken vor allem mehr Personal einstellen.