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Wirtschaftsausblick | Hongkong

Wirtschaft stellt sich breiter auf

Alte Stärken bekommen einen neuen Anstrich: Die Hongkonger Regierung will Industrie und Forschung wiederbeleben, jetzt mit Fokus auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

Von Robert Herzner | Hongkong

Topthema: Neuausrichtung auf Forschung und Technologie

Die Hongkonger Regierung hat erkannt, dass sie in Nachhaltigkeit und Digitalisierung investieren muss, um langfristig Wachstum sicherzustellen und unabhängiger von Drittmärkten zu werden. Damit treten Innovation und Technologie in den Fokus. Bis in die 2000er Jahre war das verarbeitende Gewerbe in Hongkong eine wesentliche Stütze der Wirtschaft mit bis zu 20 Prozent Beitrag am Bruttoinlandprodukt (BIP) gewesen. Derzeit liegt sein Anteil bei 2 Prozent. Neben dem Immobilienmarkt dominieren Dienstleistungen wie Außenhandel, Einzelhandel, Tourismus und Finanzwirtschaft. Doch die Hongkonger Börse hängt zunehmend anderen Standorten der Region hinterher und auch als Tourismusdestination verliert Hongkong an Bedeutung. 

Entsprechend sind neue oder zuvor erfolgreiche Formate erforderlich, um den Wirtschaftsstandort zu stärken. Hierzu setzt die Regierung Schwerpunkte auf Künstliche Intelligenz (KI) und Gesundheitstechnologie. Dies beinhaltet ein KI Super Computing Center und ein Mikroelektronik-Forschungszentrum. Mit einem 1,8-Milliarden-US-Dollar (US$)-Programm und der Anwerbung von Fachkräften will die Regierung eine Reindustrialisierung erreichen. 

Nach der Pandemie soll nun die Integration in die Greater Bay Area wieder vorangetrieben werden. Neben gemeinsamen Industriezonen gilt es, den grenzüberschreitenden Datentransfer zu verbessern. Anfang 2024 gab die Hongkonger Finanzaufsicht den Pilotstart für die Shenzhen und Hongkong umfassende Datenvalidierungsplattform bekannt. Dies erleichtert die Überprüfung von Dokumenten, ohne dass eine grenzüberschreitende Übertragung oder Speicherung der Originaldokumente erforderlich ist. Mittels Block-Chain-Technologie wird die Echtheit der vorgelegten Dokumente bestätigt. 

Außerdem möchte die Lokalregierung den Tourismus und Einzelhandel in der digitalen Transformation unterstützen. Hierzu steckt sie 64 Millionen US$ in den bestehenden BUD-Fonds, um KMU bei der Erschließung neuer Märkte im Bereich E-Commerce zu helfen. Insbesondere im Vergleich zum chinesischen Festland ist die Digitalisierung im Business-to-Customer (B2C)-Bereich rückständig. Gäste müssen Taxifahrten überwiegend in bar bezahlen, Lieferdienste sind wenig verbreitet und die Bezahlung per mobilen Apps ist unüblich. Entsprechend zeigen sich Besucher vom Festland überrascht, da dies dort gang und gäbe ist. 

Wirtschaftsentwicklung: Moderate Staatsausgaben

Für die kommenden Jahre ist ein stabiler Anstieg des BIP um jeweils 3 Prozent zu erwarten. Im 1. Quartal 2024 betrug das reale BIP-Wachstum 2,7 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode und lag damit im unteren Bereich des Regierungszieles. Immobilien- und Aktienmarkt befinden sich aufgrund der globalen Situation weiterhin unter Druck, der Außenhandel wächst moderat.

Die Budgetplanung des Finanzministeriums lässt Spielräume zu. Demnach steigen die Regierungsausgaben bis 2027 auf umgerechnet 100 Milliarden Euro jährlich und sollen dann wieder sinken. Im Verhältnis zum BIP ist das von 2027 bis 2029 ein Rückgang von 23,2 auf 20,6 Prozent. Dies bedeutet eine Staatsverschuldung von 12,2 Prozent zum BIP (Vergleich Deutschland 2023: 65,9 Prozent). Seit 1983 ist der Hongkong-Dollar an den US-Dollar mit einem Umtauschkurs von 7,75 bis 7,85 HK$ zu 1 US$ gekoppelt und trägt zur Stabilität des Wirtschaftsstandortes bei. 

Konsum und Außenhandel leiden unter Wirtschaftsschwäche Chinas

Der Tourismus, vor allem vom Festland, ist für den Einzelhandel in Hongkong ein wichtiger Faktor. Der Sektor leidet darunter, dass in China die Wirtschaft nicht in Gang kommt. Für 2024 wird eine Besucherzahl von 70 Prozent des Aufkommens vor der Coronapandemie erwartet. Der Tourismus trägt etwa 4,5 Prozent zum BIP bei. Der Außenhandel verlagert sich nach Südosten, auch bedingt durch die schwächere westliche Nachfrage.  

Sicherheitsgesetz verabschiedet

Mit der Verabschiedung des umstrittenen Nationalen Sicherheitsgesetzes hat die Regierung die wichtigste Aufgabe aus Sicht der chinesischen Zentralregierung für 2024 erfolgreich umgesetzt. Für in Hongkong ansässige Dienstleister, die Due-Diligence-Prüfungen von Einzelpersonen und Unternehmen auf dem chinesischen Festland durchführen, kann sich dies auf das Geschäftsmodell auswirken, da es beispielsweise Vorbereitungen von Mergers & Acquisitions (M&A) erschwert. 

Hintergrundinformationen zum Wirtschaftsstandort Hongkong bietet unsere Reihe "SWOT-Analyse". Aktuelle Daten zum Land bieten die "Wirtschaftsdaten kompakt".

Deutsche Perspektive: Diversifizierung bringt Stabilität

Die Neuausrichtung mit Fokus auf nachhaltige und digitale Industrien bietet weitere Optionen für deutsche Unternehmen. Diese profitieren bereits von Hongkongs Rolle als Handels- und Sourcing-Drehscheibe. Hongkong dient auch als Ausgangspunkt zur Umsetzung der Strategie China-Plus-1. Diese bezeichnet das Bestreben, sich neben China ein weiteres Standbein in der Region aufzubauen. Die Deutsche Auslandshandelskammer (AHK) in Hongkong verzeichnete einen Zuwachs um 5,8 Prozent auf 456 Mitglieder 2023 im Vorjahresvergleich. 

Ergänzend zum Aufbau grüner Technologien macht die begrenzte Landfläche Milliarden-Investitionen in eine nachhaltigere Abfallwirtschaft erforderlich. Das zum August 2024 geplante Inkrafttreten der neuen Recyclingverordnung ist allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben. Die begrenzte Fläche für Wohn- und Gewerbefläche spiegelt sich ebenfalls in der Stadtentwicklung im Norden an der Grenze zu Shenzhen mit dem zentralen Großprojekt Northern Metropolis wider.

Hongkong diversifiziert seine Wirtschaft, auch um unabhängiger vom Immobilienmarkt zu werden. Dieser steckt spätestens seit der Insolvenz des Immobilienentwicklers Evergrande in der Krise. Ein florierender Kapitalmarkt ist aber entscheidend, um weiter Investitionen aus dem Ausland anzuziehen.

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