Wirtschaftsumfeld | China | Tourismus
Chinas Touristen erwarten auch im Inland internationales Ambiente
Der Tourismussektor ist für den Binnenkonsum wichtig und wird staatlich unterstützt. Die Nachfrage nach individualisierten Reisen wächst stetig.
12.09.2024
Von Robert Herzner | Hongkong
Die Chinesen haben nach dem Ende der Coronapandemie das Reisen für sich wiederentdeckt: Für das Jahr 2024 prognostiziert das Forschungsinstitut für Tourismus in China insgesamt 6 Milliarden Urlaubsreisen mit Ausgaben in Höhe von 824 Milliarden US-Dollar (US$). Dem Tourismus kommt damit eine bedeutende Rolle zu, denn die chinesische Wirtschaft stagniert. Hierzu trägt der schwache Binnenkonsum bei. Um die Konsumausgaben anzuschieben, unterstützt die Regierung vor allem den Inlandstourismus. Während der Auslandstourismus das Defizit im Dienstleistungshandel verstärkt, bleiben beim Inlandstourismus die Ausgaben im Land.
Generation Z hat neue Ansprüche an Inlandstourismus
Chinesen stellen bei Reisen jährlich Weltrekorde auf. Zum Neujahrsfest in diesem Jahr summierten sich binnen 40 Tagen die Reisen auf 9 Milliarden. Hierunter sind jedoch hauptsächlich Familienbesuche und weniger rein touristische Reisen. Mehr als 80 Prozent dieser Besuche wurden mit dem Auto unternommen. Doch auch Urlaubsreisen boomen und hier vor allem Individualreisen. Insbesondere die Generation Z hat sich von den in China bekannten Gruppenreisen verabschiedet und möchte mit individuellen Formaten neue Erfahrungen sammeln. Die junge Bevölkerung reist mal zurück in die 1980er Jahre und besichtigt dabei wichtige Stätten der Industrialisierung oder sie wandelt auf Maos Spuren in den 1960er Jahren. Mit dabei bei diesen Kurzreisen sind häufig die Eltern der Generation Z.
Im Zuge der Individualisierung hat sich während der Pandemie in den Großstädten an der Ostküste das Glamping (Luxus-Camping) entwickelt. Die Glamper bevorzugen hochwertige Ausrüstung, etwa vom Solinger Anbieter von Grillequipment Carl Mertens und dem Wohnmobilhersteller Hymer. Für das Jahr 2024 wird bei der Zahl der Inlandstouristen wieder das Niveau vor der Pandemie erwartet und die Ausgaben erreichen neue Rekorde. Bereits während der Nationalfeiertage im Herbst 2023 lagen die Ausgaben von Touristen mit 106 Milliarden US$ um 10 Prozent über dem Rekordwert der Vorpandemiezeit von 2019. Noch höhere Wachstumsraten verzeichneten Hotels mit einem Zimmerpreisanstieg von 16 Prozent und Restaurants mit einem Umsatzplus von 15 Prozent.
Ausländische Hotelketten setzen bei Inlandstourismus auf Nachhaltigkeit
Auch im Hotelmarkt gibt es Bewegung: Das untere Preissegment dominiert zahlenmäßig das Angebot. Hier agieren vor allem lokale Marken. Ausländische Marken sind meist im Luxussegment vertreten. So betreibt die Hotelkette Kempinski in China 21 Hotels und konzentriert sich mit dem 1992 eröffneten Aushängeschild Lufthansa Center in Peking auf Geschäftskunden.
Einen anderen Weg geht die in Hannover ansässige TUI, die mit ihrer Hotelmarke TUI Blue stärker auf den Markt für Inlandstouristen setzt. Anfang September 2024 eröffnete das erste TUI Blue Hotel in Taicang. Es bietet in der Stadt im Jangtse-Delta Dienstleistungen nach deutschem Standard. In Taicang sind zahlreiche deutsche Unternehmen ansässig. Wie andere in China etablierte ausländische Hotelketten investiert TUI Blue nicht in das Hotelgrundstück, sondern kooperiert mit einem lokalen Bauherrn über einen Franchise- oder Hotelmanagementvertrag. Dieses Asset-Light-Konzept ermöglicht die Umsetzung der Produkt- und Serviceanforderungen des Mutterkonzerns und bietet deutschen Anbietern Absatzchancen, um die Erwartungen der Gäste an "made in Germany" zu erfüllen. Dazu gehört auch die Einführung von Nachhaltigkeitsaspekten.
Städte | Anzahl Hotels | Preise 5-Sterne-Hotels(in US$) | Preise 4-Sterne-Hotels(in US$) | Preise 3-Sterne-Hotels(in US$) |
Chongqing | 9.943 | 70-180 | 40-245 | 20-75 |
Xi'an | 9.876 | 80-180 | 40-220 | 30-235 |
Beijing | 9.624 | 100-260 | 80-180 | 50-230 |
Guangzhou | 8.136 | 80-200 | 30-130 | 25-140 |
Shanghai | 6.916 | 60-500 | 55-300 | 20-150 |
Chengdu | 5.978 | 50-430 | 50-180 | 20-115 |
Changsha | 5.480 | 30-215 | 30-220 | 30-80 |
Shenzhen | 5.335 | 50-250 | 35-310 | 30-100 |
Wuhan | 4.975 | 45-130 | 30-120 | 20-80 |
Hangzhou | 3.824 | 55-800 | 45-460 | 20-185 |
Shanghai als Startpunkt für ausländische Anbieter
Shanghai hat Peking als wichtigste erste Destination für internationale Touristen abgelöst. Die Stadt gilt als internationaler und einfacher zu erkunden. Deutsche Reedereien wie Hapag-Lloyd und TUI nutzen die Küstenlage als Destination für Kreuzfahrten mit Verbindungen nach Singapur und Japan.
Die Messe Berlin veranstaltet in Shanghai die international führende B2B-Tourismusmesse ITB China. Im Jahr 2024 kamen über 600 Aussteller aus 80 Ländern zur Schau. Im kommenden Jahr findet die ITB China vom 27. bis 29. Mai statt.
"China bietet ein enormes Marktpotenzial, da chinesische Reisende ihre Reiseziele und Produktpräferenzen zunehmend diversifizieren. Die ITB China erleichtert globalen Tourismusanbietern Innovationen und die Expansion im chinesischen Markt."
Direktorin der ITB China, Lydia Li
Die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) unterhält in China ein Büro, um die touristische Vielfalt Deutschlands und die Vereinbarkeit von Tourismus und Nachhaltigkeit für chinesische Touristen erlebbar zu machen.
In Hongkong Neukunden erreichen
In absoluten Besucherzahlen ist die Hafenmetropole weiterhin ein weltweit führendes Touristenziel: 2024 werden 46 Millionen Besucher erwartet. Damit können Reiseveranstalter in der Innenstadt viele potenzielle Neukunden erreichen. Insbesondere im Premiumsegment bietet sich Hongkong an, wenn es darum geht, Konzepte im Markt zu testen, mit denen Anbieter auf dem chinesischen Markt Fuß fassen wollen.
Auslandstourismus fordert China heraus
Neben dem Inlandstourismus boomen auch die grenzüberschreitenden Reisen. Nach den Statistiken der chinesischen Regierung sind im 1. Halbjahr 2024 rund 287 Millionen Menschen nach China ein- und ausgereist. Davon waren 29,2 Millionen Ausländer - also rund 10 Prozent. Für China ist der Auslandstourismus ein signifikantes Defizitgeschäft. So reisen deutlich mehr Personen aus als ein. Hinzu kommt der zunehmende Abfluss von "heißem Geld“. Chinas Staatsbürger legen Geld im Ausland an. Das Dienstleistungsdefizit, zu dem der Tourismus den größten Beitrag leistet, reduziert nach einer Analyse der Deutschen Bank den Handelsüberschuss um 60 Prozent.