Branche kompakt | Indien | Medizintechnik
Markttrends
Der Markt für Medizintechnik wächst in einem Umfeld komplexer Regulierung. Neue Klinikbetten entstehen und auch außerhalb der Krankenhäuser gibt es Bedarfe.
11.10.2024
Von Florian Wenke | Mumbai
Indien investiert nur etwa 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die öffentliche Gesundheitsinfrastruktur. Bis 2025 wird ein Wert von 2,5 bis 3 Prozent angestrebt. Die India Brand Equity Foundation der indischen Regierung schätzt das Marktvolumen des Gesundheitssektors für 2023 auf 372 Milliarden US-Dollar (US$). Seriöse Prognosen für die weitere Marktentwicklung weichen stark voneinander ab in Bezug auf die zu erwartende Marktgröße. Übereinstimmung besteht jedoch darin, dass der Gesundheitssektor in der Breite weiter wachsen dürfte.
soll der Umsatz mit Medizintechnik in Indien von 2024 auf 2025 zulegen.
Die Nachfrage nach Medizintechnik wächst in allen Segmenten
Die Medizintechnikbranche profitiert vom Wachstum im Gesundheitsbereich. Allerdings ist die Datenlage dazu vielfach spärlich, sodass viele Angaben zur Marktgröße Schätzungen sind und teilweise stark variieren. Experten beziffern sie für 2023 auf einen Wert zwischen 11 Milliarden und 12 Milliarden US$. Die International Trade Administration gibt die Größe des indischen Medizintechnikmarktes für 2022 mit rund 13,7 Milliarden US$ an. Abweichungen kommen oft durch unterschiedliche Definitionen von Medizintechnik zustande.
Die genaue Marktgröße ist zwar unklar, allerdings sind sich alle Analysten einig was die Prognosen angeht und sagen ein Wachstum voraus. Für den Gesamtmarkt wird zumeist ein Wert von 50 Milliarden US$ prognostiziert, jedoch beliebt unklar, wann dieses Ziel erreicht werden soll. Sowohl 2030 aber auch 2050 sind in Branchenkreisen häufig verwendete Jahreszahlen in diesem Zusammenhang. Dabei sollen die Umsätze in den kommenden Jahren über alle wichtigen Produktkategorien zulegen.
Ausbau der Klinikinfrastruktur und Bevölkerungsentwicklung sorgen für Nachfrageschub
Die Nachfrage nach Medizintechnik wird überwiegenden von Einrichtungen zur Tertiärversorgung ausgelöst. Private Klinikketten stehen für rund 60 Prozent der mehr als 70.000 Krankenhäuser in Indien und sie beschaffen ihre Geräte über zentrale Einkaufsabteilungen. Großen staatliche Krankenhäuser schreiben den Bedarf über eine elektronische Procurement-Plattform der Zentralregierung oder der Bundesstaaten aus, kleinere lokale Einrichtungen über die jeweiligen regionalen Träger. Die Nachfrage im Hochpreissegment geht größtenteils vom Privatsektor aus, während die öffentlichen Einrichtungen im niedrigen und mittleren Preissegment sowie bei gebrauchter Medizintechnik stärker vertreten sind.
Derzeit bauen private Klinikketten wie beispielsweise Apollo oder Fortis ihren Klinikbestand deutlich aus. In den kommenden vier bis fünf Jahren sollen mehr als 30.000 Klinikbetten neu geschaffen werden. Dies wird auch den Bedarf an entsprechenden Behandlungen und medizintechnischen Geräten erhöhen. Hinzu kommen für Indien vergleichsweise neue Geschäftsfelder wie die Altenpflege, die mit ihrem Bedarf an Medizintechnik erst am Anfang stehen. Schrittweise wird im bevölkerungsreichsten Land der Erde die Zahl alter Menschen wachsen und auf Jahrzehnte den Bedarf von entsprechenden ausgestatteten Betreuungseinrichtungen wachsen lassen.
Projekt | Investitionssumme | Anmerkung | Internetadresse |
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Neubau und Modernisierung der staatlichen All India Institute of Medical Sciences (AIIMS) | 3.165 | Laufzeit bis 2026; von insgesamt 22 Projekte sind 6 abgeschlossen | Pradhan Mantri Swasthya Suraksha Yojana, Ministry of Health and Family Welfare |
Neubau und Erweiterung des Krankenhauses, Anbau von 3.000 Betten und 50 neuen Operationssälen | 1.108 | Laufzeit bis 2024; die Genehmigung des Gesundheitsministeriums der Union steht noch aus. | |
Angekündigt und Investitionen im Haushalt 2022-23 des Bundesstaates Maharashtra im März 2022 bereitgestellt | 642 | Angekündigt und Investitionen im Haushalt 2022-23 des Bundesstaates Maharashtra im März 2022 bereitgestellt | |
Der Bau des Medicity-Projekts in Jammu und Kaschmir wird voraussichtlich 12.553 Arbeitsplätze, 5.865 Betten und etwa 1.000 Plätze für medizinische Studiengänge schaffen. | 560 | Laufzeit bis 2025 | Regierung von Jammu und Kashmir und Direktorat für Industrie und Handel, Kashmir |
Verdoppelung der Bettenkapazität mit fast 2.840 zusätzlichen Betten in mehreren Phasen | 348 | Fertigstellung für 2026/2027 geplant | Max Healthcare |
Einrichtung von 3 Krankenhäusern (Telangana Institute of Medical Sciences) mit einer Kapazität von jeweils 1.000 Betten; bestehend aus 26 Operationssälen, 300 ICU-Betten (Intensivstation) und Sauerstoffversorgung | 328 | Laufzeit bis Ende 2024; Ausschreibung erfolgt | Regierung des Bundesstaates Telangana und Telangana Straßen- und Hochbauamt |
Erweiterungspläne für eine Kapazität von 3.000 Betten in Südindien | 122 | Laufzeit bis 2025 | Sri Kauvery Medical Care (India) Limited (Kauvery Hospitals) |
Einrichtung von zwei medizinischen Einrichtungen, einer med-city Super-Spezialklinik und einer Krebsklinik in Ghaziabad, Uttar Pradesh | 98 | Laufzeit bis 2024 | Yashoda Foundation, Yashoda Hospital mit Sitz in Nehru Nagar |
Der Expansionsplan sieht vor, mehr als 600 Betten hinzuzufügen und 5.000 Arbeitsplätze zu schaffen, womit es sich um die größte Einrichtung eines Privatunternehmens in Westindien handeln wird. | 86 | Laufzeit bis 2024 | |
Bau eines Fachkrankenhauses mit 550 Betten in Trivandrum, Kerala, das voraussichtlich 2.000 neue Arbeitsplätze schaffen wird | 61 | Laufzeit bis 2026 |
Ringen um Regulierung
Mit der Mitte 2023 vorgestellten National Medical Device Policy unterstreicht Indiens Regierung die Bedeutung, die sie der Medizintechnikbranche beimisst. Das Dokument gilt als Grundlage für die zukünftige Entwicklung der Branche, insbesondere im Hinblick auf die Regulierung. Des Weiteren soll die Policy dabei helfen, das Umfeld für Forschung und Entwicklung in Indien zu verbessern, Humankapital aufzubauen sowie Leitlinien für die Förderung besser zu gestalten. Branchenkenner sehen bisher noch keine Wirkung der Policy und weisen darauf hin, dass die Wirkungsentfaltung noch einige Jahre dauern wird.
Manche Regulierungen werden kontroverser diskutiert. Der derzeitige Gesetzentwurfs des New Drugs, Cosmetics and Medical Devices Bill beispielsweise ist lediglich in einer älteren Entwurfsfassung von 2022 verfügbar und befindet sich noch immer in der Diskussionsphase. Beobachter hatten eine Verabschiedung im Winter 2023/2024 erwartet, wozu es nicht kam. Das Gesetzt soll dafür sorgen, dass medizintechnische Geräte nicht mehr wie Pharmazeutika behandelt werden. Dazu gehört auch der Aufbau industriespezifischer Zertifizierungs- und Prüfstellen. Industrievertreter bemängelten immer wieder, dass die Bedürfnisse der Medizintechnikproduzenten nicht ausreichend im Entwurf berücksichtigt wurden. Kritikpunkte am bisherigen Entwurf betrafen unter anderem die die Tatsache, dass Verfehlungen kriminalisiert werden können, anstatt lediglich Geldstrafen nach sich zu ziehen.
Weitere Regulierungsbemühungen deuten auf mehr Preiskontrollen bei Medizintechnik hin. Bereits jetzt unterliegen einzelne medizintechnische Produkte Preisobergrenzen durch die National Pharmaceutical Pricing Authority, zum Beispiel künstliche Kniegelenke. Ähnlich wie bei bestimmten Pharmaka will die Regierung dadurch die weitreichende Verfügbarkeit der Produkte auch für untere Einkommensschichten gewährleisten. Branchenexperten glauben, dass diese Preisobergrenzen in Zukunft für mehr Produkte gelten könnten. Sie befürchten, dass dies ausländische Hersteller benachteiligt, die nicht günstig vor Ort produzieren können
Zudem schauen Branchenvertreter auf das Thema Standards. Indien ist zunehmend daran interessiert, eigene Normen zu etablieren. Die sogenannten Quality Control Orders (QCOs) werden durch das Bureau of Indian Standards (BIS) erarbeitet. Auch ausländische Unternehmen müssen sie befolgen, wollen sie auf dem lokalen Markt tätig sein. Experten zufolge prüft die indische Regierung derzeit, welche Normen im Bereich der Medizintechnik existieren und in wieweit internationale Standards übernommen werden. Andere Branchen wie beispielsweise die Automobilbranche setzen sich schon länger mit QCOs auseinander. Bemängelt wird die oft kurze Übergangfrist um Zertifizierungen des BIS zu erhalten und die allgemeine Verfügbarkeit von Prüfern zur Zertifizierung von im Ausland hergestellten Produkten.