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Special | Indien | LkSG | Umsetzungshilfe Risikoanalyse

Missachtung der Koalitionsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen

Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse Indien unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 6 LkSG)

Koalitionsfreiheit umfasst das Recht von Arbeitnehmern, sich frei zu Gewerkschaften zusammenschließen zu dürfen. Koalitionsfreiheit umfasst zudem in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht des Beschäftigtenortes das Recht von Gewerkschaften, sich zu betätigen, was ein Streikrecht und ein Recht auf Kollektivverhandlungen beinhaltet.

Gesetzliche Grundlagen 

Indien ist Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO), hat aber die hier relevanten Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes (ILO-Übereinkommen Nr. 87) sowie über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zur Kollektivverhandlungen (ILO-Übereinkommen Nr. 98) nicht ratifiziert (Stand: Juli 2023). Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country. Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.

Weiterführende Informationen zu Definition und rechtlichen Instrumenten bezüglich Vereinigungsfreiheit bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte.

Risiken

Indien belegt nach dem Global Rights Index 2023 vom Internationalen Globalen Gewerkschaftsbund (IGB), der jährlich die relevanten Rahmenbedingungen zur Respektierung kollektiver Arbeitnehmerrechte durch das jeweilige Land bewertet, das Rating 5 (1 bis 5+). Dies bedeutet, dass die Rechte der Arbeitnehmer nicht garantiert sind. Gründe für das schlechte Abschneiden sind beispielsweise repressive Gesetze im Bereich von Tarifverhandlungen, die Strafverfolgung von führenden Gewerkschaftsvertretern wegen Streikbeteiligungen, Entlassungen wegen Streikbeteiligungen und eine allgemeine Gewerkschaftsfeindlichkeit. Indien wird damit ähnlich schlecht bewertet wie seine Nachbarländer Pakistan und Bangladesch.

Zu den Problemen, die der IGB in seiner Bewertung anprangert, gehören beispielsweise exzessive Mindestmitgliederzahlen als Voraussetzung für die Gründung von Gewerkschaften. So muss laut den Experten eine Gewerkschaft mindestens 100 Beschäftigte oder 10 Prozent der Belegschaft vertreten, je nachdem, welche Zahl geringer ist. Außerdem moniert der IGB, dass Unternehmen nicht gesetzlich verpflichtet sind, Gewerkschaften anzuerkennen oder Tarifverhandlungen zu führen. 

Nur ein Bruchteil der Arbeitnehmer in Indien ist durch Gewerkschaften repräsentiert. Laut ILO waren es 19,8 Prozent, allerdings bezieht sich dieser Wert auf das Jahr 2017. Seit 2015 hat keine Indian Labour Conference mehr stattgefunden. In diesem Forum konnten Arbeitgeber zuvor regelmäßig ihren Anliegen Gehör verschaffen. Allerdings unterzeichnete das Land im Dezember 2022 das Decent Work Country Programme (DWCP) for India 2023-27 der ILO. 

Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind in Indien meist durch ein ungleiches Machtgefüge zugunsten erstgenannter Gruppe gekennzeichnet. Das zeigt sich auch an einem aktuellen Beispiel: So änderte ein Bundesstaat Regelungen zur Arbeitszeit zugunsten des Zulieferers eines international tätigen Unternehmens. Damit kann das Unternehmen nun auch Frauen in der Nachtschicht einsetzen und Schichten unter Bedingungen von neun auf zwölf Stunden verlängern. Lediglich in Branchen, in denen es auch in Indien einen Fachkräftemangel gibt (zum Beispiel im Bereich der Künstlichen Intelligenz), haben die Arbeitnehmer große Verhandlungsmacht. 

Unterschiede zwischen formellem und informellem Sektor sind beim Thema Koalitions-, Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen ebenfalls zu beachten. Zwischen 80 und 90 Prozent der Beschäftigten arbeiten im informellen Sektor und mehr als die Hälfte der Wertschöpfung findet dort statt. Insbesondere in Bereichen mit einem hohen Anteil an informell Beschäftigen sind die Risiken daher erhöht. Dazu gehören besonders die Landwirtschaft und der Dienstleistungssektor.

Das Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit ist in vielen Wirtschaftsbereichen zu finden. Unternehmen können auf den CSR Risiko-Check zurückgreifen.

Präventions- und Abhilfemaßnahmen

Die Deutsch-Indische Handelskammer (AHK Indien) befasst sich mit ihrem Geschäftsbereich SustainMarkets auch mit dem Thema Lieferketten. Darüber hinaus besteht beispielsweise die Möglichkeit, gezielt Schulungen für Zulieferer in Auftrag zu geben.

Die Handelsorganisation amfori ist ebenfalls ein möglicher Ansprechpartner vor Ort und berät Unternehmen. Außerdem ist der TÜV mit einer lokalen Niederlassung in Indien vertreten und bietet die Möglichkeit, dass Unternehmen sich nach dem Sozialstandard SA 8000 zertifizieren. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) kann ebenfalls kontaktiert werden. Zudem kann es sinnvoll sein, sich zum Thema Koalitionsfreiheit mit dem Büro der ILO in Indien in Verbindung zu setzen. Auch Arbeitgeberorganisationen wie die Handelsvertretung Federation of Indian Chambers of Commerce & Industry (FICCI) oder der Industriedachverband Confederation of Indian Industry sind mögliche Ansprechpartner. Gleiches gilt für unterschiedliche Gewerkschaftsverbände und Arbeitnehmerrechtsvertretungen.

Das Freedom of Association Committee (Ausschuss für Vereinigungsfreiheit) überprüft gesondert Verstöße gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen. Informationen über ILO-Verfahren der Normenkontrolle sind frei verfügbar. Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots der Missachtung der Koalitionsfreiheit können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Vereinigungsfreiheit im Sorgfaltsprozess adressieren eingesehen werden.

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