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Special | Indonesien | Global Gateway

Neue Hauptstadt sucht digitales Know-how

Indonesiens zukünftiger Regierungssitz Nusantara soll grün, smart und digital werden. Investoren warten aber ab, ob das Großprojekt im vollen Umfang oder überhaupt umgesetzt wird. 

Von Frank Malerius | Jakarta

Indonesien bekommt eine neue Hauptstadt: Nusantara. Der Standort der sich im Bau befindlichen Stadt liegt im Sub-Distrikt Sepaku in der Provinz Ostkalimantan. Der Aufbau der dortigen digitalen Infrastruktur ist eines der Leuchtturmprojekte von Global Gateway. 

Doch ein Besuch vor Ort offenbart eine gewisse Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. So präsentiert das auf einem Hügel gelegene Informationszentrum das sogenannte Techno House in bunten Animationsfilmen ein naturnahes, aber trotzdem urbanes Zentrum mit glücklichen Menschen im Freizeitmodus. Der Querschnitt einer Musterwohnung im Miniaturformat zeigt gediegenen Wohlstand mit Einbauküche im Landhausstil und geräumigem Wohnzimmer. 

An weiteren Ausstellungsständen zeigen internationale Technologiekonzerne wie Siemens, Huawei oder Honeywell, was sie anbieten können, wenn Kapital vorhanden ist: etwa ein hochmodernes 5G-Netz, eine digital gesteuerte Abwasserentsorgung und -wiederaufbereitung und grüne Stromversorgung. Doch spätestens die fliegenden Taxis von Hyundai regen beim Beobachter den Verdacht, dass es diesen Ort möglicherweise nie geben wird. 

Obwohl Präsident Joko Widodo gerade per Handstreich die Fertigstellung des Regierungsviertels um fast zwei Monate auf den Unabhängigkeitstag am 17. August 2024 vorverlegt hatte, waren hier im April 2024 gerade einmal Rohbauten zu sehen. Die großen staatlichen Baukonzerne haben sie aus dem Boden gestampft, aber die beschaulichen Baustellen bieten keinen Vergleich zu entsprechenden Großprojekten in China. Vor einigen Wochen mussten der Chef und der Stellvertreter des Hauptstadtbaus zurücktreten: Der Rückstand in den Zeitplänen war offenbar zu groß. 

Noch keine bestätigte Auslandsinvestition

Die Ambitionen für Nusantara könnten größer nicht sein. Die neue Hauptstadt soll das Symbol für die Fortschrittlichkeit Indonesiens sein: grün, nachhaltig, smart und digital. Nur Elektroautos sollen hier fahren dürfen. Der Strom für diese E-Kfz wird jedoch bis auf Weiteres aus den umliegenden Kohlekraftwerken kommen. Nusantara soll weit mehr werden als nur steriler Verwaltungssitz, sondern eine Großstadt mit eigener wirtschaftlicher Basis. Die Kosten werden mit umgerechnet circa 30 Milliarden US-Dollar veranschlagt. Der größte Teil davon soll aus der Privatwirtschaft kommen, insbesondere aus dem Ausland. Indonesien selbst hat kaum technologisches Know-how zu bieten. 

Vordergründig läuft bei der Investorensuche alles nach Plan. Die indonesische Presse überschlägt sich fast täglich mit Meldungen, in denen die Regierung potenzielle Geldgeber aus aller Welt präsentiert. Steueranreize und leichterer Landerwerb sollen den Prozess anschieben. Laut Nusantara Capital Authority haben etwa 400 Unternehmen eine Absichtserklärung (Letter of Intent) für eine Investition in der neuen Hauptstadt abgegeben. Fast die Hälfte davon kommt aus dem Ausland. Die Behörde listet fünf deutsche Firmen auf: Den Pumpenhersteller Wilo, das Architekturbüro Nickl & Partner, Bosch, die Commerzbank sowie Siemens, das Technologie für den geplanten Flughafenzug zuliefern will. 

Allerdings ist ein "Letter of Intent" die niedrigste Form des Investitionsbekenntnisses. Mitte Juni 2024 musste Investitionsminister Bahlil Lahadalia einräumen, dass noch keine einzige ausländische Nusantara-Investition bestätigt ist.

Nur wenige Beschäftigte im öffentlichen Dienst wollen Standortwechsel

Die potenziellen Mittelgeber warten ab. Der im Februar 2024 neu gewählte Präsident Prabowo hat sich im Wahlkampf zwar zu Nusantara bekannt. Schließlich ist das Projekt das im Alleingang initiierte Vermächtnis seines Amtsvorgängers, dessen Unterstützung er seine Wahl verdankt. Doch Prabowo hat in seinem Wunsch, indonesischer Präsident zu werden, ein Kostenloses-Mittagessen-Programm für Schüler versprochen. Dieses ist so teuer, dass sogar die auf Armutsbekämpfung spezialisierte Weltbank davor warnt. Das Programm könnte durchaus Nusantara den Wind aus den Segeln nehmen.

Darüber würden sich viele öffentlich Bedienstete freuen, denn noch im Jahr 2024 sollen mehrere Tausend von ihnen nach Nusantara wechseln. Der Standortwechsel gilt aus ausgesprochen unbeliebt. Die Nachrichtenagentur Reuters sprach mit knapp einem Dutzend Kandidaten: Nur zwei wollten wechseln, alle anderen wollen sich dem Umzug durch Kündigung und Jobwechsel entziehen. Das halbfertige Nusantara mit ungewisser Zukunft im menschenleeren Niemandsland kann mit der pulsierenden Metropole Jakarta, wo sich die Lebensbedingungen durch den Ausbau der Infrastruktur verbessern, nicht konkurrieren. Schon der Weg von den Flughäfen der umliegenden Städte Balikpapan und Samarinda nach Nusantara ist beschwerlich und erfordert mehrere Stunden. 

Viele Nusantara-Szenarien sind möglich

In welchem Umfang Nusantara ausländische Technologien benötigt sowie ob und in welchen Branchen deutsche Anbieter zum Zuge kommen, ist schwer abzusehen. Das Potenzial hängt vom Entwicklungsweg der zukünftigen Stadt ab. Zahlreiche Szenarien sind denkbar. Für eine komplette Aufgabe des Projekts ist es möglicherweise zu spät. Denkbar ist beispielsweise eine abgespeckte Version einer Hauptstadt mit nur hoheitlichen Kernaufgaben. Eventuell entsteht eine voll funktionsfähige Verwaltungshauptstadt, etwa nach dem Vorbild der malaysischen Planstadt Putrajaya. 

Am unwahrscheinlichsten erscheint derzeit die ursprüngliche Vision einer Metropole im Jahr 2045 mit eigener Wirtschaftsstruktur und knapp zwei Millionen Einwohnern. Das entspräche der Hälfte der heutigen Bevölkerungszahl der flächenmäßig drittgrößten Provinz Indonesiens und würde alle indonesischen Transmigrationsprojekte der vergangenen 100 Jahre in den Schatten stellen.

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