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Wirtschaftsumfeld | Indonesien | Außenwirtschafts-, Industriepolitik

Auch der neue Präsident Prabowo steht für Protektionismus

Der bisherige Verteidigungsminister wird ab Oktober 2024 die Leitlinien der indonesischen Politik bestimmen und den auf nationale Interessen gerichteten Wirtschaftskurs fortsetzen.

Von Frank Malerius | Jakarta

Mit einem Anteil von 58,6 Prozent der Stimmen hat Prabowo Subianto die indonesischen Präsidentschaftswahlen vom 14. Februar 2024 klar gewonnen. Er erhielt 96,2 Millionen Stimmen und gewann 36 der 38 Provinzen. Das teilte die Wahlbehörde KPU am 20. März mit. Die Mitbewerber Anies Baswedan und Ganjar Pronowo blieben abgeschlagen. Trotz Berichten über Unregelmäßigkeiten deutet alles darauf hin, dass Prabowo am 20. Oktober in der neuen Hauptstadt Nusantara als 8. Präsident Indonesiens vereidigt wird.

Regierungsform in Indonesien

Indonesien ist eine Präsidialdemokratie. Der Präsident wird vom Volk direkt gewählt, hat eine Amtszeit von 5 Jahren und setzt die Leitlinien der Politik. Die Wähler geben auch eine Stimme für eine Partei ab und bestimmen damit die Zusammensetzung des nationalen Parlaments. Parteien haben viel weniger Macht als etwa in Deutschland. Es besteht eine 4-Prozent-Hürde für den Parlamentseinzug. 

Keiner der Kandidaten stand für einen grundlegenden Wandel am protektionistischen und wirtschaftsnationalistischen Kurs Indonesiens. Aus der ausländischen Business Community in Jakarta waren vor allem Präferenzen für Ganjar zu vernehmen. Der ehemalige Gouverneur von Zentraljava ähnelt dem amtierenden Präsidenten Joko Widodo und ist wie sein Parteifreund von der PDI-P auf Stabilität und Ausgleich bedacht und Investoren zugewandt.

Deutliche Kritik an der EU

Prabowo, der bei den vorherigen beiden Präsidentschaftswahlen dem außerordentlich beliebten Joko Widodo unterlegen war, hat eine Militärkarriere hinter sich und gilt als temperamentvoll. Durch einen Deutschlandaufenthalt in jungen Jahren spricht er etwas Deutsch. Er wird das bestehende Primat der Wirtschaftsinteressen Indonesiens möglicherweise kompromissloser gegen multinationale Ordnungsversuche verteidigen als sein Vorgänger. 

Im Wahlkampf setzte der 72-Jährige entsprechende Duftmarken: "Wir öffnen unseren Markt für Sie", wandte sich Prabowo auf einer Veranstaltung des Think Tanks CSIS (Center for Strategic and International Studies) direkt an die EU und nannte als Beispiele Mercedes und Volkswagen. "Aber Sie erlauben uns nicht, Palmöl zu verkaufen, und jetzt haben wir auch noch Probleme bei Kaffee, Tee und Kakao", kritisierte Prabowo.

Hintergrund sind das Auslaufen einer Regelung für auf Palmöl basierenden Biodiesel in der EU sowie die sogenannte EU-Entwaldungsrichtlinie. Sie verbietet Produkte, für die Wald gerodet werden musste. Prabowo führt an, dass es die Europäer gewesen seien, die während der Kolonialzeit im Archipel für den Anbau von Tee, Kaffee, Kautschuk oder Kakao Wälder abholzen ließen. Für seine Argumente gibt es in der indonesischen Bevölkerung einen großen Resonanzboden. 

Indonesien verfügt als Handelspartner durchaus über Verhandlungsmacht. Der Inselstaat produziert mehr als die Hälfte des Palmöls weltweit und besitzt die größten Vorkommen von Nickel, das für die Batterien von Elektroautos benötigt wird. Auch Zinn, Kupfer, Gold oder Bauxit sind in großen Mengen vorhanden. Die EU fordert mit ihrem Lieferkettengesetz verbindliche Sozialstandards für Anbau, Förderung und Verarbeitung dieser Reichtümer. Die politische Elite Indonesiens bewertet das als Angriff auf die nationale Selbstbestimmung. 

China stellt keine Bedingungen

Die Unterschiede zwischen der EU und Indonesien in der Handelspolitik sind mannigfaltig. Die 2016 begonnenen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen haben mittlerweile 17 Runden hinter sich. Zu einer Einigung noch unter Präsident Joko Widodo wird es kaum kommen. Unter einem Präsidenten Prabowo dürften die Verhandlungen nicht einfacher werden.

Indonesien wünscht sich ein weniger verbindliches Abkommen, um mit seinem breiten Instrumentarium von nicht tarifären Handelshemmnissen wie Local-Content-Regelungen, nationalen Produktstandards oder Importlizenzen, die Kontrolle über den Außenhandel zu behalten.

An Selbstbewusstsein mangelt es nicht, denn der Archipel hat einen rasanten Wirtschaftsaufschwung hingelegt: Seit der Jahrtausendwende hat sich die Wirtschaftsleistung nominal verachtfacht. Indonesien ist damit die am zweistärksten wachsende Volkswirtschaft der G20-Staaten, hinter China. 

Für die indonesische Regierung bietet China nun auch eine willkommene Alternative zu europäischen und japanischen Anbietern. Das Reich der Mitte stellt keine Bedingungen. Mittlerweile bezieht Indonesien fast fünfmal mehr Waren von dort als aus der gesamten EU. China leitet und finanziert zahlreiche große Infrastrukturprojekte im Archipel. Und nach Indonesiens Exportverbot für unverarbeitetes Nickelerz hat es in Sulawesi und den Nordmolukken eine gigantische Downstream-Industrie aufgebaut. Angesichts der geschaffenen Fakten ist der erfolgreiche Einspruch der EU gegen das Exportverbot bei der WTO von geringer Bedeutung.

Teures "Free Lunch"-Versprechen alarmiert Weltbank und Ratingagenturen

Jenseits wirtschaftsnationalistischer Rhetorik hatte Prabowo im Wahlkampf ein Wahlprogramm mit 17 Punkten vorgelegt, das eher allgemein gehaltene, populäre Reformversprechungen beinhaltet: von Korruptions- und Armutsbekämpfung über die Selbstversorgung mit Reis bis zu mehr Umweltschutz. Doch seine ursprünglich mäßigen Beliebtheitswerte schossen erst in die Höhe, als er den 36-jährigen Präsidentensohn Gibran Rakabuming zu seinem Vize machte. 

Eines seiner Wahlversprechen, das sogenannte "Free-Lunch"-Programm, holt Prabowo bereits vor seiner Ernennung ein. Denn ärmeren Schulkindern Mahlzeiten auf Staatskosten zu finanzieren, ist ein teures Unterfangen. Experten sehen bei einer kompletten Initiierung des Programms jährliche Kosten in Höhe von 460 Billionen Rupiah auf den Staatshaushalt zurollen. Das entspricht knapp 30 Milliarden US-Dollar und ist fast so viel, wie für den Bau der neuen Hauptstadt Nusantara veranschlagt wurde. Diese Summe entspricht 12 Prozent des Staatshaushalts oder 2 Prozent der indonesischen Wirtschaftsleistung und könnte die 3-Prozent-Defizitgrenze des solide geführten Staatshaushaltes sprengen.

Selbst die auf Armutsbekämpfung spezialisierte Weltbank äußerte vorsichtig Vorbehalte gegenüber dem Vorhaben. Die Ratingagenturen Moody's und Fitch schlossen sich an. Noch steht die Lösung dafür aus, wie das teure Versprechen und die Haushaltdisziplin in Einklang gebracht werden können.  

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