Wirtschaftsausblick | Italien
Leichter Aufschwung setzt sich in Italien fort
Ausrüstungsinvestitionen und der Export werden 2025 in Italien die stärksten Wachstumstreiber sein. Die Baukonjunktur hingegen schwächelt.
12.12.2024
Von Torsten Pauly | Mailand
Top-Thema: Umbau des Energiemix nimmt Fahrt auf
Der Ausbau von erneuerbaren Energien und Leitungsnetzen bietet auf Jahre hinaus viele Auftragschancen. Italien will von 2022 bis 2030 regenerative Energieanlagen im Umfang von 73 Gigawatt neu hinzubauen. Das Vorhaben scheint angesichts interessierter Investoren realistisch, wird aber über 2030 hinaus andauern. Der Branchenverband Confindustria Energia erwartet bis 2030 Investitionen von 230 Milliarden Euro.
In den ersten elf Monaten 2024 haben Investoren bereits Offshorewindparks mit 16,7 Gigawatt Gesamtkapazität zur Genehmigung eingereicht. Das Projektvolumen von Photovoltaikparks belief sich zeitgleich auf 3,3 Gigawatt. Insgesamt sind in den ersten zehn Monaten 2024 erneuerbare Kapazitäten von 6 Gigawatt ans Netz gegangen.
Hinzu kommen die Projekte beim Netzausbau. So investiert der Betreiber Terna 21 Milliarden Euro von 2023 bis 2032 in die landesweiten Stromtrassen. In die Erdgas- und Wasserstoffpipelines des zuständigen Unternehmens Snam fließen von 2024 bis 2033 sogar 26 Milliarden Euro. Außerdem erwägt Italien, die Entwicklung kleiner Nuklearrektoren für die Industrie zu fördern.
Die Bevölkerung steht dem Ausbau der erneuerbaren Energien positiv gegenüber. Eine Umfrage der Europäischen Investitionsbank 2024 ergab, dass für 67 Prozent der Befragten die Bekämpfung des Klimawandels eine nationale Priorität werden muss. Dies ist der zweithöchste Wert in der EU.
Wirtschaftsentwicklung: Wachstum führt zu höheren Importen
Das italienische Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll 2025 real um 1 Prozent steigen, erwartet die Europäische Kommission in ihrer Herbstprognose. Die Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen soll 2025 um 2,3 Prozent und die entsprechende Einfuhr um 2,9 Prozent zunehmen. Damit verringert sich der Exportüberschuss leicht. Dennoch erwirtschaftet Italien Leistungsbilanzüberschüsse. Viele Hersteller profitieren von im EU-Vergleich niedrigen Lohnkosten bei überdurchschnittlicher Produktivität.
Problematisch ist das Nord-Süd-Gefälle in der Wirtschaftsleistung. Das BIP pro Kopf war 2022 in Norditalien um 85,8 Prozent höher als im Mezzogiorno, der die sechs südlichsten Festlandsregionen sowie Sizilien und Sardinien umfasst. Große Unterschiede gibt es auch bei der Arbeitslosenquote. Diese war im 2. Quartal 2024 im Mezzogiorno mit 12,8 Prozent rund dreimal so hoch wie in Norditalien (3,9 Prozent). Zudem gibt es ein Einkommensgefälle. Im Süden laufen jedoch große Investitionsprojekte, unter anderem eine Chipfabrik, eine Batteriezellenfertigung und Energieanlagen.
Problematisch bleibt auch die öffentliche Haushaltslage. Die staatliche Gesamtverschuldung wird 2025 laut EU-Kommission 138,2 Prozent des BIP entsprechen. Dies ist in der EU der zweithöchste Wert nach Griechenland. Die Neuverschuldung soll wegen Einsparungen der Regierung jedoch von 3,4 Prozent in 2025 auf 2,9 Prozent 2026 sinken.
Die öffentliche Hand wird 2025 hohe Fördergelder aus der EU-Aufbau- und Resilienzfazilität für Nachhaltigkeit und Digitalisierung verwenden. Daher sollen die öffentlichen Ausgaben 2025 insgesamt um real 2,3 Prozent steigen, was das BIP-Wachstum unterstützt.
Ausrüstungsbeschaffungen steigen, Bauleistungen sinken
Die italienischen Investitionen in Ausrüstungen dürften 2025 real um 6,4 Prozent steigen, prognostiziert die EU-Kommission. Dabei begünstigen die neuen Förderprogramme Transizione 5.0 und Beni strumentali Anschaffungen. Deren Auflage hatte sich 2024 um Monate verzögert. Dies und teurere Finanzierungskosten wegen der gestiegenen Zinsen führen dazu, dass die Ausrüstungsinvestitionen 2024 um real 1,1 Prozent geringer als 2023 ausfallen.
Die teureren Kreditkosten wirken sich dagegen negativ auf die Bautätigkeit aus. Die EU-Kommission erwartet, dass die Bauinvestitionen in Italien 2025 preisbereinigt um 3,8 Prozent zurückgehen werden. Wegen der schwachen Baukonjunktur soll sich die Investitionstätigkeit in Italien 2025 insgesamt nur minimal um real 0,2 Prozent ausweiten.
Höhere Reallöhne fördern Konsum
Der Verbrauch der italienischen Haushalte legt 2025 preisbereinigt um 1 Prozent zu. Die Kauflaune stärkt ein erwarteter Reallohnanstieg um 1,2 Prozent und eine um 0,8 Prozent zunehmende Beschäftigung. Im Jahr 2024 stagniert der Privatkonsum laut EU-Kommission. In den Jahren 2022 und 2023 war es wegen der hohen Inflation zu Reallohnrückgängen gekommen.
Konsumkredite der Haushalte nehmen weiter zu. Ende Juni 2024 war das Darlehensvolumen um 5,6 Prozent höher als vor Jahresfrist. Im Durchschnitt war ein Einwohner mit 2.800 Euro verschuldet.
Außenhandel soll 2025 wieder wachsen
In den ersten acht Monaten 2024 war Italiens Warenexport nominal um 0,5 Prozent und der Import um 5,4 Prozent geringer als im selben Vorjahreszeitraum. Dabei leidet die Ausfuhr unter der schwachen Konjunktur in wichtigen Abnehmermärkten wie Deutschland. Die Importnachfrage wird hingegen durch die jüngsten Kaufkraftverluste der Bevölkerung und die teuren Investitionskosten getrübt. Insgesamt soll der Außenhandel jedoch 2025 wieder steigen, erwartet der Internationale Währungsfonds.
Deutschland ist Italiens größter Handelspartner, der 2023 etwa 14,8 Prozent aller Warenimporte lieferte und 11,9 Prozent aller Exporte abnahm. Zweitwichtigstes Lieferland war 2023 die Volksrepublik China mit einem Einfuhranteil von 8,2 Prozent, vor Frankreich mit 7,6 Prozent. Zweitgrößter Auslandsmarkt waren die USA, dorthin gingen 10,7 Prozent der Exporte. Es folgte Frankreich mit einer Quote von 10,2 Prozent.
Deutsche Perspektive: Viele Unternehmen sind optimistisch
Im November 2024 rechneten 42 Prozent der von der Deutsch-Italienischen Handelskammer befragten Mitglieder mit einer besseren Geschäftslage in den kommenden zwölf Monaten. Knapp 13 Prozent erwarteten eine Verschlechterung. Etwa 30 Prozent der Mitglieder wollen ihre Investitionen in dieser Zeit ausbauen und 6 Prozent diese reduzieren. Mehr Mitarbeiter einstellen wollen 39 Prozent der Befragten, während 9 Prozent Entlassungen planen.