Branchen | Italien | Schienenverkehr
Italien baut neue Hochgeschwindigkeitsstrecken
Der italienische Schienennetzbetreiber RFI investiert 51 Milliarden Euro in neue Trassen. Auch die Realisierung des Brennerbasistunnels nimmt Gestalt an.
11.10.2023
Von Torsten Pauly | Mailand
Italien hat bereits viele Hochgeschwindigkeitsstrecken, für die auch das Kürzel AV/AC (Altà Velocità/Altà Capacità) gängig ist. Die Zuverlässigkeit der Personenzüge ist hoch. Im Jahr 2022 lag die Pünktlichkeitsrate im Regionalverkehr je nach Anbieter bei 90 bis 92 Prozent. Auch im Fernverkehr kamen 77 bis 87 Prozent aller Züge 2022 rechtzeitig ans Ziel. Zum Vergleich: Bei der Deutschen Bahn waren es 65 Prozent.
Unter dem Brenner hindurch
Das aus deutscher Sicht wichtigste italienische Bahnprojekt ist, zusammen mit Österreich, die Untertunnelung des Brennerpasses. Der Tunnel wird eine Länge von 55 Kilometern haben und soll 2032 öffnen. Auf italienischer Seite fallen dafür Investitionen von 4,2 Milliarden Euro an. Für den Brennerbasistunnel wurde die binationale Gesellschaft BBT SE gegründet, die auch Ausschreibungen durchführt.
Weitere 4,9 Milliarden Euro kostet der Ausbau der italienischen Schienenwege bis zum Brennertunnel. Dies betrifft die Strecke von Verona bis Fortezza (Franzensfeste). Zuständig für den Bau und Erhalt der Bahninfrastruktur ist die staatliche Gesellschaft RFI (Rete Ferroviaria Italiana). RFI hat in den letzten beiden Jahren Ausschreibungen im Wert von 30 Milliarden Euro getätigt und vergibt auch Aufträge für die jetzt geplanten Trassen.
Bei Verona wiederum schließt die Brennerstrecke an ein weiteres Großprojekt an: Den Ausbau der Ost-West-Verbindung bis Padua. Hierfür sind 6,4 Milliarden Euro veranschlagt. Erste Hochgeschwindigkeitszüge sollen dort 2026 verkehren.
Teure Trassen im Süden
Während die Strecke zwischen Verona und Padua größtenteils in der Ebene verläuft, stellen die topografischen Bedingungen in Süditalien die Planer vor größere Herausforderungen. Häufige Höhenunterschiede erfordern teure Brücken und Tunnel. Zudem spielt dort die Erdbebensicherheit eine wichtige Rolle.
Das mit 13,8 Milliarden Euro teuerste italienische Schienenprojekt ist daher der Bau der 207 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsstrecke von Salerno nach Reggio Calabria. Diese befindet sich noch im Planungsstadium.
Anspruchsvoll ist auch die neue AV/AC-Verbindung zwischen Neapel an der West- und Bari an der Ostküste. Dabei ist der Gebirgszug des Apennin zu queren. Hierfür sind 6,9 Milliarden Euro veranschlagt. Die Fertigstellung soll 2027 erfolgen.
Die vierte Hochgeschwindigkeitsstrecke entsteht auf Sizilien. Sie führt von Palermo an der Nordküste durch das Landesinnere nach Catania im Osten und von dort entlang der Küste bis nach Messina im äußersten Nordosten der Insel. Die Kosten belaufen sich auf 11,3 Milliarden Euro. Die Arbeiten sollen bis 2028 dauern.
Alpentunnel nach Frankreich
Auch die Bahnlinie zwischen Turin und Lyon erhält einen 58 Kilometer langen Tunnel. Hierfür sind auf italienischer Seite 6,4 Milliarden Euro eingeplant. Zur Realisierung des Projektes wurde die italienisch-französische Gesellschaft TELT (Tunnel Euralpin Lyon Torino) gegründet. Als Eröffnungsdatum steht das Jahr 2032 im Raum.
Ein weiteres Großprojekt ist der dritte Gleisstrang am ligurischen Giovipass. Dieser hat überregionale Bedeutung, verbindet er doch die Hafenstadt Genua mit Piemont und der Lombardei im Landesinneren. Für dieses Projekt sind 7,9 Milliarden Euro veranschlagt. Die Fertigstellung soll 2026 erfolgen.
Mehr Zugverkehr
Das Bahnfrachtvolumen ist in Italien zuletzt stark gestiegen. Die Menge der beförderten Güter war 2022 um 10,8 Prozent höher als vor dem Coronaeinbruch 2019.
Die Fahrgastzahlen im Personenverkehr hatten 2022 noch nicht wieder das Vor-Corona-Niveau von 2019 erreicht. Dies liegt auch am immer noch geringeren Fremdenverkehr. Im Jahr 2023 steigt die Zahl der Bahngäste jedoch stark an: Die Zahl der Ticketverkäufe der Staatsbahnen war in den ersten fünf Monaten um 24 Prozent höher als im selben Vorjahreszeitraum.
Verkehr soll von der Straße auf die Schiene
Italien will 2030 etwa 30 Prozent des Güterverkehrs per Zug bewegen. Die Bahn hat jedoch 2021 trotz der jüngsten Zuwachsraten erst 12,6 Prozent aller Fracht befördert (Deutschland: 19 Prozent). Dagegen entfielen in Italien 87,3 Prozent auf den Lkw-Verkehr (Deutschland: 73,6 Prozent).
Die jetzigen Projekte sollen daher auch die Attraktivität der Güterzüge verbessern. Unter anderem investiert die Frachttochter der italienischen Staatsbahn Mercitalia Logistics bis 2031 etwa 2,5 Milliarden Euro. Noch bis 2027 läuft auch das öffentliche Förderprogramm Ferrobonus. Unternehmen können hier einen Zuschuss von 2,5 Euro pro Kilometer beantragen, wenn sie Lkw oder Container per Zug befördern lassen.
Im Jahr 2020 gab es in Italien 13 Bahngesellschaften für Gütertransporte. Diese haben mit 2.480 Mitarbeitern 546 Millionen Euro umgesetzt. Am Markt vertreten sind auch deutsche Anbieter wie DB Cargo Italia S.r.l. Im Fahrgastverkehr ist der Umsatz weit höher. Hier haben elf Anbieter 2020 zusammen 5,6 Milliarden Euro erwirtschaftet. Die Zahl der Beschäftigten betrug 42.275 Personen.
Hohe Fördergelder aus Brüssel
Den Ausbau des Bahnnetzes ermöglichen auch Fördergelder der Europäischen Union (EU) im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität. Hieraus investiert Italien bis 2027 insgesamt 29,8 Milliarden Euro in den Fern- und in den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Die Fazilität wurde 2021 zur Konjunkturbelebung in der Coronakrise und für Investitionen in Zukunftstechnologien wie Digitalisierung und nachhaltige Mobilität geschaffen.
Fördertitel (Programmnummer) | Summe |
---|---|
Investitionen ins Schienennetz (M3C1), darunter | 24.770 |
Hochgeschwindigkeitstrassen in Süditalien (M3C1.1.1) | 4.460 |
Norditalienische Hochgeschwindigkeitstrassen gen Ausland (M3C1.1.1) | 8.570 |
Investitionen ins European Rail Traffic Management System (ERTMS) (M3C1.1.4) | 2.970 |
Ertüchtigung von Verkehrsknoten in Großräumen und von landesweiten Schlüsseltrassen (M3C1.1.5) | 2.970 |
Elektrifizierung und sonstige Ertüchtigung des süditalienischen Bahnnetzes (M3C1.1.7) | 2.400 |
Förderung eines schnellen ÖPNV (U-Bahn, Straßenbahn, Seilbahn, Trolleybusse) (M2C2.4.2) | 3.600 |
Ersetzung der Dieselzugflotte durch erneuerbare Energieträger (M2C2.4.4.2) | 800 |
Digitalisierung von Logistikketten (M2C2.2.1 | 250 |