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Großraum Bratislava soll zentralen Fernbahnhof bekommen
Die Slowakei könnte einen neuen zentralen Umsteigebahnhof für den internationalen Fernverkehr bekommen. Der Knotenpunkt im Ort Stupava soll den Hauptbahnhof Bratislava entlasten.
05.03.2025
Von Gerit Schulze | Bratislava
Der Hauptbahnhof von Bratislava ist eine denkbar schlechte Visitenkarte für die slowakische Hauptstadt. Das schmucklose Empfangsgebäude aus sozialistischen Zeiten bietet nur wenig Komfort für Reisende, die Bahnsteige sind zu schmal, kurz und kurvenreich für internationale Schnellzüge. Die Unterführungen können nicht barrierefrei erreicht werden. Vor allem technische Arbeiten wie Wartung, Reinigung und Lokomotivwechsel sind schwierig auf dem eng bebauten Gelände.
Drehkreuz für internationale Zugverbindungen
Ein Umbau des Areals ist seit Jahrzehnten im Gespräch. Nun hat die slowakische Regierung eine neue Idee: Ein Ausweichbahnhof in Stupava, etwa 15 Kilometer nördlich von Bratislava. Unter dem Projektnamen Bratislava-Západ (West) soll in der Kleinstadt eine Bahnstation entstehen, an der sich die europäischen Hochgeschwindigkeitszüge aus Tschechien, Polen, Österreich und Ungarn kreuzen.
Geplant ist, dass Züge weiterhin durch den Hauptbahnhof Bratislava fahren, dort aber nur kurz für Ein- und Ausstieg halten und dann nach Stupava weiterfahren. Dort entstehen größere Anlagen für die Zugwartung und Abstellgleise für Züge, die hier enden. Bratislava würde damit zur Durchgangsstation, die technische Wartung erfolgt in Stupava. In dem Ort soll auch der Umstieg in internationale Fernzüge erfolgen, was die Anbindung Bratislavas an europäische Metropolen verbessern könnte. In der Region treffen mehrere Strecken des transeuropäischen Transportnetzwerks (TEN-T) zusammen: der Baltisch-Adriatische Korridor, der Orient/East-Med-Korridor und der Rhein-Donau-Korridor.
Bislang kein Gleisanschluss in Stupava
Aktuell ist Stupava aber gar nicht an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Die letzte Verbindung wurde 2008 gekappt. Daher müsste eine neue Schienentrasse verlegt werden. Sie soll vom Stadtteil Lamač in Bratislava über Záhorská Bystrica bis nach Stupava führen, von dort aus dann weiter bis nach Lozorno, wo sie an das bestehende Gleisnetz stoßen würde. Das geht aus Unterlagen der slowakischen Eisenbahnverwaltung ŽSR hervor. Derzeit erarbeitet das Prager Ingenieurbüro Sudop Praha eine Machbarkeitsstudie für diese und weitere Neubaustrecken im Großraum Bratislava. Das Dokument sollte eigentlich schon bis Ende 2024 vorliegen. Die Veröffentlichung verzögert sich aber noch wegen weiterer Expertenanhörungen dazu.
Die Neubauvorhaben könnten laut dem slowakischen Verkehrsminister Jozef Ráž aus europäischen Fonds zum Aufbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes finanziert werden. In der Regel fließen solche Gelder aus der Connecting Europe Facility (CEF).
Am bisherigen Hauptbahnhof Bratislava sollen lediglich kleinere Schönheitsreparaturen durchgeführt werden. Die slowakische Eisenbahnverwaltung ŽSR rechnet dafür mit Ausgaben von bis zu 20 Millionen Euro. Derzeit wird eine Projektdokumentation für den Umbau erarbeitet.
Jährlich 50 Millionen Euro für Ausbau des Schienennetzes
Insgesamt will die Bahnbehörde in den kommenden 16 Jahren jeweils 50 Millionen Euro in das slowakische Schienennetz investieren. Experten des Instituts für Verkehr und Wirtschaft (IDH) schätzen den jährlichen Finanzbedarf angesichts des Modernisierungsstaus auf mindestens 80 Millionen Euro.
Eine wichtige Voraussetzung für einen effizienteren Zugverkehr im Großraum Bratislava ist der doppelgleisige Ausbau der Strecke Devínska Nová Ves bis zur österreichisch-slowakischen Staatsgrenze bei Marchegg. Die Elektrifizierung und Modernisierung der Trasse würden Geschwindigkeiten bis zu 120 Kilometer pro Stunde erlauben. Im Sommer 2024 nahm die slowakische Regierung das Bauvorhaben in die Liste strategischer Investitionen auf, um die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
Wesentlicher Bestandteil des Vorhabens ist die Rekonstruktion der Eisenbahnbrücke über den Fluss March, einschließlich Tragkonstruktionen und Unterbau. Die Bauarbeiten laufen bereits, verzögerten sich aber aufgrund des Hochwassers im September 2024. Auf österreichischer Seite ist die Strecke bis Marchegg bereits fertiggestellt und elektrifiziert. Sie würde die Zugverbindung zwischen Wien und Bratislava deutlich verbessern.
Gesamter Eisenbahnknoten der Hauptstadt wird erneuert
Mittel- bis langfristig ist eine Modernisierung des gesamten Eisenbahnknotens Bratislava geplant. Er umfasst rund 100 Kilometer Gleistrassen, davon die Hälfte zweispurig. Dafür müssten viele innerstädtische Bahnhöfe wie Petržalka, Rača oder ÚNS (ústredná nákladná stanica) sowie die Bahngleise saniert werden. Häufig sind auf den Strecken nur Höchstgeschwindigkeiten von 80 Stundenkilometern möglich. Eine Neubautrasse ist vom Stadtteil Vajnory über Chorvátsky Grob bis zum Vorort Pezinok im Gespräch. Langfristig - im Zeithorizont nach 2030 - ist geplant, den Eisenbahnverkehr in der slowakischen Hauptstadt teilweise auch in Tunnel zu verlegen.