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Special | Italien | Start-ups

Mehr Kapital für Start-ups

Der Innovationsbedarf und die Gelder der Europäischen Union bieten Start-ups  Chancen. Kapital steht zunehmend bereit, trotzdem bleibt Italien unter seinen Möglichkeiten.

Von Oliver Döhne | Mailand

  • Start-ups in Italien

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Verbessertes Umfeld

    Italiens Ökosystem für Start-ups wächst langsam heran. Der digitale und grüne Wandel verbessert die Perspektive. 

    Mit etwas Verspätung hat Italien erkannt, welche wichtige RoIle Start-ups auf dem Weg in eine moderne und nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft spielen. Italiens Start-up-Ökosystem kam erst mit dem Start-up-Gesetz 2012 in Gang und liegt noch immer etwas hinter anderen Ländern zurück. Jetzt nimmt die Regierung Geld in die Hand und will den jungen Unternehmen das Leben erleichtern. Erste Ergebnisse sind positiv. Das Jahr 2021 zeigte einen starken Zuwachs der Finanzierungen (siehe Kapitel "Mehr Geld im Spiel"). 

    Im 3. Quartal 2021 stieg die Zahl neuer Start-ups im Land laut Wirtschaftsministerium gegenüber dem 2. Quartal um 540 auf insgesamt über 14.000. Ein Großteil bietet Informationstechnoloige-Dienstleistungen für Unternehmen an und entwickelt Software. Zunehmend gefragt sind aber auch digitale Tools für Revamping (Überarbeitung) und Wartung von Maschinen. Hinzu kommen innovative Anwendungen in der Gesundheits- und Energiewirtschaft sowie in Italiens Domänen Mode, Tourismus, Food und Beauty ("Italian Lifestyle"). Die Zahl der Scale-ups verharrt seit längerem bei rund 250, ein im internationalen Vergleich niedriger Wert. Unicorns kann Italien derzeit keine aufweisen. In der Vergangenheit gab es aber einige, zum Beispiel die Online-Modeplattformen Yoox und Depop, die beide die 1 Milliarde-Wertgrenze überschritten haben.

    Eine Eigenheit Italiens ist es, dass viele Start-ups statt von jüngeren Entrepreneuren eher von erfahrenden Managern und Unternehmern gegründet werden. Jüngere zieht es oft ins Ausland, wo die Rahmenbedingungen agiler und die Finanzierungsmöglichkeiten für disruptive Geschäftsmodelle oft reichhaltiger sind. 

    Epizentrum Lombardei

    Gründungshochburg ist die Region Lombardei mit rund 27 Prozent der Start-ups, insgesamt sind es dort 3.755. Davon befinden sich rund 18,8 Prozent in der Provinz Mailand. Eine lebhafte Start-up-Szene beherbergen aber auch Brescia und Bergamo. Auf dem zweiten Platz der Regionen liegt das Latium mit 11,6 Prozent (davon Rom: 10,9 Prozent), gefolgt von Kampanien mit 8,9 Prozent (davon 4,5 Prozent Neapel). Auf den weiteren Plätzen rangieren Venetien (Padua, Verona, Treviso), die Emilia-Romagna (Bologna) und das Piemont (Turin). Die höchste Dichte, also die Zahl von Start-ups bezogen auf alle neu gegründeten Unternehmen, zeigen Trient (Autonome Provinz Trentino), Mailand, Pordenone (Friaul-Julisch-Venetien), Bologna und Ascoli Piceno (Marken).

    Italien verfügte 2020 laut Social Innovation Monitor über 212 Inkubatoren/Akzeleratoren, davon 57 Prozent im Norden des Landes. Rund ein Viertel befindet sich in der Lombardei, 13 Prozent in der Emilia-Romagna und 9 Prozent im Latium. Mit dem PoliHub in Mailand und I3P in Turin sind darunter zwei international preisgekrönte Top-Inkubatoren. Mailands neuer Innovationsdistrikt MIND wird auch der erste Sitz des Berkeley Skydeck Europe sein. 


    Auswahl an Inkubatoren in Italien

    Name

    Fokus

    Anmerkungen

    Polihub

    Hightech, Informations- und Kommunikationstechnologie

    Politecnico Mailand

    I3P

     Hightech

    Politecnico Turin

    Innovation Factory

    Hightech

    Triest

    Vega Park

    Nanotechnologie, grüne Wirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnologie

    Venedig

    IDM 

    Technologie, Lebensmittel, Umwelt

    Südtirol

    COMONext

    Innovation hub

    Lomazzo (Como)

    Nanabianca

    Mode, Lifestyle, Tourismus

    Florenz

    It's Startup

    Equity-Free Mentoring

    Brianza

    Innovami

    Industrieautomation, Elektronik, Umwelt, Telekommunikation, Energie- und Informationstechnik

    Imola (Bologna)

    Polo Tecnologico

    Informations- und Kommunikationstechnologie, Mikroelektronik, Biomedizin, Robotik, Energie und Umwelt und Dienstleistungen

    Pisa

    The Hive

    Innovation Hub

    Pescara

    Quelle: Pressemeldungen

    Auswahl an Acceleratoren in Italien

    Name

    Fokus

    Anmerkungen

    Luissenlabs

    Informations- und Kommunikationstechnologie

    Rom/Mailand

    PICampus

    Artifical Intelligence-applied Start-ups

     Rom

    Bravo Innovation Hub

    Agrifood Accelerator von Invitalua

    Sitz in Brindisi für innovative Unternehmen im Süden

    Motor Valley Accelerator

    Automobilsektor

    Modena

    H-Farm

    Lang-Tech, AI, Innovation Hub

    Treviso

    Seed-Up

    Pre-Accelerator Kreislaufwirtschaft

    Neapel

    Fashion Technology Accelerator

    Mode

    Mailand

    Digital-Hub

    Entwicklung von Geschäftsfähigkeiten 

    Pisa

    NaStartup

    Sharing Economy 

    Neapel

    The Qube

    Informations- und Kommunikationstechnologie, Finanzwesen

    Lecce

    Climate-Kic-Italia

    Klimaschutz

    Bologna

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Der italienische Start-up-Verband InnovUp führt zwei Mal im Jahr einen Start-up-Summit durch. In den Jahren 2019 und 2021 fand in Turin die Italian Tech Week statt, an der auch Elon Musk als Speaker teilnahm. Im Jahr 2022 stehen zudem die Smart City Now Conference and Expo (21.-22. Juni) und die Milano Digital Week an.  

    Umfeld wird schrittweise dynamischer

    Als Hürden gelten in Italien das noch vergleichsweise geringe Angebot von Venture Capital, die Bürokratie sowie Misstrauen vieler Akteure gegenüber Open Innovation und Disruption. Das traditionelle, von engen persönlichen Beziehungen und eher von Vorsicht als von Euphorie geprägte Umfeld ist für junge agile Firmen kein ganz einfacher Nährboden.

    Zwar steigt der Umfang der Investitionen in Start-ups deutlich, in absoluten Zahlen liegt Italien aber in Europa nicht nur hinter dem Vereinigten Königreich, Deutschland und Frankreich, sondern auch hinter dem südeuropäischen Nachbarn Spanien zurück. Venture Capital-Fonds sind in Italien extrem wählerisch, auch kommt es erst nach und nach zu einer Spezialisierung.

    Außerdem bremst die Bürokratie die Entwicklung. Um Investitionen in allen Phasen künftig zu vereinfachen, hat Italien mit der Harmonisierung der Dokumentation an internationale Standards begonnen. Hier war das Land gegenüber reiferen Märkten bislang im Hintertreffen,  Dokumentationen mussten jedes Mal aufwendig neu produziert werden.

    Bei Open Innovation ist laut Experten in Italien noch die "jeder gegen jeden"-Einstellung recht tief verankert. Ein positives Beispiel setzen hier aber global agierende Konzerne wie Enel sowie weitere Konzerne aus den Bereichen Energie, Utilities, Öl und Gas, Finanzen und Banking sowie Automotive. 

    Fintech und Life Sciences wachsen schnell

    Laut der offiziellen Bestandsaufnahme des Wirtschaftsministeriums sind drei Viertel der Start-ups im Bereich Unternehmensdienstleistungen tätig, unter anderem bei Software, IT-Beratung, Forschung und Entwicklung. Das meiste Venture Capital erhielten 2020 laut Venture Capital Barometer der Beratungsfirma EY Start-ups und Scale-ups aus den Bereichen Fintech/Insurtech (40 Prozent), Health und Life Sciences (18 Prozent), Food and Beverage (12 Prozent), Software & Digital Services (10 Prozent) sowie Transport und Delivery (8 Prozent). Im Jahr 2020 floss der größte Anteil des nationalen und internationalen Risikokapitals an die Fintechs Satispay und Aidexa, das Lebensmittel-Onlineshopping-Portal Cortilia, das Biotech-Start-up Enthera und an den Lieferdienst Milkman.

    Der größte Deal 2021 war der Exit von Depop, in dessen Rahmen der US-amerikanische E-Commerce-Riese Etsy die italienische E-Commerce-Plattform für Design- und Mode-Unikate für 1,6 Milliarden Euro übernommen hat. Nationales und internationales Venture Capital ging 2021 zudem an das Proptech-Start-up Casavo, die Bezahlplattform ScalaPay, das Atomreaktor-Start-up Newcleo, die Supermarkt-Einkaufs-App Everly, den Online-Weinhändler Tannico, das Co-Living Unternehmen DoveVivo, den Online-Autohändler und -vermieter BrumBrum sowie an das das MedTech-Start-up Greenbone.


    Top Start-ups in Italien
    Name

    Kapitalbeschaffung  in Mio. Euro

    Branche

    ScalaPay

    155

    Bietet eine innovative Finanzierungsmethode in Raten ohne Zinsen

    NewCleo

    118

    Nuklearenergie

    Everli

    100

    Marketplace-Online-Einkaufen

    BrumBrum

    65

    Erste italienische E-Commerce-Plattform für gebrauchte Autos und Langzeitmieten

    Casavo

    50

    Immobilien

    Cortilia 

    34

    Online-Einkauf

    Tannico

    32

    Online-Weinverkauf

    DoveVivo

    30

    Immobilien

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Mehr Geld im Spiel

    Die Geldquellen für Start-ups in Italien sprudelten 2021 stärker als in den Vorjahren. Die Regierung pumpt Wagniskapital in den Markt, die Fonds spezialisieren sich. 

    Mit rund 1,4 Milliarden Euro stieg die Start-up-Finanzierung in Italien im Jahr 2021 auf einen neuen Rekordwert, auch wenn Italien diesbezüglich weiter hinter anderen größeren europäischen Ländern zurückliegt. Die staatliche Förderbank Cdp investiert mit zunehmenden Beträgen in Start-ups, Fonds und in das Ökosystem. Laut Experten fehlt es aber noch insbesondere an schlagkräftigen Scale-up-Finanzierungen. 

    Zinslose Darlehen für den Start

    Ein Stepstone für junge Start-up-Vorhaben in Italien ist das Smart & Start-Programm, das die Investitionsförderagentur Invitalia im Auftrag des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung durchführt. Über Smart & Start können Start-ups zinsfreie Darlehen zwischen 100.000 und 1,5 Millionen Euro erhalten und damit sowohl bis zu 80 Prozent ihrer Investitionen als auch ihre Betriebskosten finanzieren. Für Start-ups im Süden des Landes sowie von Frauen oder Gründern unter 35 Jahren geführten liegt dieser Prozentsatz sogar bei 90 Prozent.

    Über Crowdfunding flossen 2021 in Italien in 164 Kampagnen auf 54 Plattformen insgesamt 108 Millionen Euro in Start-ups. Im Vergleich zu 2020 stieg der Anteil von Kampagnen, die ihr Ziel erreichten, deutlich auf rund 90 Prozent. Wichtigste Plattformen sind Mamacrowd, Opstart, Crowdfundme und Backtowork24. Opstart bietet dabei neben Equity Crowdfunding auch Debt und Lending Crowdfunding-Instrumente an. 

    Business Angels haben sich in Italien in den drei Verbänden Italian Business Angels Network, Italian Angels for Growth und Club degli Investitori organisiert. 

    Mehr Wagniskapital

    Ein spürbarer Fortschritt beim Thema Wagniskapital ist seit der Gründung der Cdp Venture Capital im Jahr 2019 festzustellen. Cdp Venture Capital gehört zu 70 Prozent der staatlichen Förderbank cdp und zu 30 Prozent Invitalia. Cdp investiert über mittlerweile neun Fonds direkt und indirekt in innovative Technologieunternehmen sowie in Venture Capital-Fonds und das dazugehörige Ökosystem. Anfang 2022 stockte die italienische Regierung die Mittel für Cdp Venture Capital um rund 2,5 Milliarden Euro auf. 

    Cdp Venture Capital fördert Start-ups in unterschiedlichen Phasen: Von der Pre-Seed-Phase (Boost Innovation-Fund), über die Seed- und Early-Stage-Phase (Accelerator Fund) bis hin zu Start-ups, deren Geschäftsmodell sich auf dem Markt bewiesen hat (C Round) und die sich in einer fortgeschrittenen Phase der technischen Entwicklung befinden (Evolution Fund). Mit dem Relaunch Start-up Fund engagiert sich Cdp bei jungen Unternehmen, die gerade aus einer Finanzierungsrunde herauskommen, für das Scale-Up steht der Corporate Partner Fund.

    Zudem investiert Cdp in Innovationshubs, in Forschungs- und Entwicklungszentren sowie in Venture Capital-Fonds, die sich auf solche spezialisiert haben. Beispiele aus dem Portfolio von Cdp Venture Capital sind die Start-ups Innovheart (Medizintechnik), 2Hire (digital Mobility), WeSchool (EdTech) und Sardex (Fintech). 

    Private Risikokapitalfonds werden aktiver

    Eine zunehmende Zahl von Venture Capital-Fonds bieten Start-ups eine erste Finanzierung, oft begleitet durch Tutoren, Zugang zum Kontaktnetzwerk, Büroräume und Inkubator- oder Accelerator-Programme. 

    Zu den aktivsten privaten Venture Capital-Fonds in Italien gehören P101, Innogest, Vertis, United Ventures, LVenture Group und 360 Capital. P101 aus Mailand investiert im Durchschnitt 1 Million bis 10 Millionen Euro in die Early Stage digitaler, skalierbarer Start-ups, zum Beispiel in Casavo (PropTech) und Musement (Tourismus). 360 Capital investiert in der Seed-Phase im Durchschnitt 150.000 bis 2 Millionen Euro und in der A/B-Phase zwischen 2 Millionen und 10 Millionen Euro in Start-ups der Bereiche Deeptech, Robotik, Business Process Automation, Massenkonsumgüterdistruption.

    Frühere Investitionen gingen unter anderem an Italiens ehemalige Unicorns Yoox (Online-Mode) und Eataly (Food). Vertis aus Neapel investiert unter anderem in Scale-ups und in Start-ups mit Aktivitäten in Süditalien. LVenture Group aus Rom hat nach eigenen Angaben bisher 99 Millionen Euro in Start-ups investiert. Der Fokus liegt auf der Seed- und Post-Seed-Phase digitaler, global skalierbarer Hightech-Firmen. 

    Zu beobachten ist eine zunehmende Spezialisierung der Fonds, sodass Start-ups auch in vermeintlichen Nischen nicht mehr nur im Ausland nach Kapital suchen müssen. Beispiele sind der SpaceTech-Venture Capital-Fonds von Primo Miglio der MadTech-Fonds von Blacksheep oder der Seed-Fonds von Prana Ventures. 

    Industrieunternehmen fördern Start-ups

    Zudem legen Industriekonzerne Open Innovation-Programme und Corporate Venture Capital-Fonds auf, mit denen sie zielgerichtet Innovationen durch Start-ups für selbst benötigtes Industrie-Knowhow fördern. Am aktivsten sind hier Energie- und Mischkonzerne, Versicherungen, Immobilienfirmen sowie Unternehmen aus den Sparten Nahrungsmittel, Automotive, Media, Telekommunikation, Handel und Luftfahrt. Eigene Corporate Venture Fonds haben unter anderem der Versorger a2a (Energiewende, Kreislaufwirtschaft, Smart City), der Telekommunikationsanbieter TIM (5G, Cybersecurity, IoT, Data & Analytics) und der Metallverarbeiter CLN (New Materials, Automotive, Robotik, Cleantech). Auch mittelständische Unternehmen fördern Start-ups, um sich Innovationen ins Haus zu holen. 

    Die Deutsch-Italienische Handelskammer Mailand veranstaltet jährlich den Wettbewerb Business meets Innovation, in denen Start-ups Lösungen für vorformulierte Aufgabenstellungen von Industrieunternehmen entwickeln. Pitch-Wettbewerbe finden auch regelmäßig im Rahmen von Events statt. Beispiels sind der Italian Space Start-up Competition, der Start-up Italia Open Summit, Plug and Play Italy oder das Web Marketing Festival. 

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkung

    Smart&Start

    Gründerprogramm der Regierung

    cdp Venture Capital

    Venture Capital-Gesellschaft der Nationalen Förderbank

    Business meets Innovation

    Pitch-Wettbewerb der AHK Mailand

    Italia Startup Visa

    Informationen zu rechtlichen Grundlagen, Gründungsprozessen und Ökosystem

    Camera di Commercio Italiana

    Start-up Datenbank der italienischen Handelskammer

    InnovUp

    Start-up-Verband InnovUp (vormals Startup Italia)

    Italian Angels for Growth

    Business Angel-Vereinigung

    Club degli investitori

    Business Angel-Vereinigung

    Mamacrowd

    Größte Crowdfunding-Plattform Italiens

    Italian Tech Alliance

    Start-up-Verband und -netzwerk Italian Tech Alliance (vormals VC Hub Italia)

    Von Oliver Döhne | Mailand

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