Branchen | Japan | Textilien und Bekleidung
Modebranche setzt auf mehr Nachhaltigkeit
Japan profiliert sich in der Textilproduktion und im Modedesign. Die Bekleidung wird aber anderswo gefertigt. Dabei geraten nachhaltige Faktoren zunehmend in den Fokus.
16.02.2023
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Über die Laufstege in Japan laufen immer mehr Modells mit nachhaltiger Mode. Kleidungsstücke mit geringerer Umweltbelastung, recycelte Textilien und Upcycling sind im Kommen. Das gilt sowohl im Fast-Fashion- als auch im Street-Fashion-Segment. Konsumierende sind inzwischen bereit, für innovative und umweltfreundliche Kleidung mehr Geld auszugeben. Tendenziell geht das Volumen an verkaufter Bekleidung in Japan zurück. Da die Stückpreise steigen, sinkt der Umsatz jedoch nicht in gleicher Weise.
Japans Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung und Accessoires hat laut Statistik des Wirtschaftsministeriums zwischen 2019 und 2021 auf Yen-Basis um mehr als ein Fünftel an Umsatz eingebüßt. Hier hat sich die Coronapandemie niedergeschlagen. Die Branche wird sich nur langsam davon erholen. Da Japans Bevölkerung altert und zahlenmäßig schrumpft, setzt das der Bekleidungsindustrie auf dem Archipel Wachstumsgrenzen.
2019 | 2020 | 2021 | |
---|---|---|---|
In Milliarden Yen | 10.988 | 8.638 | 8.610 |
In Milliarden US$ | 100,8 | 80,7 | 78,3 |
Yen/US$-Wechselkurs | 109 | 107 | 110 |
Nachfrage wandelt sich
Angestoßen durch die Coronapandemie ist der Bedarf an formeller Kleidung, also für das Büro oder Feierlichkeiten, gesunken. Hingegen steigt die Nachfrage nach legerer Geschäfts- wie auch Freizeitkleidung. Zudem legt das Bewusstsein für nachhaltigere Produkte zu. Darüber hinaus kaufen Kunden vermehrt nur noch Kleidung, die sie wirklich benötigen.
Nicht zuletzt nimmt das Recycling und Reusing von Kleidung zu. Laut Umweltministerium landeten 2020 von der Kleidung, die Haushalte ausmusterten, circa 35 Prozent im Recycling (15,6) und in der Wiedernutzung (19,6). Die restlichen Altkleider enden in Müllverbrennungsanlagen. Um den Kreislaufgedanken voranzubringen, stellen immer mehr Bekleidungsgeschäfte Sammelboxen für Altkleider auf. Seit August 2021 existiert mit der Japan Sustainable Fashion Alliance eine Brancheninitiative zur Nachhaltigkeit. Im Dezember 2022 hat auch die Convenience-Kette Lawson angekündigt, in das Bekleidungsrecycling einzusteigen.
Japan will Textilbranche stärken
In den vergangenen Jahren zeigte sich der Luxusmarkenbereich robust. Der Markt für Fast Fashion legte am deutlichsten zu, so eine Analyse der Berater von Roland Berger zur Entwicklung im Bekleidungsmarkt von August 2022. Im Mittelpreissegment sind die Street Fashion und die unabhängigen Labels zusammengefasst. Gerade in der Street Fashion sind japanische Marken und Designer stark vertreten. Japan will diesen Bereich fördern, damit die einheimische Textil- und Bekleidungsindustrie eine Überlebenschance hat.
Zusammen mit Branchenfirmen hat das Wirtschaftsministerium im Mai 2022 die "Textile Industry´s Vision for 2030" veröffentlicht. Diese setzt bei Stil, Materialien und den Technologien auf eine Kombination von traditioneller Handwerkskunst und Innovationen. Auch wenn vieles automatisiert ist, ist die Textil- und Bekleidungsbranche immer noch arbeitsintensiv. Einige japanische Hersteller bleiben, der Philosophie des "Monozukuri" getreu, ihrer Tradition handwerklicher erzeugter Waren verbunden.
Jeans Made in Japan
Dazu gehört etwa der japanische Denimproduzent Kaihara. Die seit 1893 existierende Firma ist ein prominentes Beispiel für die Anpassung an eine wechselnde Kundennachfrage. Um überleben zu können, änderte das Unternehmen in den 1970er Jahren sein Produktportfolio weg von der Textilerzeugung für Kimonos hin zu Denimstoffen. Heute hält Kaihara bei Jeansstoffen in Japan einen Marktanteil von über 50 Prozent und ist ein international gefragter Lieferant.
Gleichbleibend hohe Qualität und Zuverlässigkeit seien zwei der Faktoren dafür, dass Kaihara viele große internationale Unternehmen, wie Levis oder Uniqlo zu seinen Kunden zählt, betont der Unternehmenschef Mamoru Kaihara. Hinzu kommt, dass Kaihara jedes Jahr eine Vielzahl neuer Textilien auf den Markt bringt. Sie sind Eigenentwicklungen oder resultieren aus der Zusammenarbeit mit den Kunden.
Tradition und Innovation mischen
Den Kern der Produktion bilden noch heute eigenentwickelte Färbetechnologien und Webmaschinen, die Kaihara zum Teil vor 60 Jahren vom Textilmaschinenhersteller Toyoda gekauft hat. Beide sorgen für die speziellen Textilien, die das Unternehmen als sein Markenzeichen sieht. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, kombiniert Kaihara alte mit moderner Ausrüstung. Dazu zählen automatisierte Spinnmaschinen, die aus Deutschland kommen. Zudem erweiterte das Unternehmen 2014 seine Kapazität durch ein Produktionswerk in Thailand.
Da die Produktion von Textilien und Bekleidung in Japan kostenmäßig kaum mit Niedriglohnländern mithalten kann, haben viele Branchenunternehmen bereits früh ihre Erzeugung ganz ins Ausland verlagert. Kaihara will hingegen seine vier japanischen Standorte halten. Hier sind gegenwärtig 680 Mitarbeiter beschäftigt. In Thailand arbeiten weitere 350 Personen. Dabei setzt Unternehmenschef Kaihara auch auf Nachhaltigkeit.
Diese Strategie trägt dazu bei, dass die Preise für Materialien zulegen. Zudem hat die Textil- und Bekleidungsindustrie, wie andere verarbeitende Branchen auch, mit im Jahr 2022 stark gestiegenen Material- und Energiepreisen zu kämpfen. Während die Stückpreise bei Bekleidung in Japan vor der Coronapandemie über Jahre hinweg nachgaben, werden sie nun eher steigen.
Einfuhranteil bei Bekleidung sehr hoch
Zusätzlich treiben die Importkosten die Preise in Japan in die Höhe, da die Landeswährung Yen im Verlauf des Jahres 2022 deutlich an Wert verloren hat. Das betrifft etwa Baumwolle, Färbemittel und Garne. Die Preissteigerungen bekommen sowohl die Produzenten als auch die Konsumenten zu spüren. Immerhin werden mehr als 97 Prozent der Textilien und Bekleidung laut Japan Textiles Importers Association importiert.
Der weit überwiegende Teil der japanischen Einfuhren von Bekleidung kommt von asiatischen Produktionsstandorten. Japanische Anbieter haben ihre Erzeugung dorthin verlagert oder sie an Auftragsfertiger ausgelagert. Im Luxusmarkensegment sind mit deutlich kleineren Anteilen auch europäische und US-amerikanische Lieferungen zu verzeichnen. Aus Europa liefert vor allem Italien.