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Special | Zentralasien | Konnektivität

Eurasische Korridore: Backup des Europa-Asien-Handels

Der Landweg zwischen Europa und Asien ist eine wichtige Alternative zum Seehandel. Die Routen sind bei Krisen wie am Roten Meer nachgefragt, haben aber begrenzte Kapazitäten.

Von Edda Schlager | Berlin

Bei der Blockade von Seewegen profitiert die Bahn. Diese Regel des Logistikgeschäfts befeuert die Entwicklung der Transportwege über den eurasischen Kontinent. Der nördliche Landkorridor, der aus China über Russland, teils auch über Kasachstan nach Europa führt, ist – neben dem intermodalen Mittleren (transkaspischen) und dem südlichen Landkorridor – eine von drei möglichen Alternativen zum Schiffsverkehr zwischen Asien und Europa.

Seit den Angriffen auf Handelsschiffe im Roten Meer Ende 2023 gewinnt vor allem der nördliche Korridor für den Gütertransit zwischen Europa und China durch Russland wieder an Attraktivität – und das, obwohl die Route seit dem Ukrainekrieg von europäischen Logistikern weniger genutzt wurde. 

Nördlicher Korridor: Etablierte und gefragte, aber politisch problematische Route

Um rund 25 bis 40 Prozent ist die Nachfrage für Europa-Asien-Transporte per Bahn laut europäischen Logistikunternehmen wie DHL und der niederländischen Rail Bridge Cargo im 1. Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen: Zu Land sind Güter zwischen Europa und Asien in nur zwei Wochen am Ziel. Containerschiffe brauchen dagegen schon ohne Krisen an vulnerablen Meerengen rund 32 bis 45 Tage, bei der Umfahrung des Kaps der Guten Hoffnung sogar bis zu 55 Tage. 

Von 2018 bis 2021 verdoppelte sich der Containertransit zwischen China und Europa über Russland, anfangs stark subventioniert von China - doch die Strecke wurde international angenommen. Das liegt zum einen daran, dass die UTLC Eurasian Rail Alliance, ein Joint Venture der staatlichen Eisenbahnunternehmen von Russland, Kasachstan und Belarus, die Logistikprozessen auf der Strecke optimierte. Das Unternehmen wickelt 95 Prozent des Güterverkehrs zwischen China und Europa ab. Zum anderen sorgte die Coronapandemie für erhebliche Einschränkungen im Seeverkehr, sodass der Landweg zum wichtigen Backup für den Asien-Europa-Handel wurde. 

Der Ukrainekrieg und die Sanktionen ließen den Containertransit durch Russland seit 2022 stagnieren. Dagegen stieg jedoch der direkte Warenaustausch per Eisenbahngüterverkehr zwischen China und Russland. 

 

2023 wurden insgesamt rund 1,9 Millionen Zwanzig-Fuß-Containereinheiten (TEU) per Bahn auf dem nördlichen Korridor transportiert. Dies umfasst sowohl den China-Europa-Handel, der Russland im Transit passiert, als auch den direkten China-Russland-Handel. Diese Gütermenge betrug rund ein Achtel der im selben Jahr per Schiff zwischen China und Europa versandten rund 16 Millionen TEU (Container Trades Statistics, CTS). 

Grundsätzlich bleibt das Geschäft auf dem nördlichen Korridor volatil, vor allem weil die Sanktionen der EU gegen Russland weiter ausgeweitet werden und deutsche Unternehmen die Route deshalb meiden. 

Mittlerer Korridor: Regionale Alternative mit Potenzial

Eine deutlich kleinere Rolle spielt der Mittlere oder transkaspische Korridor, über Kasachstan, Kaspisches Meer, Südkaukasus und Schwarzes Meer. Wurden 2023 durch Russland rund 674.000 TEU im Transit zwischen Asien und Europa transportiert, waren es auf dem Mittleren Korridor mit 20.500 TEU nur etwa 3 Prozent des Frachtaufkommens auf dem Nordkorridor. Laut dem Dachverband Trans-Caspian International Transport Route (TITR) liegt die Kapazität des Mittleren Korridors bei 80.000 TEU pro Jahr und wird derzeit erweitert.

Einer Studie, die im Rahmen der EU-Konnektivitätsinitiative Global Gateway von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erstellt wurde, zufolge könnte das Transitvolumen des Mittleren Korridors bis 2040 auf 130.000 TEU ansteigen. Die EU unterstützt die zentralasiatischen Länder dabei mit rund 10 Milliarden Euro

Fragile Sicherheitslage im Schwarzen Meer 

Das Schwarze Meer mit seinen Häfen Poti und Constanta, in Zukunft auch dem Tiefseehafen Anaklia, ist ein wichtiger Bestandteil des Mittleren Korridors. Optimierte Prozesse zwischen Bahn und Schiff und größere Kapazitäten der Häfen könnten die Transportzeiten künftig verkürzen. Doch der Ukrainekrieg birgt auch hier Gefahren. Das Projekt Neptun Deep, mit dem Rumänien der größte Erdgasproduzent der EU werden will, und das noch zu entwickelnde bulgarische Gasfeld Khan Asaparuh, sind potenzielle Angriffsziele Russlands. Sollte Russland die ukrainische Schlangeninsel erobern, könnte es die Erschließung der südosteuropäischen Gasfelder, aber auch den Schiffsverkehr auf dem Schwarzen Meer und auf der Donau stören. Selbst ohne direkte Angriffe könnte Russland Konzessionen von Anrainern des Mittleren Korridors fordern, die dessen Entwicklung hemmen.

Doch bisher gilt der Mittlere Korridor als zu vernachlässigende Option für den Europa-Asien-Handel. Theoretisch möglich sind Transportzeiten von 13 bis 23 Tagen. Doch die Liste der Hemmnisse, die die Frachtlaufzeit nicht selten auf bis zu 60 Tage verlängern, ist lang: Intermodalität, lange Umschlagzeiten in den Häfen Aktau, Baku und Poti, geringe Kapazitäten der Kaspischen und der Schwarzmeer-Handelsflotte, nicht aufeinander abgestimmte Zollverfahren sowie weitere Handelshemmnisse. Obwohl die Route genutzt werden könnte, um Russland zu umfahren, ist sie deshalb bisher wenig populär

China zeigt sich zunehmend interessiert am Mittleren Korridor 

Auch China hatte zunächst wenig Interesse am Mittleren Korridor. Doch im Mai 2024 erhielt ein chinesisches Konsortium aus der China Communications Construction Company und der Singapurischen China Harbour Investment den Zuschlag für den Ausbau des Tiefseehafens Anaklia an der georgischen Schwarzmeerküste. Die erste Phase des Projekts sieht eine Investition von 600 Millionen US$ vor. Bei einem solchen Engagement könnte das Interesse Chinas steigen, den Mittleren Korridor stärker zu entwickeln.

Auch der Ausbau der Handelsbeziehungen zwischen Zentralasien und dem ASEAN-Raum spricht dafür. Hier könnte China künftig stärker als Transitland in Erscheinung treten, das den Mittleren Korridor mit dem ASEAN-China-Korridor in Richtung Südostasien verbindet.

Südlicher Korridor: Anbindung Südasiens an die eurasischen Korridore

Für westliche Länder ist der südliche eurasische Korridor, der von der tadschikisch-chinesischen Grenze über Zentralasien und Iran in Richtung Türkei verläuft, wegen internationaler Sanktionen gegen Iran derzeit keine Option. Doch die Türkei nutzt die Umfahrung des Kaspischen Meeres bereits, zumeist per Lkw. 

Trotz der sich derzeit eher zuspitzenden geopolitischen Lage im Nahen Osten könnte Iran künftig mehrere Transportrouten miteinander verbinden. Denn durch den Ausbau neuer Indien-Europa-Korridore würden die eurasischen Landwege eine Anbindung an Südasien und die arabischen Länder erhalten. Dies würde die internationalen Optionen für die Umfahrung des Roten Meeres zu Land noch einmal deutlich verbessern, auch wenn deutsche Unternehmen diese Route aufgrund der Iran-Sanktionen derzeit nicht direkt nutzen können.

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