Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branche kompakt | Kenia | Abfallwirtschaft

Müllentsorgung und Recycling gewinnen in Kenia an Bedeutung

Aufgrund zunehmender Umweltprobleme werden Investitionen im Bereich der Abfallentsorgung dringender. Die Regierung Kenias hofft auch auf private Investitionen.

Von Carsten Ehlers | Nairobi

  • Marktchancen

    Das steigende Abfallvolumen führt zu Umweltproblemen. 

    USA planen Müllexport nach Kenia

    Der kenianische Abfallsektor steht vor großen Herausforderungen. Unter anderem durch den Bevölkerungszuwachs von etwa 1,2 Millionen Menschen pro Jahr sowie die zunehmende Verwendung von Kunststoffverpackungen steigt das Abfallvolumen zügig. Die heimische Müllentsorgung ist damit völlig überfordert. In den Städten funktioniert die Müllabfuhr gerade in den ärmeren Stadtvierteln nur eingeschränkt. Die Mülldeponien sind überfüllt und zum Teil nicht gesichert, sodass toxische Flüssigkeiten ins Grundwasser fließen.

    Eine Herausforderung könnten mögliche Lieferungen von Plastikmüll aus den USA im Umfang von jährlich 500 Millionen Tonnen darstellen. Darüber wird gerade zwischen beiden Ländern im Rahmen der Verhandlungen über ein bilaterales Freihandelsabkommen gesprochen. Im Gegenzug stellt die durch das American Chemistry Council (ACC) vertretene US-Ölindustrie Investitionen im Bereich Recycling in Kenia in Aussicht. In der kenianischen Bevölkerung steigt indes die Sorge, dass der US-Plastikmüll das Müllproblem verschärfen könnte. Unklar ist derzeit, ob die neue US-Regierung unter Präsident Joe Biden das Thema „Müllexport“ weiter verfolgt.

    Nairobi soll eine Müllverbrennungsanlage erhalten

    Eine Zuspitzung des Müllproblems zeichnet sich ab, mit schwerwiegenden Folgen für die Umwelt. Dadurch ist auch die Wirtschaft betroffen, wenn man daran denkt, welche Schäden dem für das Land wichtigen Tourismus durch eine kaputte Umwelt zugefügt werden. Der Investitionsbedarf ist immens. Weil dem Staat das Geld fehlt, hofft er auf privates Engagement. Benötigt werden neben Ausrüstungen, technischer Beratung und finanzieller Lösungen auch unternehmerisches Engagement. 

    Für Entlastung in der 4,4-Millionen-Einwohner-Stadt Nairobi, wo die Dandora-Mülldeponie völlig überfüllt ist, soll eine geplante Müllverbrennungsanlage sorgen. Die Anlage soll vom Stromversorger KenGen betrieben werden und eine maximale Stromerzeugungskapazität von 40 MW erhalten. Die Müllaufnahmekapazität der Anlage soll bei 3.500 Tonnen pro Tag liegen. Das wäre mehr als die gegenwärtig anfallende Müllmenge in Nairobi, die bei etwa 3.000 Tonnen täglich liegt. Anfang des Jahres 2021 hat Nairobi Metropolitan Services (NMS) den Zuschlag für die Machbarkeitsstudie an die französische Seureca Veolia vergeben.

    Waste-to-Energy-Anlagen könnten Slums entlasten

    Geplant wird zudem die 10-MW-Waste-to-Energy (WTE)-Anlage im Slum Kibera bei Nairobi. An dem von der privaten Asticom initiierten Vorhaben sind die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) und der Sustainable Energy Fund for Africa (SEFA) finanziell beteiligt. Gleichwohl hat man zuletzt nur noch wenig über den Fortschritt des Projekts gehört. Bereits bei der Müllsortierung soll das „3R-Projekt" (Reduction, Reuse und Recycling) in Nairobi ansetzen. Im Rahmen des seit Jahren diskutierten und von der International Development Association (IDA) unterstützten staatlichen Projekts sollen in verschiedenen Subzentren Nairobis neun Kompostieranlagen gebaut werden. Dort soll ein Großteil des organischen Mülls aussortiert und verwertet werden, bevor der Rest nach Dandora geliefert wird.

    Daneben bauen Städte und Counties ihre Abfallentsorgung mit Geberhilfe aus. Die drittgrößte Stadt Kisumu führt zusammen mit der französischen Entwicklungsagentur Agence Francaise de Développement (AFD) das „Kisumu Urban Project (KUP)“ durch, in dessen Rahmen auch Projekte im Bereich der Abfallentsorgung fallen. Auch das nördlich von Nairobi gelegene und schnell wachsende County Kiambu investiert in seine Abfallentsorgung im Rahmen des Projekts „Waste Wise Cities“. Partner dort sind die japanische Entwicklungsagentur Jica sowie UN Habitat.

    UN Habitat und die italienische Regierung sind im südlich an Nairobi angrenzenden County Kajiado engagiert. Dort soll im Rahmen des „Kajiado Integrated Sustainable Waste Management (KISWAM)“-Projekts der Rückbau der illegalen Abfallhalde in der Kleinstadt Ngong sowie der Bau einer Waste-to-Energy-Anlage für etwa 20 Millionen Euro durchgeführt werden.  

    Geber und Wirtschaft engagieren sich bei Waste-to-Energy und Recycling

    Von privater Seite kommt es vermehrt zu Aktivitäten in den Bereich „Waste-to-Energy“ und Recycling. Kommerziell sind derartige Projekte in Kenia jedoch nur schwer durchführbar, was unter anderem am bislang geringen Plastikmüllaufkommen liegt sowie an der aufwändigen Rückgewinnung einzelner Rohstoffe aus dem ungetrennten und sehr feuchten Gesamtmüll.

    Gleichwohl können einige Unternehmen erfolgreich agieren, auch weil es Unterstützung von Seiten der Geber und auch der lokalen Industrie gibt. So unterstützen Entwicklungsbanken wie die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), die Europäische Investitionsbank (EIB) und die zur Weltbank gehörende International Finance Corporation (IFC) private Investitionen, sofern deren Projekte als positiv für die Entwicklung des Landes erachtet werden.

    Industrie sieht Notwendigkeit bei PET-Recycling

    Auch die lokale Industrie und die Einzelhandelsketten unterstützen als Müllverurschacher Recycling-Projekte. Ende 2020 weihte der private Recycler Petco eine PET-Recyclinganlage ein mit Unterstützung der Konsumgüterproduzenten Coca Cola, Kevian, Unilever sowie der Supermarktkette Naivas. Auch der Industrieverband Kenya Association of Manufacturers (KAM) macht sich für Aktivitäten im Bereich Recycling stark. Die Recyclingrate von Plastik in Kenia wird auf etwa vier bis acht Prozent geschätzt, was in etwa 36.000 Tonnen Plastik pro Jahr entspricht.

    Bislang ist der Müllumfang in Kenia noch gering. Durchschnittlich verursacht jeder Kenianer 0,5 Kilogramm (kg) Abfall pro Tag. In Deutschland sind es etwa 2,7 kg. Bislang besteht der Großteil des Mülls aus organischem Abfall plus geringerer Mengen von Glas, Papier, Metall und Kunststoff. Der Anteil von Kunststoff wird grob auf neun bis 15 Prozent geschätzt. Etwa 68 Prozent des Abfalls kommt aus den Haushalten und etwa 14 Prozent aus der Industrie.

    Von Carsten Ehlers | Nairobi

  • Branchenstruktur

    Wichtigster Akteur in Kenias Abfallsektor ist immer noch der Staat. Counties wie Nairobi, Kajiado, Kiambu und Nakuru ragen bei Beschaffungen heraus.

    Nairobi Metropolitan Services (NMS) ist ein neuer Player bei Investitionen

    Das Ministry of Environment & Forestry ist für die politischen Leitlinien des Abfallsektors zuständig. Die National Environmental Management Authority (NEMA) vergibt Lizenzen für Unternehmen. Zudem koordiniert und überwacht die NEMA die Einhaltung der staatlichen Ziele, so gut sie das mit ihrer schwachen Ausstattung machen kann. Die praktische Durchführung des Abfallmanagements liegt in den Händen der 47 Counties. 

    Der größte staatliche Akteur im Abfallsektor ist die 2020 neu gegründete Behörde Nairobi Metropolitan Services (NMS), welche der Nationalregierung unterstellt ist. Weitere interessante staatliche Beschaffer im Abfallsektor sind die Counties Kisumu, Kiambu, Kajiado und Nakuru. Einen Teil der Dienstleistungen vergeben die Counties an Privatunternehmen, zum Beispiel den Abfalltransport. Das Management der Deponie wird mehr schlecht als recht von den Counties oder den Städten selbst gemanagt. Recycling wird fast ausschließlich von privaten Unternehmen durchgeführt, welche sich überwiegend in der Hauptstadt Nairobi sowie mit Abstrichen in der Hafenstadt Mombasa konzentrieren.

    Informelle Waste-Picker dominieren noch immer die Mülltrennung

    In der Regel wird in Kenia der in den Haushalten anfallende Abfall ungetrennt von der Müllabfuhr abgeholt und im besten Falle dann ordnungsgemäß auf die nächste Mülldeponie verbracht. Spätestens auf der Deponie kommen die „Waste-Picker“ ins Spiel. Das sind oft in informellen Kartellen organisierte Müllsammler, die unter schwersten gesundheitlichen Bedingungen Wertstoffe, wie Metall, Glas, Kunststoff oder Papier aus dem Müll ziehen. Um das Müllmanagement besser kontrollieren zu können, sind die Counties bestrebt, die Müllsortierung selbst zu übernehmen, bislang vergeblich.

    Die Waste-Picker verkaufen die Rohstoffe in der Regel an Weiterverarbeiter (Converter) im Recyclingbereich. Die Converter sind das zweite Kettenglied in der Recycling-Wertschöpfungskette. Sie verfügen unter Umständen über das Know-how und Anlagen, mit dem die Materialien gereinigt, gepresst oder geschreddert werden, um sie dann weiterverkaufen zu können. Bei einigen Rohstoffen ist der kenianische Markt zu klein für eine lokale Aufbereitung, sodass diese in aufbereiteter Form nach Übersee exportiert werden müssen.

    Weiter kein verlässlicher rechtlicher Rahmen

    Das Bekenntnis der Regierung zum Ausbau des Abfallsektors sowie der rechtliche Rahmen sind nur sehr vage formuliert. Die Regierung bezieht sich in der erstmals im Jahr 2008 formulierten „Vision 2030“ auf die Implementierung und Weiterentwicklung einer „National Solid Waste Management Strategy“. Darüber hinaus bezieht sie sich auf den Abfallsektor im National Climate Change Action Plan 2018, in der National Solid Waste Management Strategy (2015) und der Environment Policy (2013). Das für den Abfallsektor wichtigste Gesetz ist der Environmental Management and Coordination Act (EMCA, 2015).

    Wichtige Akteure im Abfallbereich

    Akteur

    Bereich

    Nairobi Metropolitan Services (NMS)

    Staatlicher Beschaffer   

    Kisumu County

    Staatlicher Beschaffer

    Mombasa County 

    Staatlicher Beschaffer

    Kiambu County

    Staatlicher Beschaffer

    Kajiado County

    Staatlicher Beschaffer

    Nakuru County

    Staatlicher Beschaffer

    Takataka Solutions 

    Abfalltransport, Recycling

    Asticom

    WET

    Trash-Thread-Textile (T3) 

    Recycler

    Petco 

    Recycler

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Von Carsten Ehlers | Nairobi

  • Rahmenbedingungen

    Bei staatlichen Projekten ist eine Geberbeteiligung oft von Vorteil. Local-Content spielt noch keine wichtige Rolle.

    Ausschreibungen ohne Geber führen mitunter zu Problemen

    Wer regelmäßig Geschäfte im kenianischen Abfallsektor machen möchte, der kommt an einer lokalen Präsenz kaum vorbei. Da die Kundenstruktur mit den vielen Counties und kleineren Recyclingunternehmen sehr feingliedrig ist, muss ein umfangreiches Netzwerk aufgebaut werden. Speziell die Geschäfte mit staatlichen Stellen können schwierig werden. Schlechte Zahlungsmoral und Compliance-Themen werden in diesem Zusammenhang häufig von Unternehmen genannt. Daher kann es sinnvoll sein, sich einen lokalen Vertriebspartner zu suchen, der die Kundenbetreuung übernimmt. 

    Pre-Shipment-Inspection wird von Unternehmen als Nadelöhr empfunden

    Lieferanten von technischen Ausrüstungen klagen darüber, dass die kürzlich eingeführten Inspektionen im Verschiffungshafen (Pre-Export Verification of Conformity - PVoC) Lieferungen teils drastisch verzögern und auch verteuern. Die PVoC werden von internationalen Dienstleistern wie Intertek und SGS durchgeführt, die von der kenianischen Standardbehörde KEBS beauftragt wurden. Die Abwicklung im Hafen von Mombasa beziehungsweise im Trockenhafen von Nairobi wird als gut organisiert, zügig und verlässlich bezeichnet.

    Strenge Local-Content-Regeln, nach denen Auslandsinvestoren lokale Anteilseigner mit ins Boot holen müssen, bestehen in Kenia nur in wenigen Bereichen, wie dem Bankensektor. Damit verfährt Kenia bei Local-Content deutlich zurückhaltender als andere afrikanische Länder, wie zum Beispiel Tansania und Äthiopien.  

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Carsten Ehlers | Nairobi

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest 

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Delegation der Deutschen Wirtschaft in Kenia 

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    German RETech Partnership e.V.                       

    Netzwerk deutscher Unternehmen und Institutionen der Entsorgungs- und Recyclingbranche zur Exportförderung

    Ministry of Environment & Forestry

    Für den Abfallsektor zuständiges Ministerium

    National Environmental Management Authority (NEMA)

    Regulierungsbehörde für den Abfallsektor. Vergibt auch Lizenzen an Unternehmen. 

    Waste And Environment Management Association Of Kenya (WEMAK)

    Verband für Müllentsorger

    Kenya Association of Waste Recyclers (KAWR)

    Verband für Recycler

    Public Procurement Information Portal (PPIP)

    Zentrale Ausschreibungsplattform für staatliche Ausschreibungen

    Von Carsten Ehlers | Nairobi

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.