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Wirtschaftsumfeld | Kroatien | Arbeitskräfte

Fachkräfte

In Kroatien fehlen qualifizierte Arbeitskräfte. Das ist ein ernstes Problem für die Wirtschaft. Weiterbildungsmaßnahmen und zusätzliche Arbeitsmigration könnten Abhilfe schaffen.

Von Kirsten Grieß | Zagreb

In Kroatien ist die Arbeitslosenquote so niedrig wie schon lange nicht mehr: Ende Juni 2024 verzeichnete die kroatische Arbeitsverwaltung knapp 85.000 Arbeitslose, das entspricht einer Quote 4,7 Prozent. Im Gesamtjahr 2023 war die Quote laut Eurostat auf eine Langzeittief von 6,1 Prozent gesunken. 

Überdurchschnittlich stark sind ältere Kroaten von Arbeitslosigkeit betroffen: Jeder vierte Arbeitslose ist über 55 Jahre alt. Jugendarbeitslosigkeit ist in Kroatien weniger verbreitet. Regional unterschiedlich ist die Auslastung des Arbeitsmarkts: Am höchsten ist die Arbeitslosigkeit in Slawonien, im dalmatinischen Hinterland und in der Region südlich von Karlovac und Sisak. Die niedrigsten Arbeitslosenzahlen melden die Hauptstadt Zagreb, Istrien, der Verwaltungsbezirk Primorje-Gorski kotar sowie die nördlichen Regionen Varaždin und Međimurje. 

Kroatien im weltweiten Vergleich

Kroatien im weltweiten Vergleich

Folgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können.

 

Kroaten scheiden früh aus dem Berufsleben aus

Die Beschäftigtenquote lag 2023 für 15- bis 64-jährige Kroaten laut Eurostat bei 65,7 Prozent. Das sind knapp fünf Prozentpunkte weniger als im EU-Durchschnitt. In der Alterskohorte zwischen 55 und 64 war die Beschäftigungsquote mit 51,7 Prozent noch einmal deutlich geringer. Das gesetzliche Renteneintrittsalter beträgt 65 Jahre, der durchschnittliche Rentner geht laut kroatischem Rentenversicherungsamt (Stand Mai 2024) aber bereits mit 64 Jahren in den Ruhestand. Rund 25 Prozent der Kroaten lassen sich vorzeitig verrenten. Teilzeitbeschäftigungen sind eher unüblich, ihr Anteil lag 2023 bei insgesamt nur 3,7 Prozent. 

Deutsche Sprachkenntnisse sind verbreitet

Ein Großteil der Bevölkerung verfügt über gute Sprachkompetenzen. Eine Befragung aus dem Jahr 2022 ergab, dass nur 21 Prozent der Kroaten keine Fremdsprache beherrschten. Knapp 23 Prozent der Befragten gaben an, sogar zwei Fremdsprachen zu sprechen. Verbreitet sind vor allem Englisch und Deutsch. Viele Bewohner Dalmatiens sprechen Italienisch. Im jährlichen „World Talent Ranking“ des Schweizer Instituts IMD belegte Kroatien 2023 Platz 46 von 64 Ländern. Der Report bewertet, inwieweit Nationen Talente entwickeln, anziehen und halten. Die besten Werte erzielte Kroatien in der Kategorie zur Investition in Ausbildung und persönliche Entwicklung. 

Berufsbildung wird reformiert 

Das Niveau kroatischer technischer Hochschulen ist hoch. Gemessen am Marktbedarf sind Absolventen indes häufig überqualifiziert oder haben ihre Abschlüsse nicht in den gesuchten Disziplinen erworben. Unternehmensinterne Aus- und Weiterbildungen über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten nach Einstellung von Jungakademikern sind nicht unüblich. 

Seit 2013 ist die duale Berufsausbildung in Kroatien rechtlich verankert. Gemeinsam mit Mitgliedsunternehmen entwickelte die Deutsch-Kroatische Industrie- und Handelskammer (AHK Kroatien) erste Ausbildungsmodule, die seither landesweit umgesetzt werden. Fehlende staatliche Flankierung hat der Initiative bislang Grenzen gesetzt. Doch das könnte sich 2025 ändern: Das kroatische Bildungsministerium legte im Mai 2024 eine übergreifende Reform des Berufsbildungssystems vor, die im Herbst 2025 in Kraft treten soll. Berufsschüler lernen dann nach neuen, modularen Lehrplänen.

Fachkräfte wandern seit Jahren ab

Kroatiens Fachkräftemangel ist in erster Linie eine Folge von Abwanderung. Seit 1990 ist die Bevölkerungszahl so um rund ein Fünftel auf 3,85 Millionen geschrumpft. Der Wegzug aus Kroatien ist vor allem finanziell motiviert, denn das Lohnniveau im Land ist nach wie vor deutlich geringer als etwa im benachbarten Österreich oder Slowenien. 

In der jüngsten Mitgliederbefragung der AHK Kroatien gaben 88 Prozent der Unternehmen an, dass sie erneut in dem Land investieren würden. Gleichzeitig nannten 54 Prozent der Teilnehmer den Mangel an Fachkräften als wichtigsten Risikofaktor für ihr Kroatiengeschäft. Das deckt sich auch mit offiziellen Zahlen: Das kroatische Arbeitsamt veröffentlichte im Mai 2024 eine Liste der am stärksten nachgefragten Berufe. Darin finden sich nahezu alle Beschäftigungsfelder. Bei hochqualifizierten Tätigkeiten stehen naturwissenschaftliche Berufe ganz oben auf der Liste. 

Aktive Arbeitsmarktmaßnahmen

Der kroatische Staat will dem Fachkräftemangel mit einer Erhöhung der Erwerbsquote begegnen. So sollen Rentner und Studenten mit attraktiven Beschäftigungsmodellen für Teilzeitarbeiten zur Arbeitsaufnahme motiviert werden. Öffentlich finanzierte Weiterbildungsmaßnahmen sollen schlummernde Potenziale im Kreis der Arbeitslosen heben. Aus dem EU-Wiederaufbaufonds und dem Europäischen Sozialfonds stehen Kroatien mehr als 160 Millionen Euro allein für Maßnahmen zum Erwerb berufsnotwendiger Kompetenzen zur Verfügung. 

Arbeitsmigration ist umstritten

Die Erleichterung von Arbeitsmigration könnte ein weiterer Ansatz sein. Laut Innenministerium erhielten 2023 mehr als 160.000 Arbeitskräfte aus Drittstaaten Aufenthaltsgenehmigungen für Kroatien. Doch der Bedarf ist weitaus höher und steigt nach Schätzungen des kroatischen Arbeitgeberverbands bis 2030 auf eine halbe Million. Die Arbeitgeber fordern daher eine Vereinfachung des Ausländerrechts. Ein Gesetzesentwurf mit flexibleren Regeln liegt seit Februar 2024 vor. Mit dem Regierungseintritt der rechten Heimatbewegung DP ist allerdings fraglich, ob die Lockerungen umgesetzt werden. Vor der Wahl im April 2024 versprach die DP, Arbeitsvermittlung aus Drittstaaten stärker zu regulieren. In der kroatischen Bevölkerung sind Vorbehalte gegen Arbeitsmigration weit verbreitet.

Gleichwohl liegt ein Teil der Lösung vielleicht dennoch jenseits der Grenzen: Personalberater beobachten, dass immer mehr qualifizierte Kroaten aus dem Ausland zurückkehren. In manchen nachgefragten Berufen fielen die Unterschiede im Lohnniveau kaum mehr ins Gewicht. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser Trend in handfesten Zahlen niederschlägt.

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