Branchen | Lateinamerika | Medizintechnik
Nachfrage nach Medizintechnik stimmt deutsche Firmen positiv
Der Bedarf an Medizintechnik zwischen Mexiko und Feuerland nimmt mittelfristig weiter zu. Deutsche Unternehmen sind in der Region bereits stark aufgestellt.
16.02.2023
Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt
Mit ihren knapp 660 Millionen Einwohnern bilden Lateinamerika und die Karibik einen spannenden Markt für Medizintechnik. Wichtigster Absatzmarkt ist Mexiko, gefolgt von Brasilien und Kolumbien. Chile steht an vierter Stelle, weist aber den höchsten Absatz pro Kopf aus.
Mexiko ist der größte Markt für Medizintechnik in Lateinamerika
Länderübergreifend treiben in Lateinamerika eine alternde Bevölkerung, die Zunahme chronischer Krankheiten und eine Ausweitung der Gesundheitsversorgung die Nachfrage nach Medizintechnik an. Schwache Währungen und instabile politische Verhältnisse wirken sich in vielen Ländern jedoch negativ aus. Zudem verfügt die Region kaum über eigene Medizintechnikunternehmen, sondern ist vor allem Absatzmarkt und teilweise auch Produktionsstandort von Konzernen aus den USA und Europa. Die lokalen Hersteller produzieren häufig technologisch einfachere Geräte und Verbrauchsmaterialien.
In Mexiko soll der Absatz von Medizintechnik zwischen 2021 und 2026 im Schnitt jährlich um 7,4 Prozent wachsen und 2026 rund 8,5 Milliarden US-Dollar (US$) erreichen, so Fitch Solutions. Eine schwache Entwicklung der Gesamtwirtschaft, Budgetkürzungen im öffentlichen Sektor und langsame Prozesse bei der Zulassungsbehörde für Medizinprodukte Cofepris verhindern mehr Dynamik im Gesundheitssektor. Dafür fragen private Kliniken kräftig nach, angetrieben auch durch den Gesundheitstourismus. Allein aus den USA kommen Schätzungen zufolge jährlich rund 1 Million Gesundheitsreisende ins Land.
Mexiko ist der größte Hersteller von Medizintechnik in Lateinamerika, dank Produktionsstätten von Firmen wie Medtronic, Baxter, Fresenius, GE Healthcare, Johnson & Johnson und Siemens Healthineers. Besonders stark ist die Industrie in dem nördlichen Bundesstaat Baja California vertreten. Dort haben sich rund 80 Branchenunternehmen angesiedelt, so die Investitionsförderagentur ProBaja.
Dazu zählt auch Siemens Healthineers, das im Juni 2022 in Tijuana eine 20 Millionen US$ teure Produktionsanlage für Geräte zur Strahlentherapie eröffnete. Der Handelsvertrag USMCA, kompetitive Produktionsbedingungen und die Nähe zum US-Markt machen Nordmexiko zu einem interessanten Standort für die Branche..
Brasilien mit neuem (alten) Präsidenten
Der Amtsantritt von Präsident Lula da Silva in Brasilien im Januar 2023 verunsichert die Marktforscher. Zwar rechnen Beobachter unter der neuen Regierung mit steigenden Gesundheitsausgaben, doch könnte eine weniger wettbewerbsfreundliche Wirtschaftspolitik den Firmen schaden. Zwischen 2021 und 2026 erwartet Fitch Solutions eine jährliche Zunahme des Absatzes von Medizintechnik von 5,2 Prozent, wodurch der Markt auf 5,3 Milliarden US$ wachsen soll.
Im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Staaten hat Brasilien eine der ältesten Bevölkerungen. Bis 2060 wird jeder vierte Brasilianer über 65 Jahre alt sein, so Prognosen. Die rasche Alterung der Bevölkerung dürfte die Gesundheitsausgaben antreiben. Die öffentliche Gesundheitsversorgung SUS (Sistema Único de Saúde) steht allen Einwohnern beitragsfrei zur Verfügung, rund 70 Prozent nutzen dies. Der Rest der Bevölkerung versorgt sich über private Krankenversicherungen.
Land | Mio. US$ | Lieferanteil Deutschlands in % |
---|---|---|
Argentinien | 726,7 | 9,5 |
Brasilien | 2.668,0 | 11,8 |
Chile | 947,3 | 9,3 |
Kolumbien | 996,3 | 9,5 |
Mexiko | 4.688,0 | 4,4 |
Peru | 510,5 | 8,2 |
Kolumbien mit dem stärksten Wachstum
Die stärkste Entwicklung erwartet Fitch Solutions mittelfristig in Kolumbien. Dort soll der Absatz von Medizintechnik zwischen 2021 und 2026 durchschnittlich um 9,8 Prozent zulegen und auf 1,6 Milliarden US$ ansteigen. Das mit 51 Millionen Einwohnern drittgrößte Land Lateinamerikas konnte in den vergangenen Jahren einen immer größeren Teil seiner Bevölkerung in das Gesundheitssystem integrieren. Zuletzt kündigte Präsident Gustavo Petro allerdings für 2023 eine Reform des Gesundheitssystems an, bei dem die Krankenkassen Entidades Promotoras de Salud (EPS) durch eine staatliche Gesundheitskasse abgelöst werden könnten. Experten befürchten dadurch mehr Ineffizienz und Korruption, was das Geschäft für deutsche Firmen erschweren könnte.
Der Absatz von Medizintechnik in Chile und Peru soll von 2021 bis 2026 im Schnitt um 3,8 beziehungsweise 8,8 Prozent jährlich zulegen, so Fitch Solutions. Trotz einer relativ kleinen Bevölkerung von nur 19 Millionen Einwohnern zählt Chile aufgrund hoher Pro-Kopf-Ausgaben im Gesundheitsbereich zu den interessanteren Märkten. Beide Länder importieren etwa 90 Prozent ihres Bedarfs an Medizintechnik, sind bei ihrer wirtschaftlichen Entwicklung jedoch stark abhängig von den internationalen Kupferpreisen. Auch leiden beide Länder aktuell unter höherer politischer Instabilität.
In Argentinien erwartet Fitch Solutions aufgrund einer starken Abwertung des argentinischen Peso in den kommenden Jahren auf US$-Basis sogar ein abnehmendes Marktvolumen. Zwischen 2021 und 2026 soll es jährlich im Schnitt um 2 Prozent sinken und 2026 rund 502 Millionen US$ erreichen. Die sehr hohe Inflation, eine schwache Währung und Importrestriktionen machen das Land zu einem schwierigen Markt für ausländische Unternehmen. Zuletzt veräußerte daher die schwedische Diaverum A.B. ihre 31 Dialysekliniken und verließ das Land.
Deutsche Medizintechnikunternehmen expandieren in Lateinamerika
Deutsche Firmen wie B. Braun, Siemens Healthineers, Fresenius oder Dräger sind in der Region bereits sehr aktiv. Fresenius betreibt nach eigenen Angaben in Lateinamerika rund 250 Dialysekliniken mit knapp 12.000 Beschäftigten. Neben dem Ausbau des Kliniknetzwerkes investierte das Unternehmen in den vergangenen Jahren kräftig in Produktionswerke von Dialyselösungen in Bogotá (Kolumbien), Guadalajara (Mexiko) und im Bundesstaat São Paulo (Brasilien). Allein in Brasilien beliefen sich die Investitionen zwischen 2018 und 2020 auf 100 Millionen US$, so das Unternehmen. "Erhebliches Potenzial eröffnen uns nach wie vor die Regionen Lateinamerika und Afrika mit Wachstumsraten bis zu 5 bis 7 Prozent in einzelnen Regionen", heißt es im aktuellen Geschäftsbericht von Fresenius.
Carlos Jimenez ist Geschäftsführer von B. Braun in Mexiko und bereits seit 2008 in dem Land. Vor seiner aktuellen Rolle leitete er unter anderem die Geschäfte des Tochterunternehmens Aesculap in Lateinamerika - er kennt sich also aus in der Region. "Brasilien ist in Lateinamerika unser wichtigster Markt, da wir dort eine Produktionsstätte für Infusionslösungen mit 1.800 Angestellten haben", so Jimenez im Gespräch mit GTAI. Hinzu kommen etwa 400 Vertriebsmitarbeitende in dem Land. "Mexiko ist atypisch, da wir dort nur eine kleine Produktion südwestlich von Mexiko-Stadt mit 30 Beschäftigten haben", erklärt Jimenez weiter. Hinzu kommen etwa 300 Vertriebsmitarbeitende für das komplexe Angebotsspektrum von B. Braun, zu dem rund 5.000 Produktgruppen gehören. Auch in Kolumbien (chirurgisches Nahtmaterial) und Argentinien (Infusionslösungen) eröffnete B. Braun in den vergangenen Jahren Produktionswerke. In der Dominikanischen Republik weihte B. Braun Anfang 2022 unter Anwesenheit des Staatspräsidenten Luis Abinader eine neue Fabrik ein, die mittelfristig 1.000 Personen beschäftigen soll. Sie liegt in der Freihandelszone Zona Franca Las Américas und bietet ideale Bedingungen für die Produktion und den Export, so das Unternehmen. |
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