Branchen | Lateinamerika | Wasserwirtschaft
Wassersektor in Lateinamerika investiert kräftig
Mangelnde Wasseraufbereitung und Trockenheit sind große Probleme in der Region. Öffentliche Anreize, Marktöffnung und Modernisierung bieten Chancen für Lösungen aus Deutschland.
06.02.2023
Von Janosch Siepen | Bogotá
Während in Lateinamerika und der Karibik nur etwa 8 Prozent der Weltbevölkerung leben, beherbergt die Region knapp ein Drittel der weltweiten Süßwasserressourcen. Dennoch steht der Kontinent vor zahlreichen Herausforderungen bei der Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung. Im Durchschnitt werden in der Region weniger als die Hälfte der häuslichen Abwässer sicher behandelt. In kleinen und mittleren Städten ist der Anteil deutlich höher. Gerade vor dem Hintergrund der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen möchten Länder wie Kolumbien die Abwasseraufbereitung deutlich ausbauen.
Milliarden für neue Klärwerke
Dazu investiert der Andenstaat allein rund 2 Milliarden US-Dollar (US$) in neue Klärwerke in der Hauptstadt Bogotá. Deutsche Firmen sind schon heute in dem Sektor aktiv. So liefert KSB aus Frankenthal in der Pfalz für das Pumpwerk Canoas Abwasserpumpen, die zu den größten und leistungsstärksten weltweit gehören. Bei der Schlammbehandlung in Bogotás neuer Kläranlage Salitre kommen vier Dekanterzentrifugen von Flottweg aus dem bayerischen Vilsbiburg zum Einsatz.
Auch in Brasilien besteht Nachholbedarf im Wassersektor, doch die Regierung verfolgt ehrgeizige Ziele: Bis 2033 müssen die Städte und Gemeinden allen Bürgern Zugang zu Trinkwasser und Abwasseraufbereitung bieten. Dafür bedarf es Investitionen von rund 110 Milliarden US$. Seit der Öffnung der Wasserwirtschaft im Jahr 2020 werden immer mehr Projekte strukturiert und im Rahmen von Public-Private-Partnerships (PPP) an private Konzessionäre vergeben. Bislang wurden 16 Projekte versteigert, die Investitionen von über 14 Milliarden US$ anstoßen. Die Privatisierungen stimulieren die Nachfrage nach hochwertigen Technologien.
Deutsche Innovation gegen den Klimawandel
Vielen Ländern in Lateinamerika macht auch die klimawandelbedingte Trockenheit zu schaffen. "Der Klimawandel ist in Mexiko ein sehr ernstzunehmendes Phänomen und betrifft in gravierendem Maße das Thema Wasser", sagt Marita Brömmelmeier von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Mexiko. "Wir beobachten das im Norden Mexikos, wo die Bevölkerung von einem schweren Wassermangel getroffen ist." Das Land versucht, das Problem durch den Ausbau der Wasserinfrastruktur anzugehen. Wasserleitungen und neue Wasserspeicher erfordern allein im Bundesstaat Nuevo León Investitionen von über 1 Milliarde US$.
Auch Zentral- und Nordchile sind von extremer Dürre betroffen. Notwendig sind ein effizienterer Umgang mit dem knappen Gut - und innovative Technologien. So gewinnt das Hamburger Unternehmen WLT bei seinem Projekt Lo Barnechea Wasser aus der Luft. Weitere europäische Firmen stellen Systeme zur effizienten Wassernutzung bereit: Präzisionsbewässerung und Monitoring sind gerade in der Landwirtschaft nötig. Hier gehen im Schnitt 80 Prozent des Wassers verloren. Allerdings mangelt es in abgelegenen Gebieten oft an digitaler Infrastruktur und Finanzierung.
Zudem verfolgt Chile milliardenschwere Projekte zum Transport von Wasser. Leitungen wie Aquatacama und Carretera Hídrica sollen Wasser aus dem wasserreichen Süden in trockene Gebiete bringen. Geplant ist auch der Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen, darunter für den Bedarf des Bergbaus. Doch sind die Projekte umstritten. Allerdings bieten sich im Bergbau noch weitere Chancen, darunter bei der Wasserrückgewinnung aus Schlacke, Lösungen für rostanfällige Rohre und Messsystemen für die Wasserqualität.
Land | Projektname | Investitionen | Projektstand | Betreiber |
---|---|---|---|---|
Chile | Unterseeische Wasserleitung Aquatacama (Länge: 2.030 km; Kapazität: 3 Mrd. m³/Tag) | 8.082 | Machbarkeitsphase; Behörden prüfen, ob Projekt im öffentlichen Interesse liegt | |
Chile | Wasserleitung Carretera Hídrica (Sektion 1; Länge: 1.015 km) | 6.000 | Vormachbarkeitsstudien; Behörden prüfen, ob Projekt im öffentlichen Interesse liegt | |
Chile | Bau von Meerwasserentsalzungsanlage für Kupfermine Collahuasi (Kapazität: 1.050 l/s) | 3.200 | Umweltlizenz liegt vor, Acciona (Spanien) hat Auftrag für Planung und Bau erhalten | |
Chile | Bau von Meerwasserentsalzungsanlage für Kupfermine Los Pelambres (Kapazität: 400 l/s) | 2.200 | Im Bau, geplanter Betrieb ab März 2023; eine umgekippte Bauplattform könnte den Zeitplan aber verzögern | |
Panama | Wassermanagementsystem für den Panamakanal | 2.000 | Vergabeverfahren wird vorbereitet, voraussichtlicher Betriebsbeginn verzögert sich bis 2028 | |
Brasilien | Klärwerk am Tietê-Fluss (Phase 3; Kapazität: 16.000 l/s) | 2.000 | Im Bau, Abschluss der Arbeiten für 2025 geplant | |
Kolumbien | Klärwerk Canoas (Kapazität: 16.000 l/s) | 1.519 | Vergabeverfahren zwischen Dezember 2022 und März 2023, geplante Fertigstellung 2027 | |
Chile | Investitionen in das Wassernetz in Gemeinden Mittelchiles | 1.328 | k.A. | |
Argentinien | Wasserleitungen vom Fluss Paraguay in Regionen der Provinz Formosa | 1.221 | Gespräche zwischen argentinischen Behörden und chinesischen Unternehmen zur Finanzierung, Betrieb voraussichtlich ab 2024 | |
Argentinien | Investitionen in die Wassernetze des Nordens der Metropolregion von Buenos Aires | 1.200 | k.A. |
Zunehmende Privatisierung und Industrie 4.0
Die Branchenstruktur der Wasserwirtschaft unterscheidet sich je nach Land und Subsegment in Lateinamerika. Ausländische Unternehmen sind aber überall stark vertreten. So ist die dänische Firma Grundfos führend bei Standardpumpen in der Bauindustrie und der spanische Konzern Acciona baut Klärwerke in verschiedenen Ländern der Region. Chinesische Firmen sind eher im Bereich wenig komplexer Lösungen vertreten.
Deutsche Firmen sind für anspruchsvolle Produkte beliebt. Mit der Modernisierung der Branche dürfte sich das verstärken. Vor allem die zunehmende Nutzung von Industrie 4.0 im Wassersektor bietet Chancen. Pumpen mit hocheffizienten IE5-Motoren oder Überwachungs- und Kontrollsysteme werden in Zukunft wohl relevanter, sagt Dorian Hernandez, Geschäftsführer von KSB in Kolumbien. "Wichtig dabei ist, die Vorteile der eigenen Produkte beispielsweise direkt beim zuständigen Ingenieurbüro eines Projekts zu bewerben."
Der wachsende Fokus auf Umweltthemen könnte den Sektor künftig weiter fördern. Impulse kommen von strengeren rechtlichen Vorschriften für den Umgang mit Wasser, darunter in Mexiko und Chile.
Ein beständiges Problem ist aber meist, woher das Geld kommen soll, denn die Kassen vieler Staaten in der Region sind leer. "Schwierigkeiten bei der Finanzierung verzögern Projekte oft. So vergehen manchmal zehn Jahre von der Idee bis zum Baubeginn“, sagt Carlos Olivo, Verkaufsleiter von Flottweg bei kommunalen Projekten auf der iberischen Halbinsel und in Lateinamerika.
Eine wichtige Rolle spielen deshalb multilaterale Geber. So investiert die Europäische Investitionsbank 100 Millionen US$ in die Wasserinfrastruktur in Ecuador. In Peru finanziert die GIZ das Programm Proagua II zur Modernisierung der Siedlungswasserwirtschaft.
Institution | Anmerkung |
---|---|
Zentraler Ansprechpartner für deutsche und europäische Unternehmen, die in Entwicklungs- und Schwellenländern investieren oder sich dort engagieren wollen. Beratung bei der Planung und Finanzierung sowie Kontaktvermittlung vor Ort. | |
Die DEG kofinanziert Machbarkeitsstudien von deutschen oder anderen europäischen Unternehmen, die der Vorbereitung entwicklungspolitisch sinnvoller Investitionen dienen. | |
Das Förderinstrument richtet sich an bereits etablierte Unternehmen, die nachhaltig in einem Entwicklungs- oder Schwellenland investieren und ihre betriebliche Tätigkeit vor Ort ausbauen wollen. | |
AHK Business Scouts | Beratung durch entwicklungspolitische Expertinnen und Experten zu Förder-, Finanzierungs- und Kooperationsangeboten der deutschen und europäischen Entwicklungszusammenarbeit; Vernetzung mit potenziellen Partnern und Initiierung von Kooperationsprojekten. |
Eine mögliche Lösung ist die zunehmende Privatisierung des Sektors. Brasilien unternimmt dazu seit einigen Jahren verschiedene regulatorische Schritte. Neue PPPs zielen auf eine Verbesserung des Abwassersystems in den Bundesstaaten Ceará und Paraíba ab. Kostenpunkt: jeweils über 1 Milliarde US$. In dem Bereich hat Brasilien bislang aber eine Sonderstellung inne. "Eine starke Verbreitung von PPPs habe ich im Abwassersektor in Lateinamerika noch nicht gesehen", sagt Verkaufsleiter Olivo.
Kontaktadresse | Anmerkung |
---|---|
Regionalsektion des Netzwerks der deutschen Wasserwirtschaft | |
Lateinamerikanisches und karibisches Wasser- und Sanitärobservatorium | |
Weltweite Vereinigung von Wasserfachleuten | |
Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall | Fachverband der deutschen Wasser- und Abfallwirtschaft |
Globale Partnerschaft für universellen Zugang zu sauberem Trinkwasser und angemessenen sanitären Einrichtungen |
Dieser Beitrag gehört zu:
Branchenguide 2023 - Lateinamerika und Karibik - Neue Geschäftschancen nutzen!