Die Energiewirtschaft wird durch Stromerzeuger und Netzbetreiber dominiert. Die geringe Herstellerzahl wächst aber infolge ausländischer Direktinvestitionen.
Die installierten Erzeugerkapazitäten für Ökostrom werden sich bis einschließlich 2027 um 4.128 Megawatt nahezu verdoppeln. Dieser Zuwachs besteht zu 2.625 Megawatt aus Solarfeldern und Aufdachanlagen sowie zu 1.503 Megawatt aus Windkraftanlagen. Die staatliche marokkanische Agentur für nachhaltige Energie (MASEN) entwickelt aktuell Fotovoltaikvorhaben zu einer Gesamtkapazität von 333 Megawatt an sieben Standorten. Darunter fällt die erste Phase des Projekts Noor PV Il.
Der staatliche Phosphatkonzern Office Chérifien des Phosphates (OCP) baut fünf Solarfelder mit einer Gesamtkapazität von 301 Megawatt, wovon 2024 etwa 200 Megawatt in Betrieb genommen werden. Weitere energiebranchenferne Unternehmen entwickeln 26 Fotovoltaikprojekte, allerdings mit einer geringeren Gesamtkapazität von 44 Megawatt – es ist davon auszugehen, dass es sich bei diesen Projekten um Aufdachanlagen handelt.
Branchenfremde Energieerzeuger stoßen Projekte an
Unternehmen dürfen Strom vorrangig für den Eigenbedarf produzieren, da ihr Anschluss an die Übertragungs- und Verteilernetze gesetzlich noch nicht abschließend geregelt ist. Anschlüsse sind unter bestimmten Voraussetzungen an das Hoch- und Mittelspannungsnetz realisierbar, jedoch nicht an das Niedrigspannungsnetz.
Ungeachtet dessen sind erste Firmen aus dem produzierenden Gewerbe aktiv geworden, um Ökostrom für den Eigenbedarf zu generieren. OCP möchte nicht nur Ökostrom, sondern zusätzlich grünen Wasserstoff beziehungsweise grünen Ammoniak zur Düngemittelproduktion erzeugen. Da OCP zu den finanzstarken Unternehmen gehört, sind die ambitionierten Ausbaupläne für Wind- und Solaranlagen, Meerwasserentsalzung und die Produktion von grünem Ammoniak realistisch. Damit könnte OCP Ammoniakimporte substituieren. Für den Export des grünen Phosphat-Ammoniak-Düngers müsste OCP an den europäischen Zollgrenzen keine CO2-Abgabe zahlen.
Ausgewählte Projekte der Energiewirtschaft Projektbezeichnung | Leistung | Unternehmen | Status | Investitionsvolumen (in Milliarden €) |
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Solar-Wind-Wasserstoff-Ammoniak-Komplex Guelmim-Oued Noun | 10 GW | TotalEnergies | Absichtserklärung | 10,0 |
Solarkraftwerk Noor Midelt II nebst Energiespeicher | 400 MW | MASEN, Geldgeber EU, EIB, French Development Agency (AFD), Weltbank, AfDB, KfW | Bewerbungsschluss war im Juli 2023, Präqualifizierung | 1,08 |
Solarkraftwerk Noor Midelt III nebst Energiespeicher | 400 MW | MASEN | Bewerbungsschluss war der 20.10.23, Präqualifizierung | k.A. |
Solar-Wind-Wasserstoff-Ammoniak-Komplex Jorf Lasfar, Tarfaya | 200.000 t | OCP | Planung und Präqualifizierung | 13,0 |
Solar-Wind-Wasserstoff-Ammoniak-Komplex | 320.000 t | Ajlan Bros/Gaia/Energy China | Absichtserklärung | k.A. |
Quelle: Recherche GTAI
OCP geht als Staatskonzern eng abgestimmt mit der Regierung vor. Daher ist davon auszugehen, dass mit dem Gesamtvorhaben auch ein Leuchtturmprojekt projiziert werden soll, um zu beweisen, dass die industriemäßige Wasserstoffproduktion in Marokko möglich und profitabel ist. Im Zuge seiner Ausbaupläne hat OCP 2023 drei Roadshows nach Boston, London und Düsseldorf, durchgeführt.
Auslandskapital fließt in die Produktion von Energietechnik
Angezogen von den umfangreichen Investitionen in die Energiewirtschaft, aber auch aufgrund der stabilen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie den moderaten Personalkosten kommen erste ausländische Hersteller von Energietechnik nach Marokko. Zusätzlich sind wegen eines Freihandelsabkommens mit den USA und der geographischen Nähe zu Europa die Ausfuhrmöglichkeiten günstig. Somit sind es nicht nur europäische Hersteller, die in Marokko investieren, sondern in jüngster Zeit vor allem asiatische, darunter chinesische Hersteller.
So kündigte zum Beispiel die chinesische Industriegruppe Aeolon im November 2023 an, eine Fertigung von Rotorblättern für Windkraftanlagen am Standort Nador ansiedeln zu wollen. Die geplante Produktionskapazität fällt mit 600 Rotorblättern pro Jahr, mehr als 3.000 Beschäftigten und Investitionskosten von 220 Millionen Euro beträchtlich aus. Die Produktion soll bereits im Januar 2025 an den Start gehen.
ONEE als Betreiber von Übertragungs- und Verteilernetzen hat im Juni 2023 eine Absichtserklärung mit HUAWEI Maroc zur Einrichtung von intelligenten Netzen unterschrieben. Dieser Schritt machte sich erforderlich, da in Zukunft mehr Solar- und Windanlagen an die Netze angeschlossen werden. Neben Steuer- und Kontrolltechnik soll HUAWEI dem Vernehmen nach auch Anlagen zur Energiespeicherung, darunter Batteriefarmen, installieren. Wie ONEE mitteilte, wird die Technologie des chinesischen Anbieters derzeit im Wissenschafts- und Technikzentrum für Elektrizität, das ONEE betreibt, getestet.
Schon im Jahr 2021 hatte ONEE mit SIEMENS und der französischen ATOS ein Teilprojekt zur Einrichtung eines smart grids angestoßen. In diesem Zusammenhang implementierte SIEMENS und ATOS die Zählerplattform EnergyIP, mit der ONEE die Daten von mehr als 100.000 intelligenten Stromzählern erfassen und verarbeiten kann.
Das französische Unternehmen Dome Solar hatte 2019 am Standort Al Hoceima eine Produktion von jährlich 250 Megawatt monokristallinen, polykristallinen und Bi-Glas-Solarmodulen für die Verwendung auf Solardächern eingerichtet. Die marokkanische Niederlassung firmiert unter der Bezeichnung ALMADEN Morocco.
Hohe Importabhängigkeit bei Energie- und Elektrotechnik
Die marokkanische Industrie stellt einige grundlegende energie- und elektrotechnische Erzeugnisse her. Darunter befinden sich einfache Transformatoren, Schaltanlagen, Stromkabel, Drähte, Schalter und Steckdosen, die vorrangig in der Bauwirtschaft sowie in der Automobil- und Bahnindustrie abgesetzt werden. In allen anderen Nomenklaturen der Energie- und Elektrotechnik, insbesondere wenn es um moderne und komplexe Ausrüstungen und Anlagen der Solar-, Wind-, Netz- und Speichertechnik geht, besteht eine extrem hohe Importabhängigkeit.
OCP hat die hohe Importabhängigkeit Marokkos zum Anlass genommen, moderne Technologiegüter für den Aufbau einer eigenen Energieerzeugung aus regenerativen Quellen nicht nur einzuführen und anzuwenden. Sondern der Konzern besteht in seinen Beschaffungsausschreiben auch auf einen Technologietransfer, um künftig entsprechende Investitionsgüter in Eigenregie zu fertigen. Damit erweitert der Bergbau- und Düngemittelkonzern sein Produktportfolio mittel- bis langfristig um den Bereich Technologiegüter zur Erzeugung grünen Stroms und Wasserstoffs.
Von Ullrich Umann
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Casablanca