Trotz zunehmender lokaler Produktion wird das Königreich von Medizintechnikimporten abhängen.
Medizinische Ausrüstungen müssen modernisiert werden
Marokko hat begonnen, die lokale Produktion von Medizintechnik auszubauen. Dennoch ist das Königreich auf Importe angewiesen, um die Grundversorgung zu sichern. Die Nachfrage wächst zwar konstant, allerdings dürften Engpässe bei modernen Ausrüstungen in den kommenden Jahren anhalten.
Der Markt für Medizintechnik und medizinische Verbrauchsgüter steigt, Prognosen des Marktforschers Fitch Solutions zufolge, jährlich auf der Basis von US-Dollar (US$) um durchschnittlich 6 Prozent. Für das Jahr 2022 wird das Marktvolumen auf rund 420 Millionen US$ geschätzt. Im Jahr 2023 könnte dann die 450 Millionen-Dollar-Hürde genommen werden. Zwangsläufig werden die Importe eine vergleichbare Aufwärtsbewegung nehmen, da ein Anteil von mehr als drei Viertel der Nachfrage durch Einfuhren abgedeckt wird.
Im Jahr 2021 erreichten die Importe (SITC 774/872) ein Volumen von rund 310 Millionen US$. Das waren über 3 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Rückgang dürfte der außergewöhnlichen Situation im ersten Coronajahr 2020 geschuldet sein. Es wurde zu Pandemiezeiten mehr importiert; gleichzeitig eine lokale Fertigung aufgebaut.
Importe "Made in Germany" ausbaufähig
Deutsche Lieferanten hielten in den letzten Jahren durchschnittlich einen Marktanteil von etwa einem Achtel. Dabei muss berücksichtigt werden, dass ein nicht unerheblicher Teil von Erzeugnissen "Made in Germany" über die Umwege Frankreich oder Spanien ins Königreich gelangten. Entsprechend wurden sie dann in der Statistik dort verbucht.
China ist in den letzten Jahren im Importländerranking am meisten geklettert. Machten Lieferanten aus dem Reich der Mitte vorher lediglich mit medizinischen Verbrauchsgütern auf sich aufmerksam, so sind mittlerweile zunehmend technisch hochwertigere Geräte mit chinesischem Logo in Umlauf. Insgesamt kamen 2021 etwa 30 Prozent der Brancheneinfuhren aus China.
In Zukunft werden vor allem Lieferchancen für Röntgengeräte, Magnetresonanztomographie (MRT)- und Ultraschallgeräte, Überwachungs- und Elektrodiagnosegeräte, ICU-Ausrüstung (Intensive Care Unit) sowie Ausrüstungen inklusive Software für E-Health-Anwendungen erwartet. Die Nachfrage nach gebrauchter Medizintechnik ist aufgrund bestehender Restriktionen limitiert.
Auch die Nachfrage nach mobiler Krankenversorgung in entlegenen Gebieten und bei Notfallequipment sowie Ambulanzen dürfte zulegen. Bei der Krebsvorsorge und -behandlung sind trotz Fortschritten in den letzten Jahren weitere Investitionen zu erwarten. Gynäkologie, Geburtshilfe und auch die Hämodialyse bleiben im ländlichen Raum ein wichtiger Fokus. Hoher Versorgungsbedarf besteht bei psychischen Erkrankungen, Lungentuberkulose und bei Herz-Kreislauf-Problemen.
Während im Privatsektor verschiedene, auch kleinere Projekte an den Start gehen, baut auch der öffentliche Sektor die bestehende Infrastruktur aus. Außerdem sind die Ausrüstungen der öffentlichen Krankenhäuser überholt und Modernisierungsinvestitionen stehen an.
Folgen der Coronapandemie
Der marokkanische Gesundheitssektor ist relativ souverän durch die Coronakrise gekommen. Ein positiver Effekt ist, dass öffentliche und private Marktteilnehmer enger aneinandergerückt sind. Außerdem hat Marokko begonnen, eine vorher kaum existierende lokale Medizintechnikfertigung aufzubauen. Zunächst wurden Masken, Arztkittel, Schutzanzüge und Desinfektionsmittel gefertigt.
Mit Beatmungsgeräten und Notfallbetten wurde dann ein technisch höheres Niveau erreicht. Die ABA Technology Group und das Moroccan Medical & Biomedical Industrial Cluster kooperieren unter der Schirmherrschaft des Industrieministeriums, um den weiteren Ausbau der lokalen Fertigung gezielt zu fördern. Ausländische Unternehmen könnten daran gegebenenfalls in Form von Partnerschaften und Know-how-Transfer partizipieren.
Anbieter von Medizintechnik haben es in Marokko eigentlich mit zwei unterschiedlichen Märkten zu tun: dem öffentlichen sowie dem privaten Sektor. Letzterer ist für ausländische Zulieferer transparenter und daher zugänglicher. Zudem wird im öffentlichen Sektor bisweilen über Zahlungsverzögerungen geklagt. Auf der anderen Seite können dort Vertriebsunternehmen zufolge umfassendere und lukrativere Wartungsverträge abgeschlossen werden.
Öffentliche Investitionsprojekte überwiegen bislang
Der bereits 2018 verkündete Gesundheitsplan (Plan Santé 2025) sieht vor, Investitionen von rund 1,5 Milliarden US$ auf den Weg zu bringen. Durch die Pandemie wurde die Dringlichkeit des Infrastrukturausbaus noch einmal deutlich. Für das Jahr 2023 ist geplant, die Kapazität der Krankenhausbetten um etwa 3.400 zu erhöhen, so steht es im Haushaltsentwurf für das Gesundheitsministerium. Neben neuen Projekten sollen auch Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden.
Bei den neuen Krankenhäusern handelt es sich um die Universitätskliniken Agadir (867 Betten), Laayoune (500 Betten), Ibn Sina, Rabat (1006 Betten) sowie Errachida (500 Betten). Außerdem steht der Bau von zehn Provinzkrankenhäusern mit insgesamt 2.020 Betten an. Weitere Häuser mit Kapazitäten von insgesamt 2.300 Betten befinden sich in der Planungsphase.
Ein großer Teil der Investitionen in Krankenhäuser stammt weiterhin aus dem Staatshaushalt. Viele der größeren Kapitalanlagen beruhen auf Krediten der Weltbank sowie der Europäischen Investitionsbank. Einige Projekte werden aber auch von internationalen Gebern unterstützt.
Investitionsvorhaben im Gesundheitssektor in Marokko (Auswahl; Investitionssummen in Millionen US-Dollar)Projekt | Investitionssumme | Anmerkung |
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New Ibn Sina Hospital, Universitätskrankenhaus Rabat | 311 | Fertigstellung etwa 2025; Ministère de la Santé |
Universitätskrankenhaus Agadir | 190 | Fertigstellung geplant 2023; Ministère de la Santé |
Universitätskrankenhaus Laayoune | 135 | Fertigstellung geplant 2023; Ministère de la Santé |
Provinzkrankenhaus Al Hoceima | 108 | Fertigstellung für 2023 vorgesehen Ministère de la Santé |
Regionales Gesundheitszentrum Beni Mellal | 42 | Studie; 2023, Fertigstellung für Ende 2025 geplant, Fes-Boulemane Region; Studie Ende 2025 Ministère de la Santé |
Provinzkrankenhaus Moulay Yacoub | 26 | Fes-Boulemane Region; Studie, Fertigstellung Ende 2025 Ministère de la Santé |
Quelle: Meed Projects
Regierung arbeitet an den Rahmenbedingungen
Marokkos Gesundheitssektor befindet sich zwar auf dem Weg der Besserung, allerdings verläuft die Entwicklung nicht so zügig, wie sich die Regierung das erhofft. Die unzureichende Versorgung in den ländlichen Regionen sowie der Mangel an Fachpersonal zählen zu den am häufigsten genannten Defiziten. Investitionen werden bevorzugt in Ballungsgebieten getätigt. Fachärzte bessern sich in Privatkliniken ihren Lohn auf und fehlen dann in den öffentlichen Einrichtungen. Die Regierung toleriert das aus Angst, ansonsten noch mehr Absolventen des Medizinstudiums ans Ausland zu verlieren.
Ein neues Rahmengesetz zur Reform des Gesundheitssystems zielt auch auf die Entwicklung von Humanressourcen ab. Eine übergeordnete Behörde soll zudem eine effizientere Koordinierung der Aktivitäten von öffentlichem und privatem Sektor gewährleisten. Der Haushaltsentwurf Marokkos für das Jahr 2023 sieht ein Budget für den Gesundheitssektor in Höhe von knapp über 2,5 Milliarden US$ vor. Das entspricht gegenüber dem für 2022 anvisierten Posten auf Basis der Landeswährung einer Steigerung um 19 Prozent.
Insgesamt sind rund 6 Milliarden US$ für den Plan Santé 2025 vorgesehen, wobei 2,4 Milliarden US$ in die direkte Umsetzung von Kapazitätserweiterungen sowie Programme gegen die Krankheitsbekämpfung fließen sollen. Finanziert werden soll dies zu 50 Prozent durch internationale Kooperationen. Weitere, vom Staatshaushalt getragene 3,6 Milliarden US$ sind für ein verwaltungstechnisches Betriebsbudget vorgesehen.
Herausforderung beziehungsweise Wachstumsbremse bleibt weiter die Einrichtung eines flächendeckenden, umfassenden Versicherungsschutzes. Für registrierte Angestellte und Selbstständige existiert die obligatorische Krankenversicherung Assurance Maladie Obligatoire (AMO). Diese weist jedoch Lücken auf. Daher erhalten Angestellte größerer Firmen im Regelfall vom Arbeitgeber einen kollektiven zusätzlichen Versicherungsschutz.
Daneben wurde im Jahr 2009 das Régime d‘Assistance Médicale (RAMED) ins Leben gerufen – ein staatliches Versicherungssystem, das sozial schwächeren Bevölkerungsschichten Zugang zum öffentlichen Gesundheitswesen gewährt. Mit Hilfe von RAMED soll der Großteil der Bevölkerung basisversichert sein. Abgedeckt wären dann Behandlungen in öffentlichen Krankenhäusern und Kliniken sowie die Arzneimittelerstattung.
Rahmendaten zum Gesundheitssystem in MarokkoKategorie | Wert |
---|
Einwohnerzahl (2020 in Mio.) | 36,7 |
Bevölkerungswachstum (2021 in % p.a.) | 0,9 |
Altersstruktur der Bevölkerung (2020) | |
Anteil der unter 14-Jährigen (in %) | 27,0 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %) | 7,1 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2020 in Jahren) | 77 |
Durchschnittseinkommen (2021 in US$) | 385*) |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (2019 in US$) | 174 |
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2019 in %) | 5,31 |
Ärzte/100.000 Einwohner (2021) | 75 |
Zahnärzte/100.000 Einwohner (2021) | 19 |
Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2021), davon | 115 |
privat | 35 |
öffentlich | 80 |
*) Die Statistiken beziehen sich auf die dort registrierten Arbeitnehmer und sind daher auf den Landesdurchschnitt bezogen nur begrenzt aussagekräftig.Quelle: Weltbank, Haut Commissariat au Plan, Ministère de la Santé, Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS)
Von Michael Sauermost
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Casablanca