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Tiefbau: Projekte
Der Tiefbau bleibt wegen seiner Projektzahl und der Finanzierungsumfänge das Kerngeschäft der Baubranche.
27.05.2024
Von Ullrich Umann | Casablanca
Die Regierung hält an ihrem Plan fest, bis 2035 Autobahnen und Schnellstraßen mit einer Gesamtlänge von 5.500 Kilometern zu bauen. Die Gesamtkosten werden auf 9,5 Milliarden Euro geschätzt. Hinzu kommt der Bau von Landstraßen für rund 3 Milliarden Euro. Der Wert der Instandsetzungsarbeiten in dem bereits bestehenden Straßennetz über 7.000 Kilometer wird mit weiteren 12,4 Milliarden Euro beziffert, die bis 2035 aufgebracht werden müssen.
Hafeninfrastruktur bleibt langfristiges Betätigungsfeld
Der Hafen Nador West Med an der Mittelmeerküste ist zwar weitgehend fertiggestellt. Doch bleiben noch Detailarbeiten aus. Errichtet wurde ein 4,5 Kilometer langer Hauptdeich, ein 1,2 Kilometer langer sekundärer Schutzraum und ein sich über 1,5 Kilometer erstreckender Anlegekai mit einem Tiefgang von 18 Metern. Diese Merkmale machen ihn zu einem der modernsten und am besten ausgestatteten Hafenterminals in der Region. Große Containerschiffe können hier ab 2025 anlegen.
Derzeit sucht die Regierung nach einem geeigneten Hafenbetreiber. Die Wahl wird laut Pressemeldungen entweder auf die Cosco Shipping Corporation Limited oder auf Maersk fallen. Vom Ausgang dieser Wahl hängt ab, welche Entwicklungsstrategie gefahren und welche endgültigen Ausbauarbeiten durchgeführt werden. Im Fall von Cosco würde den stark gestiegenen Handels- und Investitionsvolumina zwischen Marokko und China Rechnung getragen. Nador West Med wäre damit mehr als nur ein "normales" Infrastrukturprojekt, es wäre von strategischer Bedeutung für das weitere Vorgehen der chinesischen Wirtschaft in der gesamten Mittelmeerregion.
Zu den endgültigen Ausbauarbeiten gehört unter anderem der Stromanschluss, wozu eine Netzverbindung mit einer Kapazität von 225 Kilovolt in der Planung ist. Der Stromkonzern ONEE fertigt aktuell ein Gutachten zu den diesbezüglichen Umweltauswirkungen an. An einer Ausschreibung für den Netzausbau haben sich die libanesische BUTEC und die marokkanische SERF beteiligt, doch steht die Zuschlagserteilung noch aus.
Ebenfalls gehört ein Anschluss an das Straßennetz zu den weiteren Ausbauarbeiten. Die Afrikanische Entwicklungsbank AfDB sowie der Africa Growing Together Fund AGTF reichten im Dezember 2023 für den Bau einer Autobahnanbindung über 104 Kilometer auf der Strecke Nador-Guercif einen Kredit von 246 Millionen Euro ein.
Als Standort für einen weiteren Hafenbau ist das südliche Agadir an der Atlantikküste in der planerischen Vorbereitung. Dort ist ein entsprechendes Projekt notwendig, um den Transportbedarf der schnell wachsenden Industrie im Gebiet Souss Massa abdecken zu können.
Arbeiten am Eisenbahnnetz setzen sich fort
Regierung und Staatsbahn Office National des Chemins de Fer (ONCF) vergrößern gegenwärtig das Marktvolumen für den Schienenausbau: So schreibt ONCF den Bau zweier Hochgeschwindigkeitsstrecken aus. Dabei handelt es sich zum einen um die Strecke Kenitra - Marrakesch im Bauwert von 3,8 Milliarden Euro und zum anderen um die Verbindung von Casablanca nach Agadir im Wert von 4,5 Milliarden Euro.
Im November 2023 hatte ONCF die Beschaffung von 168 Zügen, davon 18 für hohe Geschwindigkeiten, im Gesamtwert von 1,45 Milliarden Euro ausgeschrieben. Die Auslieferung der Züge soll zwischen 2027 und 2030 erfolgen. ONCF fordert, dass sich die Hersteller zur Lokalisierung der Endmontage und Wartung verpflichten. Dadurch soll die marokkanische Bahnindustrie gestärkt und Exportpotenziale ausgebaut werden. Ausfuhrchancen sieht die marokkanische Regierung vor allem in Richtung Afrika.
Wasser bleibt im Fokus
Der chronische Wassermangel ist in Marokko ein existenzielles Problem. Für Entlastung soll der Bau von Anlagen zur Meerwasserentsalzung, zur Abwasseraufbereitung sowie von "Wasserautobahnen" sorgen. Die Verantwortlichen auf allen Verwaltungsebenen stützen sich neben Haushaltsmitteln auch auf Finanzhilfen bi- und multilateraler Geberinstitutionen.
Die Privatwirtschaft investiert unabhängig von den staatlich finanzierten Projekten in die Meerwasserentsalzung sowie in die Frischwasser- und Abwasseraufbereitung: Zum einen, um über genügend Prozesswasser zu verfügen, zum anderen, um die gesetzlichen Auflagen zur Industriewasserklärung zu erfüllen. Ein aktuelles Beispiel stellt der Phosphatkonzern OCP dar, der in die gesamte Wertschöpfungskette zur Erzeugung grünen Ammoniaks 13 Milliarden US-Dollar (US$) investiert, beginnend mit der Meerwasserentsalzung über die Erzeugung von Ökostrom, die Elektrolyse bis hin zur Umwandlung des grünen Wasserstoffs in Ammoniak.
Projektbezeichnung | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkung/Streckenlänge |
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Kenitra- Marrakesch Hochgeschwindigkeit Bahnlinie / ONCF | 4.500 | Planung | 320 Kilometer |
Marrakesch-Agadir Hochgeschwindigkeitsbahnlinie/ ONCF | 1.633 | Planung | 250 Kilometer |
Elektrifizierung von Bahnlinien, ONCF | 1.000 | Planung | 550 Kilometer |
Untersee- Stromverbindungskabel Marokko- Portugal, ONEE | 865 | Vorstudie | 250 Kilometer |
Kenitra Atlantic Port Complex/ ANP | 800 | Vorstudie | Bau eines Terminals |
Erweiterung Rabat Salé Tramway/STRS | 648 | Vorstudie | 19,5 Kilometer |
Gas-Pipeline Projekt Atlantic Ridge / Office National des Hydrocarbures et des Mines (ONHYM) | 400 | Vorstudie | Tanger-Casablanca: 300 Kilometer |
Weitere Informationen zu Projekten finden Sie in der GTAI-Datenbank "Entwicklungsprojekte".