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Special | Marokko | Start-ups

Start-ups sollen ihr Potenzial stärker abrufen

Marokkos Gründerszene wächst. Finanzierungsengpässe und mangelnde Internationalisierung bremsen bislang die Entwicklung.

Von Michael Sauermost | Casablanca

  • Steckbrief Start-ups in Marokko

    Wirtschaft



     Bevölkerungsanzahl (Millionen; 2021)

    37,3

     BIP pro Kopf (US$; 2021)

    3.470

    Reales Wirtschaftswachstum (in Prozent; 2021)

    7,2



    Start-up-Ökosystem



     Anzahl Start-ups (2021)

    k.A.

     Anzahl Unicorns (2022)

    0

     Anzahl Gründungen pro Jahr (2021)

    k.A.

     VC Funding pro Jahr (in Millionen US$; 2021)

    33

    Innovationskraft



     Ausgaben für F&E in Prozent vom BIP (2018)

    0,8

     Global Innovation Index (2021)

    77 von 132

    Prozentsatz Studierende in MINT-Studienfächern an Universitäten und Hochschulen

    15 (Schätzung)

    Ökonomische Nähe zu Deutschland

     Handelsvolumen mit Deutschland (Milliarden Euro; 2021)

    3,7

     Anzahl deutscher Unternehmen mit eigener Niederlassung

    90 bis 110 (Schätzung)

    Quelle: HCP (Haut Commissariat au Plan); IWF; UN Comtrade; Destatis

  • Das Spielfeld für Start-ups im Königreich wächst

    Die junge marokkanische Gründerszene stimmt optimistisch. Allerdings sind Herausforderungen zu überwinden, um große Deals einzufahren.

    Marokkos Start-up-Ökosystem entwickelt sich kontinuierlich weiter. Im internationalen Vergleich ist es jedoch noch nicht sehr ausgereift. Nur wenige Jungunternehmer haben es bislang geschafft, sich auch über die Landesgrenzen hinaus einen Namen zu machen. Dabei mangelt es nicht an Initiativen. Zahlreiche Organisationen - teilweise auch angeschoben durch internationales Engagement - sind auf dem Gebiet aktiv. Es mangelt Kritikern zufolge bisweilen am effizienten Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure wie Unternehmen, Start-ups, Universitäten und nicht zuletzt Investoren.

    Regierung schiebt die Entwicklung an

    Vor allem Kooperationen zwischen öffentlichem und privatem Sektor werden gefordert. In Anlehnung an die französische Start-up-Plattform La French Tech soll die Initiative Morocco Tech diese Lücke schließen, um Start-ups mit hohem Innovations- und Wachstumspotenzial zu unterstützen. Morocco Tech knüpft an vorherige Programme der Digitalisierung wie Maroc Numeric 2013, Maroc Digital 2020 sowie Pacte Maroc Digital 2021 an.

    Das Förderprogramm für Gründer, Tatwir-Startup, wurde im Februar 2021 durch das Industrieministerium ins Leben gerufen. Dadurch soll eine neue Generation für marokkanisches Unternehmertum entstehen. Das Programm des Ministeriums sieht vor, innerhalb von drei Jahren bis zu 5.000 Start-ups in ihrer Frühphase zu unterstützen.

    Beteiligt sind die Förderagentur für KMU (Agence nationale pour la promotion de la petite et moyenne entreprise - Agence Maroc PME) sowie der Verband für Start-ups MSEC (Fédération de l’Écosystème Startup du Maroc). MSEC verfügt derzeit über 20 Inkubatoren und Acceleratoren. Insgesamt mehr als 1.500 Start-up-Projekte wurden von ihnen dem Vernehmen nach von der Idee bis hin zur Realisierung betreut.

    Marokkos Start-up-Ökosystem hat sich mittlerweile erweitert. Die Coronapandemie hat auch in Marokkos Start-up-Szene zu neuen Entwicklungen geführt. Bei Inkubatoren ist eine physische Präsenz längst nicht mehr Standard. Die bisherige Konzentration der Gründerszene auf Rabat und Casablanca ist Vergangenheit. Auch die regionalen Investitionsgesellschaften (CRI; Centre Régional d´Investissement) haben sich mittlerweile stärker der Start-up-Entwicklung angenommen.

    Auswahl an Inkubatoren in Marokko

    Name

    Fokus

    Anmerkungen

    La Startup Factory

    Innovative Industrielösungen, u.a. Industrie 4.0

    Blue Space

    Fintech, übergreifend

    Inkubator der Bank of Africa Gruppe

    New Work Lab

    Nachhaltigkeit, Industrie, Mode

    Green Business Incubator

    Green Tech

    Initiiert vom Cluster Solaire

    Emerging Business Factory (EBF)

    Innovative Sektoren, übergreifend

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Know-how zum Gründen fehlt

    Trotz großer Ambitionen blieb das Investitionsvolumen bisher hinter den Erwartungen zurück. Im Global Startup Ecosystems Index 2021 des Forschungszentrums Startup Blink verlor Marokko im Vergleich zu 2020 sogar 12 Plätze und landete im weltweiten Ranking auf Rang 95. Im Städteranking war Casablanca mit Rang 364 noch am besten platziert.

    Die lokale Start-up-Community steht vor zahlreichen Herausforderungen. Nach Ansicht der Plattform Seedstars spielt das Bildungssystem eine wesentliche Rolle. Es fördere keine unternehmerische und innovative Denkweise. Außerdem mangele es an praktischem Know-how, wie etwa ein Businessplan erstellt werden sollte.

    Des Weiteren zieht das Ausland potenzielle Gründer an. Der marokkanische Job-Vermittler ReKrute geht davon aus, dass 91 Prozent der marokkanischen Fachkräfte im Alter von bis zu 35 Jahren daran interessiert sind, im Ausland zu arbeiten. Jährlich verlassen Schätzungen zufolge 600 junge Ingenieure das Königreich, um Karrierechancen im Ausland zu suchen.

    Health Tech, AgroTech und Industrie 4.0

    Um Marokko für Gründer attraktiver zu machen, bieten Unternehmen und Organisationen inzwischen gezielt Trainingsprogramme und Bootcamps an. Eines der größten nationalen Unternehmen, Office Chérifien des Phosphates (OCP) fördert etwa Start-ups über das eigene OCP Entrepreneurship Network. Als Gründer der Mohammed VI Polytechnic University unterstützt der staatliche Phosphatriese insbesondere Innovationen im Bereich der Agroindustrie. Im Rahmen der Initiative Plug and Play Morocco geht OCP jedoch noch weiter und fördert etwa Anwendungen im Gesundheitswesen oder im Bereich der Mobilität.

    Die Moroccan Agency for Sustainable Energy (MASEN) fördert Start-ups im Bereich der erneuerbaren Energien - hauptsächlich im Rahmen des Cluster Solaire Programms. Die Moroccan Information Technopark Company (MITC) hat mit Unterstützung der Regierung und von Banken sogenannte Technoparks in Casablanca, Rabat, Tanger und Agadir errichtet. Erneuerbare Energien, Informationstechnologie und Telekommunikation stehen dort im Vordergrund.

    Im Bereich Industrie 4.0 soll die Fez Smart Factory Start-ups auf den Weg bringen. Rund 11 Millionen US$ werden zunächst in das Projekt investiert. Ab Mitte 2023 sollen neben einer Modellfabrik 4.0 zahlreiche intelligente Fabriken entstehen. Auch als Gründerzentrum soll sich das Gelände der Fez Smart Factory einen Namen machen. Mit der Entstehung von rund 200 industriellen Start-ups wird in den kommenden zehn Jahren gerechnet.

    Auswahl an Acceleratoren in Marokko

    Name

    Fokus

    Anmerkungen

    Technopark

    Technologie, übergreifend

    HSeven

    Übergreifend

    Endeavor

    Übergreifend

    Startup Maroc

    Übergreifend

    Betreut unter anderem Start-ups, die über den Fonds Innov Invest laufen.

    Happy Ventures

    Open Innovation

    Kluster CFCIM

    Übergreifend

    Unterstützt durch die französisch-marokkanische Handelskammer

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Erfolg von Internationalisierung abhängig

    Eine stärkere internationale Ausrichtung dürfte für eine expansive Entwicklung des marokkanischen Ökosystems erforderlich sein. Einerseits bietet sich Marokko als Testmarkt an, um dann international weiter zu expandieren. Andererseits stellt die mangelhafte Kooperation in der Maghreb-Region ein Hindernis für das Wachstum dar. Diese Erfahrung hat etwa die Onlinehandelsplattform Chari bei ihrer Expansion nach Tunesien gemacht. Dort musste das Start-up bis auf der Beibehaltung des Namens komplett neu aufgestellt werden.

    Auch die Sprache kann entscheidend sein. Gründern, die eine spätere internationale Expansion ins Auge fassen, wird empfohlen, ihr Geschäftsmodell von Anfang an auch auf Englisch, der Sprache der Investoren, zu konzipieren. Eine Reihe von Institutionen und Unternehmen haben diesen Ratschlag auch schon befolgt. Das könnte sich schnell bezahlt machen, denn ein Großteil der Venture-Capital-Fonds ist in anglophonen Ländern ansässig. In jedem Fall dürfte es lediglich mit einer Ausrichtung über die Grenzen des Königreiches hinaus möglich sein, Marokkos erstes Einhorn zu züchten.

    Ausgewählte Top Start-ups in Marokko

    Name

    Kapitalbeschaffung in Mio. US$

    Branche

    Mubawab

    17,0

    Online-Marktplatz für Immobilien

    S2M Casablanca

    14,9

    Fintech

    Freterium Casablanca

    7,3

    Logistiklösungen

    Chari.ma

    5,2

    E-Commerce

    Waysto Cap

    3,1

    E-Commerce

    Buzzkito

    1,7

    Co-Working-Space

    Atlan Space

    1,1

    KI für Transport

    KoolSkools

    0,5

    Interaktives Lernen

    Quelle: Digest Africa, Startuplist.africa


    Von Michael Sauermost | Casablanca

  • Start-ups profitieren überschaubar von lokalen Kapitalquellen

    Die Finanzierungskanäle für junge, innovative Firmen in Marokko nehmen zwar zu. Wer hoch hinaus will, muss jedoch internationale Quellen anzapfen.

    Die Finanzierung stellt für marokkanische Gründer in spe eine oft unüberwindbare Hürde dar. Den Geschäftsbanken vor Ort wird generell nachgesagt, tendenziell risikoavers zu sein. Dies gilt allgemein für kleine und mittelständische Firmen und umso mehr für Start-ups. Es mangelt außerdem an anderen nationalen Finanzquellen wie Investmentfonds oder Venture-Capital. Auch im Ausland können sich die im Aufbau befindlichen Unternehmen nur sehr begrenzt finanzielle Mittel beschaffen. Die weitgehende Chancenlosigkeit bei der internationalen Kapitalbeschaffung stellt möglicherweise sogar die größte Hürde dar.

    Mittelbeschaffung verläuft schleppend

    Trotz zahlreicher Initiativen verbessern sich die Möglichkeiten der Mittelbeschaffung nur langsam. Laut der Plattform Disrupt Africa konnten marokkanische Start-ups im Jahr 2021 rund 28,42 Millionen US-Dollar (US$) an Kapital mobilisieren. Das war zwar mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr, entsprach jedoch nur einem Anteil von 1,3 Prozent der in Afrika investierten Summe. Nach Sektoren betrachtet dominierten Fintech, E-Commerce sowie PropTech. Sie machten zusammen etwa drei Viertel der finanzierten Start-ups und 95 Prozent der Finanzierung aus.

    Im "2021 Africa Tech Venture Capital Report" belegte Marokko Rang 11. Gegenüber dem Vorjahr erhöhte sich das vor Ort investierte Risikokapital von rund 11,2 Millionen auf 33 Millionen US$. Auf der anderen Seite bleibt der Abstand zu den führenden Ländern des Kontinents in diesem Ranking sehr groß. Nigeria kam auf Risikokapital in Höhe von 1,8 Milliarden US$. Dreistellige Millionensummen erzielten laut Partech Africa zudem Südafrika (832), Ägypten (652), Kenia (571) sowie Ghana (167).

    Neue Finanzierungskanäle

    Mittlerweile haben sich für Jungunternehmer neue Perspektiven ergeben, Zugriff auf institutionelle Fördermittel zu erhalten. Beispielsweise ist dies über den Risikokapitalfonds Maroc Numeric Fund (für Start-ups im Frühstadium) oder das Centre Marocain de l´Innovation et l´Entrepreneuriat Social (in der Wachstumsphase) möglich. Im Februar 2021 wurde das Crowdfunding-Gesetz (Gesetz Nr. 15-18) verabschiedet. Mit dem Gesetzeswerk will die Regierung nach Angaben des Wirtschaftsministeriums neue Möglichkeiten für junge Unternehmen schaffen. Das Gesetz schaffe einen Regulierungsrahmen, für kollaborative Finanzsysteme, heißt es in einer Meldung des Wirtschaftsministeriums.

    Das typische, beziehungsweise ideale Finanzierungsmodell eines marokkanischen Start-ups könnte folgendermaßen aussehen. Nach dem Startkapital, bei dem auf die Unterstützung von Freunden sowie Familie zurückgegriffen wird, könnte eine Zwischenfinanzierung - beispielsweise über Tamwilcom erfolgen. Danach müsste ein Business Angel mit einer Summe zwischen 30.000 und 50.000 US$ übernehmen. Dies könnte beispielsweise über Angels4Africa abgewickelt werden.

    In der ersten Phase sollte die Einreichung von Patenten beim Office Marocain de la Propriété Industrielle et Commerciale (OMPIC) realisiert werden. Vor allem am Sprung in die dritte Phase scheitern viele lokale Start-ups. Sie sind in der Regel zu klein, um von renommierten Venture-Capital-Gesellschaften entdeckt zu werden, und in den Augen von Business Angels nicht ausreichend entwickelt.

    Mit Unterstützung der Weltbank hat die Regierung den Fonds Innov Invest in Leben gerufen. Dieser wurde zunächst mit einer Summe von 50 Millionen US$ ausgestattet. Mehr als 300 Start-ups wurden auf diesem Weg bereits finanziert. Das öffentliche Unternehmen Tamwilcom managt den Fonds Innov Invest.

    Das Réseau Maroc Incubation et Essaimage (RMIE) ist ein Netzwerk, das vom Nationalen Zentrum für wissenschaftliche und technische Forschung (CNRST) verwaltet wird. Das Centre Marocain de l´Innovation steuert das Programm Intilak. Dies ist für forschungsorientierte Start-ups mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren in der Startphase bestimmt. Dabei muss ein Forschungs- und Entwicklungsmotiv vorliegen. Bis zu 90 Prozent der Projektkosten innerhalb der Grenze von einer 100.000 US$ können übernommen werden. Zusätzlich unterstützt das Innovationszentrum das Forschungsinstrument Tatwir.

    Von Michael Sauermost | Casablanca

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkung

    AHK Marokko

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    La Fédération Marocaine des Technologies de l´Informations et de l´Offshoring (APEBI)

    Verband für Informationstechnologie und Offshoring (vormals: Association des Professionnels de l’Équipementier et de la Bureautique Informatique)

    Moroccan Startup Ecosystem Catalysts (MSEC)

    Verband für das Star-up-Ökosystem Marokkos

    Agence de développement du digital (ADD)

    Marokkos Förderagentur für Digitalisierung

    Tamwilcom

    Finanzgesellschaft, die unter anderem den Fonds Innov Invest managt

    Agence nationale pour la promotion de la petite et moyenne entreprise - (Agence Maroc PME)

    Marokkos Förderagentur für KMU

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