Wirtschaftsausblick I Mauretanien
Wachstum durch neue Wege im Wüstenstaat
Vielversprechende Aussichten: Mauretanien wird sich zum Jahreswechsel 2023/24 in die Riege der Gasproduzenten einreihen. Bergbau und Fischerei stützen das Wachstum.
02.03.2023
Von Michael Sauermost | Casablanca
Wirtschaftsentwicklung: Konjunktur bleibt in schwierigen Zeiten stabil
Die Aussicht für das Wirtschaftswachstum Mauretaniens ist trotz globaler Krisenherde positiv. Im Jahr 2023 und noch stärker 2024 dürfte das Konjunkturbarometer steigen. Die Produktion im Bergbau wird voraussichtlich weiter zunehmen. Ab dem Jahreswechsel 2023/24 soll außerdem das Fördergebiet Grand Tortue Ahmeyim erstmals Erdgas produzieren.
Bergbau bleibt Wachstumsgarant
Generell setzt der Wüstenstaat weiter auf Rohstoffexporte. Eisenerz und Gold machen bislang zwei Drittel der Gesamtausfuhren aus. Die Eisenerzproduktion wird nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) von 13,9 Millionen (2022) auf 16,4 Millionen Tonnen im Jahr 2024 ansteigen. Dazu modernisiert und erweitert die staatliche Betreiberfirma Société National Industrielle et Minière (SNIM) seine Anlagen für den Abbau.
Die Goldexporte konnten 2022 auf voraussichtlich 1,4 Milliarden US-Dollar nach 0,4 Milliarden US-Dollar im Vorjahr deutlich erhöht werden. Im Jahr 2021 hatte es in der Goldmine in Tasiast teilweise Produktionseinschränkungen gegeben.
Das Wachstum im Agrarsektor wird 2023 und 2034 bei rund 4 Prozent liegen. Im Rahmen der gewünschten, wirtschaftlichen Diversifizierung soll die Nahrungsmittelverarbeitung (vor allem Fischerei und Viehzucht) vom Staat weiter gezielt gefördert werden. Derzeit wird Fisch im Wert von 0,7 Milliarden US-Dollar exportiert.
Neuer Rückenwind für 2024 erwartet
Der IWF geht für 2024 von einer realen Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Höhe von 8,1 Prozent aus. Für 2023 rechnet der IWF mit einem Wachstum in Höhe von 4,8 Prozent. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen derzeit die Experten der Economist Intelligence Unit (EIU).
Den Schub im Jahr 2024 erwarten die Analysten dabei in erster Linie durch den Beginn der Gasförderung. Wachstumshemmend könnte sich indes beispielsweise eine Konjunkturflaute in China auswirken. Das Reich der Mitte ist weiterhin der Hauptabnehmer von Eisenerz aus dem Wüstenstaat.
Für die Regierung bleiben die sozialen Herausforderungen, die landesweite Armut sowie die Arbeitslosigkeit, besonders in der jüngeren Bevölkerung, weiter bestehen. Die Haushaltslage Mauretaniens ist jedoch aufgrund von stabilen Rohstoffpreisen im regionalen Vergleich noch relativ gut. Die Verschuldung lag Ende 2021 bei 46,5 Prozent des BIP. Zu Jahresbeginn 2023 wurde eine neue, erweiterte Kreditfazilität (ECF) des IWF in Höhe von 82,75 Millionen US$ zugeteilt.
Das Haushaltsdefizit könnte sich laut EIU 2023 auf 0,4 Prozent vom BIP - gegenüber 2,6 Prozent im Vorjahr - verringern. Im vergangenen Jahr hatte die Regierung Subventionen gezahlt, etwa für Transportunternehmen, welche in diesem Jahr nicht mehr fällig werden.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 8,6 | 9,9 | 4.263 |
BIP pro Kopf (US$) | 2.076 | 2.333 | 51.238 |
Bevölkerung (Mio.) | 4,5 | 4,6 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = x Ouguiya) | 42,9 | 42,9 | - |
Investitionen: Nahrungsmittel, Gas und grüner Wasserstoff im Fokus
Die Regierung wird sich weiter verstärkt darum bemühen, ausländische Investitionen anzuziehen. Dabei könnte aufgrund der wachsenden Bevölkerung und des ungenutzten Exportpotenzials der Agrar- und Lebensmittelsektor stärker in den Vordergrund rücken. Die Regierung sieht diesen Bereich ohnehin zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit vor Ort prioritär.
Längerfristig stehen weitere Investitionen in die großen, unerschlossenen Erdgasreserven des Landes an. Nicht zuletzt die Auswirkungen des Ukrainekrieges haben den Blick internationaler Investoren auf diese Ressourcen geschärft. Und die Produktion von grünem Wasserstoff steht an. Zwei ambitionierte Großprojekte sind in der Planungsphase.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. US$) | Projektstand | Anmerkung/Ansprechpartner |
---|---|---|---|
30 GW Power-to-X-Projekt "AMAN" | 40.000 | in Planung | Großflächige Solar- und Windparks zur Herstellung von grünem Wasserstoff bzw. seiner Derivate; Projektträger: CWP Global |
Offshore-Gasfeldprojekt "Grand Tortue-Ahmeyim" | 1.000 | Fertigstellung Phase I im 4. Quartal 2023, weitere Ausbaustufen geplant | Projektträger: BP, Kosmos Energy, Société des Pétroles du Sénégal, Société Mauritanienne des Hydrocarbures et de Patrimoine Minier |
Trinkwasserprojekt Kiffa | 300 | In Planung | Finanzierung geplant vom Saudi Arabian Public Investment Fund (PIF), dem Kuwait Fund for Arab Economic Development (KFAED), dem Abu Dhabi Fund for Development (ADFD), the Arab Fund for Economic and Social Development (AFESD), dem Opec Fund und der Islamic Development Bank (IsDB) |
Erweiterung der Goldmine "Tasiast" | 150 | im Bau; Fertigstellung 2023 geplant | Kapazitätserweiterung auf 24.000 Tonnen Gestein pro Tag; Projektträger: Kinross |
Modernisierung des Eisenerzwerks "Guelb 1" | 120 | in Planung | Projektträger: Société Nationale Industrielle et Minière |
Brücke von Rosso | 105 | Entstehungsphase | 1.500 Meter lange Brücke über den Grenzfluss Senegal; Hauptauftragnehmer: Poly Changda Engineering |
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite in den Rubriken „Ausschreibungen“ und „Entwicklungsprojekte“.
Konsum: Warten auf Inflationsrückgang
Trotz einer relativ guten Ernte bleibt die Konsumstimmung aktuell getrübt. Die Bevölkerung leidet unter den rasant gestiegenen Verbraucherpreisen. Die Inflation dürfte sich im Jahr 2022 auf etwa 9,5 Prozent belaufen haben. Damit sei voraussichtlich allerdings bereits der Höhepunkt erreicht, prognostiziert die EIU und geht für 2023 von 7,3 und 2024 von 4,0 Prozent aus. Die Banque Centrale de Mauretanie (BCM) erhöhte im August 2022 ihren Leitzins um 200 Basispunkte auf 7 Prozent, um die Inflation einzudämmen.
Außenhandel: Handelsbilanzdefizit soll wieder schrumpfen
Die Rohstoffpreise werden maßgeblich das Ergebnis des mauretanischen Außenhandels bestimmen. Während die weiterhin hohen Erdölpreise die Handelsbilanz gegenwärtig belasten, ruhen die Hoffnungen darauf, dass die Eisenerz- und Goldpreise im Jahr 2023 relativ hoch bleiben. Investitionsgüterimporte für anstehende Gas- und Bergbauerweiterungsprojekte machen sich zudem auf der Einfuhrseite bemerkbar.
Das Handelsdefizit im Verhältnis zum BIP dürfte sich 2023 lediglich moderat verringern. Für das Jahr 2024 wird jedoch durch den Beginn der Gasförderung ein stärkerer Rückgang erwartet.
Viel hängt auch von der wirtschaftlichen Entwicklung in China ab. Denn das Reich der Mitte ist nicht nur maßgeblicher Abnehmer der mauretanischen Eisenerzlieferungen, sondern konsumiert auch gerne den Fisch aus dem Wüstenstaat.
2021 | 2022 1) | Veränderung 2022/2021 | |
---|---|---|---|
Importe 2) | 3.520 | 4.254 | 20,9 |
Exporte 2) | 2.914 | 3.162 | 8,5 |