Wirtschaftsumfeld | Mexiko | Investitionsklima
Nearshoring bringt Mexiko neue Investitionsrekorde
Ein Förderpaket soll den Investitionsschwung auch 2024 erhalten. Doch werden mancherorts Fachkräfte und Industrieflächen knapp, können Probleme mit Strom und Wasser auftauchen.
15.04.2024
Von Björn Lisker | Mexiko-Stadt
Der Nearshoring-Boom beschert Mexiko einen kräftigen Investitionszufluss. Nach vorläufigen Angaben des mexikanischen Wirtschaftsministeriums beliefen sich die ausländischen Direktinvestitionen 2023 auf gut 36 Milliarden US$. Das war ein neuer Spitzenwert.
Besonders ausländische Unternehmen, die bereits in Mexiko aktiv sind, bauen aktuell ihre Kapazitäten aus. Drei Viertel der Direktinvestitionssumme waren Reinvestitionen, 13 Prozent entfielen auf Transaktionen innerhalb der Konzerngruppen, nur 13 Prozent waren Neuinvestitionen.
USA wichtigster Investor
Wichtigste Ursprungsländer des Geldflusses waren der Regierung zufolge 2023 die USA (13,6 Milliarden US$), Spanien (3,8 Milliarden US$) und Kanada (3,5 Milliarden US$), vor Japan (2,9 Milliarden US$). Deutschland kam an 5. Stelle mit direkt investierten 2,4 Milliarden US$. Künftig eine wichtigere Rolle spielen dürfte China, denn chinesische Unternehmen investieren aktuell kräftig im Land. Mit dem Aufbau einer Produktion in Mexiko wollen sie nicht nur ihre Lieferketten stärken, sondern auch im Fall weiterer geopolitischer Spannungen besser positioniert sein. Sollte Washington Wirtschaftssanktionen gegen China verhängen, könnten die chinesischen Betriebe mit Präsenz in Mexiko weiterhin zollfrei in die USA liefern, so das Kalkül.
Die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen entfiel 2023 auf die verarbeitende Industrie, ein Fünftel auf den Finanzsektor und ein Zehntel auf den Bergbau. Dabei bündelten fünf Regionen fast 60 Prozent des Geldzuflusses: Mexiko-Stadt (31 Prozent) und ziemlich gleichmäßig verteilt mit zwischen 5 und 7 Prozent die Bundesstaaten Sonora, Nuevo León, Jalisco und Chihuahua.
Verknappung von Fachkräften und Industrieflächen
Die Kehrseite des Erfolgs: In den Industrieregionen werden die Fachkräfte knapp, Flächen in Industrieparks sind in den attraktiven Regionen derzeit kaum verfügbar. In einigen Regionen wie dem bei deutschen Unternehmen beliebten "Bajío" im Zentrum des Landes sowie im nördlichen Nuevo León sorgen Unterbrechungen der Elektrizitätsversorgung immer wieder für Produktionsausfälle. Auch der Wassermangel besonders im Zentrum und Norden des Landes bereitet Unternehmen Sorgen.
Galt die Wirtschaftspolitik über Jahrzehnte hinweg als verlässlich, so änderte sich dies unter der Regierung des Linkspopulisten Andrés Manuel López Obrador, dessen Amtszeit 2024 endet. Erst brach er den Bau eines neuen Hauptstadt-Flughafens ab und übertrug Bau und Betrieb an einem anderen Standort dem Militär. Während der Pandemie weigerte er sich, der Wirtschaft mit Finanzhilfen oder Steueraufschub zur Seite zu stehen. Die von der Vorgängerregierung gestartete Öffnung des Energiesektors fuhr er zurück und erschwert mit Verweis auf die Stabilität der Netze die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien. Sein im November 2023 publiziertes Dekret, auf bisher nur für den Güterverkehr genutzten Bahnstrecken künftig auch Personenverkehr einzurichten, dürfte die Logistik vor große Herausforderungen stellen.
Unstete Wirtschaftspolitik verunsichert Unternehmen
Bisher vertraut die Privatinitiative darauf, vor unabhängigen Gerichten und bei autonomen Institutionen wie der nationalen Wettbewerbskommission Gehör für ihre Anliegen zu finden. Doch will Präsident López Obrador, der bereits mehrere unabhängige Organe aufgelöst hat, auch diese verbleibenden Institutionen abschaffen und darüber hinaus die Richter der obersten Gerichte künftig direkt vom Volk wählen lassen. Die Kandidatin seiner Partei, Claudia Sheinbaum, hat in allen Umfragen große Chancen auf seine Nachfolge im Präsidentenamt. Sie will an diesen Zielen festhalten.
Neue Energiepolitik nach den Wahlen?
Zumindest in der Energiepolitik hoffen Beobachter nach dem Regierungswechsel im Oktober 2024 auf eine Neuausrichtung. Claudia Sheinbaum ist studierte Physikerin und war Umweltministerin von Mexiko-Stadt. Sie weiß um das große Potenzial der erneuerbaren Energien in Mexiko und darum, dass die global tätigen Unternehmen immer stärker auf grünen Strom angewiesen sind, um internationale Standards zu erfüllen.
Das größte Risiko sehen die Mitglieder der AHK Mexiko denn auch in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. In der Konjunkturumfrage gaben dies 62 Prozent befragten Unternehmen an, vor dem Wechselkurs (51 Prozent), der Rechtssicherheit (36 Prozent) und dem Fachkräftemangel (35 Prozent). Kontinuierlich schlechter nehmen die Unternehmen die Sicherheitslage wahr, was sich in höheren Kosten für den Schutz von Warentransporten und Betriebsgebäuden widerspiegelt. Gleichwohl scheint dieser Aspekt von der positiven Geschäftsentwicklung entkoppelt – was Unternehmer im persönlichen Gespräch mitunter mit einem Schulterzucken als "mexikanisches Paradox" bezeichnen.
Unternehmen | Branche/Werke | Beschäftigte |
---|---|---|
Volkswagen-Gruppe | Kfz-Industrie/Fertigungswerke von VW und Audi in Puebla, VW-Motorenwerk in Guanajuato | 18.000 |
Continental | Kfz-Industrie/22 Werke | 23.000 |
ZF | Kfz-Industrie/19 Werke | 25.000 |
Bosch | Kfz-Industrie, Maschinenbau/14 Werke | 19.000 |
BMW | Kfz-Industrie/Fertigungswerk in San Luis Potosí, eigene Batterieproduktion im Aufbau | 3.700 |
Investitionsförderung: Neue Anreize für exportorientierte Investoren
Im Herbst 2023 erließ Mexikos Regierung ein Paket mit Steueranreizen für Investoren. Dieses bietet exportorientierten Unternehmen die Möglichkeit für Sonderabschreibungen auf die Anschaffung von Anlagegütern, ist aber an vorgegebene Sektoren und Verwendungszecke gebunden. Das Paket läuft bis Ende 2024.
Vergünstigungen der Bundesstaaten müssen bilateral ausgehandelt werden. Optionen sind etwa vergünstigte Lohnsteuern, kostenfreie Grundstücke, die Finanzierung einer Infrastrukturanbindung oder Ausbildungsbeihilfen.
Nachdem 2019 die Investitionsfördergesellschaft ProMéxico aufgelöst wurde, berät die mexikanische Botschaft in Berlin deutsche Unternehmen bei einem Engagement im Land. Es empfiehlt sich zudem, eine der auf diese Thematik spezialisierten, in Mexiko ansässigen Wirtschaftskanzleien zu konsultieren. Die Liste ist bei der AHK Mexiko erhältlich.
Hinsichtlich des Kapitalverkehrs gelten in Mexiko keine besonderen Vorschriften, es sind lediglich die Bestimmungen der OECD einzuhalten.
Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.