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Special Naher und Mittlerer Osten Konnektivität

Arabische Landbrücken - die (noch) untaugliche Alternative

Drei Landrouten über die arabische Halbinsel könnten maritime Krisengebiete zwischen Asien und Europa umgehen. Aber noch ist keine nutzbar – und jede hat mindestens einen Haken.

Von Detlef Gürtler | Berlin

Dubai - Haifa: Probleme bei akuten Konflikten

Im September 2023 machte eine noch gar nicht existierende Handelsroute Schlagzeilen: Der India-Middle East-Europe Economic Corridor, kurz IMEC. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu sprach gleichzeitig von einem "visionären Korridor": Israel könne zu einer "Brücke des Friedens und des Wohlstands" werden: Die perspektivische Landverbindung quer über die Arabische Halbinsel führt vom indischen Mumbai über den Golf-Hafen Dubai und die saudische Hauptstadt Riad bis zum israelischen Mittelmeerhafen Haifa und von dort weiter nach Europa. 

Der ökonomische Nutzen jedoch schien begrenzt: Warum sollte man Güter von Meer auf Land und wieder von Land auf Meer umladen, wo es doch quasi direkt daneben den Suezkanal gibt? Wenige Wochen später gab es eine Antwort: Anschläge der Huthi-Rebellen im Jemen brachten den Schiffsverkehr im Roten Meer und damit auch im Suezkanal praktisch zum Erliegen. Und im Vergleich mit der knapp zwei Wochen länger dauernden Umrundung Afrikas schneidet eine leistungsfähige Landroute durch Arabien schon deutlich besser ab. 

Allerdings hat die geplante IMEC-Route einen großen Haken: Schließlich liegt der Endpunkt der Trasse im israelischen Haifa, und Israel ist eine der Parteien in genau jenem Konflikt, der die Schifffahrt im Roten Meer behindert. Die vermeintliche Alternative im Fall einer politisch bedingten Blockade des Suez-Kanals, wird also genau dann selbst zum Problem, wenn die Krise auftritt. 

Und wenn sich der Nahostkonflikt eines Tages lösen sollte? Dann gibt es etwas weiter südwestlich eine andere Route: historisch bedeutsam, aktuell unmöglich, mit offener Zukunft. Sie führt nicht nach Haifa, sondern nach Gaza.

Dubai - Gaza: Vage Hoffnung auf Friedensdividende

Ein Wiederaufbau Gazas als Hafenstadt am Ende einer Landroute durch Arabien wäre insbesondere für jene Staaten von Interesse, auf die ohnehin ein großer Teil des Wiederaufbaus in Gaza zukommen dürfte: Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und vor allem Saudi-Arabien. Ein Trassenverlauf über Riad, Dschidda, die saudische Zukunftsstadt Neom und das jordanische Akaba würde nicht nur die Wiederaufbau-Milliarden für Gaza mit einer ökonomischen Perspektive verbinden, sondern auch die wichtigsten Entwicklungsregionen Arabiens mit dem Mittelmeer - wie schon einmal vor 2000 Jahren, als Gaza der Hafen des Nabatäer-Reichs mit der Hauptstadt Petra war. 

Geopolitisch wäre eine Aufwertung Gazas zum arabischen Brückenkopf auch für Europa attraktiv: Eine logistische Öffnung zum Mittelmeer kann auch politische Partnerschaften fördern. Schließlich ist eine Westorientierung der arabischen Staaten bei weitem nicht selbstverständlich.

Um eine solche Entwicklung überhaupt auf den Weg bringen zu können, müsste zuerst der Gaza-Krieg beendet und der Wiederaufbau der Stadt und der Neubau des Hafens begonnen werden. Selbst wenn morgen die ersten Baukräne anrücken könnten, würden die ersten Containerschiffe kaum vor dem Jahr 2030 beladen werden.

Irak - Türkei: Stolpersteine auf der "Development Road"

Einen ähnlichen Zeithorizont gibt es auch für eine weitere Trasse einige hundert Kilometer weiter nördlich. Die "Development Road" genannte Route führt durch lediglich zwei Staaten, nämlich Irak und Türkei, und sie ist in diesem Dreier-Wettbewerb der arabischen Landbrücken die schnellste und kürzeste: Zwischen dem irakischen Seehafen Al-Faw und dem türkischen Hafen Mersin liegen nicht einmal 2.000 Kilometer. Doch grenzen mit Iran und Syrien auch an diese Route zwei Krisenherde.

Der Irak verspricht sich von dem Projekt einen Modernisierungsschub: Die Lebensader des Landes entlang der Flüsse Euphrat und Tigris erhielte eine leistungsfähige Straßen- und Bahnverbindung, die Metropolen Basra, Bagdad und Mossul rückten enger zusammen. Zudem könnte die ökonomische Diversifizierung weg vom reinen Ölstaat Fahrt aufnehmen. 

Auf türkischer Seite kommt noch ein weiteres logistisches Argument ins Spiel: der Landtransport nach Europa. Anstatt die Güter im türkischen Mittelmeerhafen Mersin wieder aufs Schiff zu verfrachten, könnten die Trucks auch quer durch Anatolien Richtung Westen fahren. Zumindest für die Länder des Westbalkans wäre der Landtransport günstiger als die Weiterreise über das Mittelmeer. Und in Richtung Osten bestünde sogar zusätzlich Anschluss an den Mittleren Korridor nach Zentralasien und weiter nach China sowie an den Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor (International North-South Transport Corridor, INSTC) in Richtung Russland.     

Aber es gibt zwei Haken: Geld und Grenzgebiete. Auf irakischer Seite werden für das "Development Road"-Projekt Baukosten von 17 Milliarden US-Dollar (US$) kalkuliert - für Hafen-Infrastruktur, Straßen- und Schienenverbindungen. Auf türkischer Seite sind fünf Milliarden US$ im Gespräch. Als internationale Investoren sind bislang Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate mit dabei, im Westen hingegen ist das Interesse gering.

Das liegt auch an den politischen Spannungen in den Grenzregionen: Sowohl auf türkischer wie auf irakischer Seite führt die Trasse der "Development Road" zwangsläufig durch kurdische Gebiete. Wenn es sich um eine logistisch sichere Transitstrecke handeln soll, müssen diese Regionen auch ökonomisch davon profitieren können. Die Vielzahl an politischen Konflikten, welche die Türkei und der Irak in ihren jeweiligen kurdischen Regionen haben, können diese Landbrücke jederzeit einstürzen lassen. Die Trasse könnte aber auch genau jenen frischen Wind in politisch festgefahrene Verhandlungen bringen, der eine ökonomische Lösung möglich macht.

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