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Special | Indien | Konnektivität

Indien-Europa-Korridore verlaufen durch schwieriges Territorium

Die Unsicherheiten im Roten Meer lenken den Blick auf zwei Korridore zwischen Indien und Europa: Einer führt durch sanktionierte Länder, der andere existiert erst zur Hälfte.

Von Marcus Hernig | Bonn

Auch Indien sucht nach Alternativen zum krisengefährdeten Roten Meer: Der Internationale Nord-Süd-Transportkorridor (International North-South Transport Corridor, INSTC) sowie der Indien-Nahost-Europa-Wirtschaftskorridor (India-Middle East-Europe Economic Corridor, IMEC). Multimodal könnten beide Korridore den indischen Subkontinent mit Europa verbinden, ohne dabei den Suezkanal nutzen zu müssen. Nach Angaben der Federation of Freight Forwarders Association in India könnte allein der INSTC die Transportdauer von Mumbai in die EU um 40 Prozent verringern und zusätzlich 30 Prozent an Kosten gegenüber der Suezkanal-Passage einsparen. 

Iran hat Schlüsselfunktion im Transportkorridor

Der 7.200 Kilometer lange INSTC ist bereits seit der Jahrtausendwende in Planung. Der komplette Korridor soll von Mumbai in Indien nach Sankt Petersburg in Russland führen. Über die Ostsee bestünde eine Verbindung in die EU. Ein Nutzen für Europa in absehbarer Zeit ist unwahrscheinlich, da die Strecke mit Russland und Iran durch vom Westen sanktionierte Staaten führt. 

Für den Austausch zwischen Indien und den Ländern der Region einschließlich Zentralasien wächst jedoch die Bedeutung des INSTC. Teilstücke des Korridors von Russland nach Indien über Iran und Aserbaidschan per Schiene und Straße werden bereits genutzt. Weitere Abzweigungen des INSTC könnten die Türkei und den Kaukasus mit Indien verbinden. 

Russland will 2024 rund 4 Millionen Tonnen Fracht durch den Iran transportieren – und damit deutlich mehr als 2023 mit 0,6 Millionen Tonnen. Die Ladungen bestehen überwiegend aus Kohle, die Indien über die iranischen Häfen erreichen soll. Die Transportzeiten über den INSTC betragen mit 15 Tagen von Moskau nach Mumbai via Iran nur noch ein Drittel der Seeverbindung um Europa und durch den Suezkanal. 

Für Russland ist der INSTC daher eine klare Alternative zur Suez-Passage. Nicht zuletzt deshalb ist das Land bereit, 1,6 Milliarden US-Dollar (US$) in den Bau des fehlenden Eisenbahnteilstücks von Rasht in Aserbaidschan nach Astara im Iran zu investieren und somit den Korridor auszubauen. 

Indien investiert in iranischen Hafen

Auch Indien investiert: Im Jahr 2023 hat der Staatskonzern Indian Ports Global Limited (IPGL) 25 Millionen US-Dollar (US$) in sechs neue Krane im iranischen Hafen Chabahar investiert. Im Mai 2024 konnte sich Indien ein zehn Jahre garantiertes Nutzungsrecht für den iranischen Hafen unweit der pakistanischen Grenze sichern.  

Sunil Mukundan, Geschäftsführer von IPGL mit Sitz in Mumbai, wirkt zuversichtlich: "Der Containerhandel in unserem Shahid-Beheshti-Terminal in Chabahar entwickelt sich zuletzt sehr positiv. Das niedrige Niveau des Jahres 2022 von insgesamt 2.500 Zwanzig-Fuß-Containereinheiten (TEU) verzehnfachte sich auf rund 25.800 TEU im Jahr 2023."

Allerdings sind die Zahlen selbst für iranische Verhältnisse bescheiden: Irans größter Hafen Bandar Abbas schlägt jährlich 1,8 Millionen TEU Containerfracht um. Der Hafen ist überlastet, Chabahar kann Ausweichmöglichkeiten schaffen. Der eigentliche Grund für den starken Anstieg des Containerumschlags in Chabahar im Jahr 2023 aber ist, dass Indien über Zentralasien elektronische Produkte aus China importiert. IPGL-Geschäftsführer Mukundan räumt im Gespräch mit Germany Trade & Invest (GTAI) ein:

"Chinesische Firmen nutzen den iranischen Hafen Chabahar für ihre Exporte nach Indien. Mit Verbindungen Richtung Westen hat das nichts zu tun."

Für den Handel mit Europa spielt INSTC bisher keine Rolle

Die EU ist Indiens zweitwichtigster Handelspartner nach den USA. Güter im Wert von rund 122 Milliarden US$ wurden 2023 ausgetauscht. Indien verfügt mit einem Anteil von rund 70 Milliarden US$ sogar über einen deutlichen Handelsbilanzüberschuss. Doch die Handelsströme zwischen Indien und der EU laufen auf dem Seeweg ab – und damit am INSTC vorbei. 

Indischen Exporten via INSTC sind Grenzen gesetzt. Denn die 13 Staaten, die offiziell zum INSTC gehören, sind unbedeutend für Indiens Ausfuhren: Zu Russland und Iran kommen Aserbaidschan, Kasachstan, Armenien, Belarus, Tadschikistan, Kirgisistan, Oman, Syrien, die Türkei und die Ukraine hinzu. Darunter ist die Türkei nach Zahlen von UN Comtrade (2022) mit Exporten im Wert von 10 Milliarden US$ das wichtigste Zielland für indische Produkte. Iran kaufte indische Waren im Wert von gerade einmal 1,8 Milliarden US$.

Der IMEC besteht aus Zukunftsplänen 

Im September 2023 unterzeichneten die USA, Indien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und die EU eine Absichtserklärung für den Indien-Nahost-Europa-Wirtschaftskorridor (IMEC). Die arabische Halbinsel bildet das Herzstück der damals angedachten IMEC-Nordroute. Sie soll über die Häfen Haifa in Israel und Piräus in Griechenland nach Europa führen, was angesichts des Gaza-Konflikts vorerst sehr unwahrscheinlich ist.  

Der östliche Teil des Korridors betrifft die stark befahrenen Seerouten von Indien in die Golfregion. Hier soll Indiens künftiger Tiefwasserhafen Vadhvan nahe Mumbai neue Verbindungen mit Dschabal Ali und Fujairah, zwei Containerhäfen in den VAE, sowie mit zwei Häfen im Oman schaffen. Vadhvan liegt rund 150 Kilometer nördlich von Mumbai und soll 2028 fertiggestellt sein. 

Private indische Konzerne wollen entlang des IMEC investieren: Larsen & Toubro will sich beispielsweise am Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen Abu Dhabi (VAE) und den Häfen Suhar und Maskat im Oman beteiligen. Diese Verbindung ermöglicht die Umgehung der kritischen Meerenge von Hormuz. Bereits 2023 hat die Adani-Gruppe den Haifa Port in Israel für 1,03 Milliarden US$ übernommen. Der indische Konzern antwortete damit auf das Engagement der Shanghai International Port Group in Bay Port, dem zweiten Hafen Haifas.

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