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Das Rote Meer: Krisenanfällige Schlagader des Welthandels

Der Frachtverkehr im Roten Meer wird schon seit Monaten erschwert oder sogar lahmgelegt. Doch die krisengeschüttelte Region könnte zum Hoffnungsträger werden 

Von Detlef Gürtler | Berlin

Nadelöhr mit teuren Alternativen

Etwa 12 Prozent des globalen Seehandels nehmen den 2.400 Kilometer langen Weg durch das Rote Meer und den Suezkanal - und ersparen sich damit den etwa 6.000 Kilometer längeren Weg rund um Afrika herum. 

Zumindest in Friedenszeiten. Die Angriffe der jemenistischen Huthi-Milizen auf Frachtschiffe rund um das Bab al-Mandab, die Meerenge zwischen Jemen und Dschibuti am östlichen Eingang des Roten Meers, haben den Verkehr auf der Suez-Route seit Ende 2023 drastisch reduziert. Wer auf dem Weg zwischen Asien und Europa weiterhin die Abkürzung durch das Rote Meer nehmen will, muss jetzt mit einer Verzehnfachung der Kosten für die Transportversicherung rechnen.  

Für diejenigen, die den Umweg rund um das Horn von Afrika nehmen, verlängert sich die Reise um bis zu zwei Wochen. Das macht den Transport nicht nur teurer, sondern verringert auch die zur Verfügung stehenden Kapazitäten. Entsprechend steigen die Frachtraten: Für einen Vierzig-Fuß-Standardcontainer kostete die Strecke von Schanghai nach Rotterdam Ende Juni 2024 fast 7.000 US-Dollar (US$), etwa fünfmal so viel wie noch ein Jahr zuvor. 

Durch die höheren Frachtkosten steigen zwar tendenziell auch die Verbraucherpreise - aber dieser Effekt ist immer noch weit geringer als in der Coronazeit, als bis zu 20.000 US$ je Container gezahlt werden mussten. Die Auswirkungen der Angriffe im Roten Meer auf die globalen Lieferketten sind nur während der Umstellungsphase drastisch, wenn alle Lieferungen zwei Wochen länger dauern als ursprünglich geplant. Ein zweiwöchiger Produktionsstopp im Tesla-Werk in Grünheide im Februar 2024 wurde damals mit solchen Lieferverzögerungen begründet.

So ist der Suezkanal zwar ein Nadelöhr der Schifffahrt und das Rote Meer eine politische Krisenregion. Aber die längere, geopolitisch stabile Ausweichroute rund um Afrika hält die Folgen von Krisen im Roten Meer für den Welthandel in einem berechenbaren, auch Kunden zu vermittelnden Rahmen. Wer schnellere Lieferungen will und bereit ist, mehr zu zahlen, wählt den Schienengüterverkehr  oder die Luftfracht. 

Blockierte Meerenge behindert regionales Wachstum

Gravierender hingegen sind die Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft. Hatte die Betreibergesellschaft des Suezkanals im Geschäftsjahr 2022/2023 noch einen Rekordumsatz von knapp 10 Milliarden US$ erzielt, rechnet das ägyptische Finanzministerium für 2024 mit einem Rückgang der Einnahmen um bis zu 60 Prozent.

Ebenfalls stark betroffen ist die Tourismusbranche. So sind seit Ende 2023 alle Kreuzfahrten im Roten Meer abgesagt. Ein Hafen wie Akaba in Jordanien, dessen neues Terminal gerade erst ins Kreuzfahrtprogramm aufgenommen worden war, bleibt damit auf seinen Investitionskosten sitzen.

Um Größenordnungen gravierender noch ist das Risiko bei Jordaniens südlichem Nachbar Saudi-Arabien: In den ehrgeizigen Zukunftsplänen der Saudis spielen das Rote Meer und der Tourismus eine herausragende Rolle. “We want a thriving Red Sea economy”, sagte Prinzessin Reema bint Bandar al Saud, die saudi-arabische Botschafterin in den USA, im Juni 2023. Und entlang des Roten Meers sind denn auch die meisten saudischen Giga-Tourismusprojekte angesiedelt – von Strandresorts und Jachthäfen über Kulturtourismus in al-Ula bis zu Trekking- und Skitourismus in den Bergen nahe der Zukunftsstadt Neom im Nordwesten des Landes.

Aus der Entwicklung an den Mittelmeerufern Europas in den letzten 70 Jahren ist bekannt, wie sehr der Tourismus dazu beitragen kann, einst abgelegene, dünn besiedelte Gebiete zu dynamischen Wachstumsregionen zu machen. Für eine ähnliche Entwicklung fehlt dem Roten Meer vor allem Wasser: Praktisch das gesamte Hinterland besteht aus Wüste. Entsalzungsanlagen bieten dafür eine noch vergleichsweise teure Lösung,, die durch Solarstrom jedoch nicht nur grüner, sondern auch günstiger werden dürfte. Ökonomisch stünde einer Boomregion am Roten Meer dann nichts mehr im Wege. 

Übereinstimmung regionaler und globaler Interessen

Begangen werden kann ein Strand-und-Meer-Wachstumspfad allerdings nur, wenn die Region friedlich wird. Denn nicht nur Reedereien mögen keine heißen Konflikte, sondern auch Reiseveranstalter. Derzeit tobt an einem Küstenabschnitt des Roten Meers ein Bürgerkrieg (Sudan), an zwei anderen drohen Kriege (Eritrea und Somalia), weil die Regionalmacht Äthiopien einen Seezugang anstrebt, und am Ausgang des Roten Meers kapern und beschießen jemenitische Terroristen Schiffe und werden mit Luftangriffen attackiert. 

Ein spannungsfreies Rotes Meer wäre deshalb sowohl im Interesse globaler, wie auch regionaler Player: Für die Weltwirtschaft und die großen Reedereien spart es Zeit und Geld - und für die großen Anrainerstaaten Ägypten und Saudi-Arabien eröffnet es große Wachstumspotenziale. Dafür müssten die übrigen, konfliktreicheren Anrainer an dieser Friedensdividende beteiligt werden.

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