Rechtsbericht | Niederlande | Arbeitsrecht
Arbeitsrecht
Das niederländische Arbeitsrecht unterscheidet sich vom deutschen. Im Zweifel sollte bei Abschluss eines Arbeitsvertrags ein Anwalt hinzugezogen werden.
13.07.2023
Von Inge Kozel | Berlin
Mindestlohn: Es gibt einen altersabhängigen gesetzlichen Mindestlohn; für Arbeitnehmer ab 21 Jahren beträgt dieser bei Vollzeitbeschäftigung monatlich 1.934,40 Euro (seit 1. Juli 2023) |
Arbeitsstunden pro Woche: 38 bis 40 Stunden in der Regel bei Vollzeitbeschäftigung; Teilzeit kommt häufig vor |
Regelarbeitstage pro Woche: Gemäß Tarif- oder Arbeitsvertrag |
Zulässige Überstunden: Branchenabhängig |
Bezahlte Feiertage: Gemäß Tarif- oder Arbeitsvertrag |
Bezahlte Urlaubstage: Mindestens das Vierfache der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit; oft greifen tarifvertragliche Regelungen |
Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen (13. und/oder 14. Gehalt): Gesetzliches Urlaubsgeld; 8 Prozent des gedeckelten Bruttojahreslohnes; oft greifen tarifvertragliche Regelungen |
Tage mit bezahltem Arbeitsausfall: Gemäß Absprache der Vertragsparteien; im Übrigen dem Grunde nach, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsausfall zu vertreten hat |
Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: 104 Wochen lang mindestens 70 Prozent des Bruttogehalts (nach unten und nach oben gedeckelt) |
Probezeit: Ein oder zwei Monate, abhängig von der Dauer des Arbeitsvertrags |
Rechtsgrundlagen
Grundsätzlich sind Arbeitsverträge in den Art. 7:610 bis 7:738f des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Burgerlijk Wetboek) geregelt. Außerdem gibt es Bestimmungen im Tarifvertragsgesetz (Wet op de collectieve arbeidsovereenkomst) und Arbeitnehmerentsendegesetz (Wet arbeidsvoorwaarden gedetacheerde werknemers in de Europese Unie). Im Internet sind alle niederländischen Gesetze zu finden. Weitere Regelungen stehen in den allgemeinverbindlichen Tarifverträgen und den Regelungen der Pensionskassen, die neben den gesetzlichen Bestimmungen gelten.
Häufig werden für verschiedene Branchen Tarifverträge (Collectieve arbeidsovereenkomst - CAO) mit verbindlichen Lohnvereinbarungen zwischen Arbeitnehmerorganisationen und Arbeitgebern abgeschlossen.
Vertragsabschluss
Arbeitsverträge können zwar formlos abgeschlossen werden. Bestimmte Vertragsklauseln (wie Probezeit, Vertragsstrafen, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot) sind aber nur schriftlich gültig. Seit August 2022 bestehen deutlich erweiterte Nachweispflichten nach der europäischen Arbeitsbedingungenrichtlinie. Diese ist in den Niederlanden implementiert.
Für Ersteinstellungen ist es wegen des strengen Kündigungsschutzes empfehlenswert und üblich, einen befristeten Arbeitsvertrag zu vereinbaren. Bei Anschlussbefristungen gelten seit 1. Januar 2020 folgende Einschränkungen: Im Laufe von drei Jahren dürfen maximal drei Befristungen erfolgen. Bei einer Unterbrechung von drei Monaten können wieder drei Befristungen vereinbart werden.
Der Mutterschaftsurlaub dauert insgesamt 16 Wochen, davon müssen vier bis sechs Wochen vor der Geburt genommen werden.
Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
Die Niederlande kennen einen Mindestlohn (wettelijk minimumloon). In allgemeinverbindlichen Tarifverträgen, die für viele Branchen gelten, sind andere (höhere) Mindestlöhne und weitergehende Vergütungsansprüche festgesetzt, wie beispielsweise Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit und Überstunden. Üblicherweise wird ein Bruttolohn vereinbart. Der gesetzliche Urlaubsgeldanspruch beträgt 8 Prozent des Jahresbruttogehalts. Die Bemessungsgrundlage ist gesetzlich nach oben begrenzt.
Um die vielen flexiblen Arbeitsverhältnisse zu reduzieren, hat der Gesetzgeber ab dem 1. Januar 2020 die Arbeitgeberprämien zur Arbeitslosenversicherung geändert. Um befristete Arbeitsverhältnisse schneller in unbefristete umzuwandeln, ist die Prämie für befristete höher als die für unbefristete.
Arbeitgeber können ihren Arbeitnehmern steuerfrei Sonderleistungen zukommen lassen. Mit der Arbeitskostenregelung (werkkostenregeling) kann der Arbeitgeber 1,7 Prozent des steuerpflichtigen Lohns aller Arbeitnehmer unversteuert für Geschenke, Prämien oder Betriebsausflüge ausgeben. Dies gilt bis zu einer Lohnsumme von 400.000 Euro. Bei höheren Beträgen beträgt der Prozentsatz 1,18 Prozent.
Vertragsbeendigung
Ein wirksam befristetes Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Zeit, für die es eingegangen wurde. Ebenfalls zu Beendigung führt die Kündigung durch den Arbeitnehmer. In der Regel gilt eine Kündigungsfrist von einem Monat, die vertraglich verlängert werden kann. Tarifverträge können auch eine kürzere Frist für Arbeitnehmer vorsehen.
Für Arbeitgeberkündigungen gilt eine gesetzliche Kündigungsfrist von einem bis zu vier Monaten, je nach Beschäftigungsdauer. Es kann eine längere Kündigungsfrist vereinbart werden, und falls ein Tarifvertrag dies vorsieht auch eine kürzere.
Arbeitnehmer sind vor einer Arbeitgeberkündigung durch eine zwingende präventive staatliche Prüfung der Kündigung geschützt. Abhängig vom Beendigungsgrund erfolgt die Prüfung durch die Arbeitsagentur oder Gerichte. Dies gilt nicht bei einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund oder einer rechtmäßigen Probezeitkündigung.
Das niederländische Recht kennt Kündigungen aus betrieblichen, persönlichen oder verhaltensbedingten Gründen. Bei einer persönlichen oder verhaltensbedingten Kündigung muss sich der Arbeitgeber auf einen der gesetzlich genannten Gründe festlegen (wie Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen, zerstörtes Vertrauensverhältnis, vorwerfbares Verhalten, Schlechtleistung). Bisher musste der Grund die Kündigung rechtfertigen.
Seit 1. Januar 2020 wurde zudem der sogenannte Kumulationsgrund eingeführt, nach dem auch mehrere Gründe, die einzeln nicht schwer genug sind, kumuliert werden können. Bei einer Kumulationskündigung kann das Arbeitsgericht dem Arbeitnehmer eine zusätzliche Kompensation neben der gesetzlichen Abfindung zusprechen. Maximal ist hier die Hälfte der gesetzlichen Abfindung vorgesehen.
Bei einer Arbeitgeberkündigung muss der Arbeitgeber dem Mitarbeiter in aller Regel eine Abfindung zahlen. Ab dem 1. Januar 2020 ist die Abfindung auch bei kurzen Arbeitsverhältnissen zu zahlen. Die Höhe beträgt ein Drittel des durchschnittlichen Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr. Eingerechnet werden alle regelmäßigen Bestandteile wie Bonus- oder Provisionszahlungen oder das gesetzliche Urlaubsgeld. Bei kürzeren Beschäftigungsperioden als einem Jahr erfolgt eine anteilige Anrechnung.
Die Parteien können auch einen Aufhebungsvertrag vereinbaren. Grundsätzlich geht dabei nicht der Arbeitslosengeldanspruch verloren, wenn verschiedene Rahmenbedingungen eingehalten werden. Nach Abschluss eines schriftlichen Aufhebungsvertrags haben Arbeitnehmer ein zweiwöchiges Widerrufsrecht, wenn sie ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt wurden, ansonsten ein dreiwöchiges.