Wirtschaftsumfeld | Nigeria | Wirtschaftsstruktur
Dienstleistungen prägen die Wirtschaftsstruktur
Trotz starkem Dienstleistungssektor ist das Erdölgeschäft noch groß. Zur Verringerung der Rohstoff- und Importabhängigkeit muss die lokale Produktion zunehmen.
18.04.2024
Von Corinna Päffgen | Accra
Nigeria ist mit gut 220 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land in Afrika. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist die Volkswirtschaft die zweitstärkste auf dem gesamten Kontinent.
Viele Branchen mit Chancen für deutsche Produkte
In zahlreichen Bereichen eröffnen sich Möglichkeiten für deutsche Produkte und Dienstleistungen. Dazu gehören die Bereiche Nahrungsmittel und Verpackung, der Ausbau erneuerbarer Energien, die Abfallwirtschaft und das Recycling sowie die Wasser- und Abwasserwirtschaft. Interessant für Liefergeschäfte können zudem die Bauwirtschaft, der Bergbau und die Textilwirtschaft sein.
Von der Agrar- zur Dienstleistungsökonomie
In den vergangenen zehn Jahren hat Nigeria die Transformation von einer stark landwirtschaftlich geprägten Wirtschaft zu einer Dienstleistungsökonomie durchlaufen. Erwirtschaftete der Agrarsektor damals noch fast 40 Prozent des BIP, so sind es heute rund 25 Prozent.
Die wirtschaftlich stärksten Dienstleistungszweige sind der Groß- und Einzelhandel, der Bereich Informations- und Telekommunikation, die Finanzdienstleistungen (Banken und Versicherungen) und die Immobilienwirtschaft.
Der Anteil des Industriesektors an der Bruttowertschöpfung hat sich in den vergangenen zehn Jahren verringert. Betrug er im Jahr 2013 noch 22,2 Prozent, machte er 2023 nur 18,6 Prozent aus. Dies liegt vor allem am Rückgang des Anteils des Öl- und Gassektors am BIP von rund 12 Prozent auf 5,7 Prozent. Das verarbeitende Gewerbe konnte in der vergangenen Dekade seinen Beitrag zum BIP von rund 4 Prozent nur auf 8,6 Prozent ausbauen.
Die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft haben seit den 1990er Jahren nicht zum Ausbau der Infrastruktur oder mehr lokaler Produktion geführt, sondern das Gegenteil bewirkt: Die heimische Fertigung und Agrargüter wurden zunehmend mit teuren Importen ersetzt. Der dadurch entstandenen hohen Abhängigkeit von teuren Importen und vom Öl- und Gassektor will die Regierung nun mit einer Reihe von Programmen zur Förderung der Diversifizierung der Wirtschaft entgegensteuern.
Abhängigkeit von Öl und Gas wird vorerst bleiben
Nigeria verfügt neben Erdöl- und Erdgasreserven über zahlreiche agrarische und mineralische Rohstoffe wie Soja, Sesam, Kakao sowie Eisenerz, Bauxit, Kupfer, Gold, Diamanten und Tantal.
Der Öl- und Gassektor dominiert seit Langem die nigerianische Wirtschaft. Obwohl der Sektor mit einem Beitrag zum BIP mit 5,7 Prozent nur etwas größer als zum Beispiel die Lebensmittel-, Getränke- und Tabakbranche (Beitrag zum BIP: 4,4 Prozent) ist, generiert er den mit Abstand größten Anteil an Devisen und mehr als die Hälfte der Staatseinnahmen. Mit einem Anteil von zusammen 90 Prozent sind Erdöl (49 Milliarden US-Dollar, US$) und Erdgas (7 Milliarden US$) mit Abstand die wichtigsten Ausfuhrgüter.
Zudem ist der Sektor für die Stromgewinnung essenziell. Etwa 50 Prozent des Stroms generieren Gaskraftwerke und rund 30 Prozent Dieselgeneratoren. Auch der indirekte Beitrag zur Wirtschaftsleistung ist bedeutend: Die Öl- und Gasindustrie importiert teure Anlagen und Maschinen sowie Chemikalien und fragt Dienstleistungen nach.
Mittel- und langfristig muss Nigeria jedoch umdenken und Strategien für die Zeit nach dem Öl entwickeln. So gilt es, die Diversifizierung der Wirtschaft weiter voranzutreiben und Alternativen für das Exportgeschäft zu suchen. Grundsätzlich würden sich hier andere agrarische und mineralische Rohstoffe anbieten, zudem würde sich Nigeria als Fertigungsstandort für die Region anbieten. Dazu muss die Regierung allerdings die regulatorischen Rahmenbedingungen schaffen beziehungsweise anpassen. Ein erster Schritt dürfte die Erklärung Nigerias sein, ab April 2024 als Mitglied der „Guided Trade Initiative“ der afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA) den Handel unter den AfCFTA-Mitgliedern in der Praxis zu erproben.
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2023 |
---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 25,2 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung) | 5,7 |
Verarbeitendes Gewerbe | 8,6 |
Energieversorgung (inklusive Wasserversorgung) | 0,7 |
Baugewerbe | 3,6 |
Dienstleistungen | 56,2 |
Nigeria möchte grünen Wasserstoff produzieren
Nigeria verfügt über gute Voraussetzungen für erneuerbare Energien, insbesondere für Solarenergie. Mit dem H2-Atlas-Africa werden die Potenziale für grünen Wasserstoff im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich, dem SASSCAL und WASCAL eruiert. Um die deutsch-nigerianische Wasserstoffkooperation voranzubringen, hat das Auswärtige Amt im November 2021 ein Wasserstoff-Büro in Nigerias Hauptstadt Abuja eröffnet.
Nigeria hat in seinem Nigerian Energy Transition Plan 2022 und dem National Energy Master Plan 2022 einen Wasserstoffentwicklungsplan formuliert. Bislang steht die Wasserstoffwirtschaft in Nigeria jedoch noch ganz am Anfang.
Agrarsektor leidet unter Extremwetterereignissen
Nigerias Landwirtschaft trägt rund 25 Prozent zum BIP bei und beschäftigt die meisten Erwerbstätigen. Wichtigste Säule ist mit großem Abstand die Pflanzenproduktion (crop production). Nigeria exportiert unter anderem Kakao, Sesam, Palm- und Cashewnüsse.
Die größten Herausforderungen für die Landwirtschaft sind zunehmende gewaltsame Konflikte, knappe Wasserressourcen und die Auswirkungen des Klimawandels. Wassersparende Bewirtschaftungskonzepte und entsprechende Technologien werden wichtiger. Zudem dürften Bauern künftig mehr trockenheitstolerante und schneller reifende Pflanzensorten anbauen.
Wirtschaft konzentriert sich auf wenige Regionen
Die wirtschaftlich stärksten Bundesstaaten sind das Handels- und Industriezentrum Lagos, die "Ölstaaten" Rivers und Delta sowie die Hauptstadtprovinz Abuja. Die landwirtschaftliche Produktion findet vor allem im Nordwesten und Nordosten des Landes statt. Nigeria hat mit Lagos, Port Harcourt, Ibadan, Benin City, Kaduna, Kano und Maiduguri sieben Millionenstädte.