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Neue Wachstumschancen in Asien erschließen
Das asiatische Jahrhundert hat begonnen. Unternehmen kommen ohne eine Strategie für die Region nicht mehr aus. Chancen warten, aber auch intensiver Wettbewerb.
05.08.2024
Von Achim Haug | Bonn
An Asien-Pazifik führt kein Weg vorbei, denn die Region ist die am schnellsten wachsende der Welt. Deutsche Unternehmen sollten sich daher eine differenzierte Strategie erarbeiten, die die Stärken und Schwächen der einzelnen Länder einbezieht und Rahmenbedingungen wie Freihandelsabkommen und Handelskonflikte berücksichtigt.
Keine Weltregion wächst schneller
Die Region Asien-Pazifik bleibt laut Internationalem Währungsfonds (IWF) das Wachstumszentrum der Weltwirtschaft: Über 60 Prozent trägt die Region 2024 zum weltweiten Wachstum bei. Zwischen 2024 und 2029 erwartet der IWF im Durchschnitt 4,7 Prozent realen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts für "Developing Asia". Darin werden 30 Volkswirtschaften Asiens zusammengefasst, ohne Industrieländer wie Australien, Japan oder Südkorea. Der Anteil Asien-Pazifiks an der weltweiten Wirtschaftsleistung hat sich seit 1960 auf über ein Drittel fast vervierfacht. Bis 2050 soll die Region über die Hälfte der Weltwirtschaft ausmachen, erwartet die Asian Development Bank.
Das Wachstum in der Region bleibt 2024 mit real 4,5 Prozent laut IWF robust und die Inflation schwächt sich weiter ab. Treiber des Wachstums sind die Binnennachfrage, Technologieexporte und der sich erholende Tourismus. Allerdings sind die Währungen gegenüber dem US-Dollar gefallen, und dadurch werden Importe teurer. Die Zinsentwicklung bleibt ein Risiko.
Im Jahr 2022 betrug die Bevölkerung in Asien-Pazifik rund 4,3 Milliarden Menschen. Der Anteil an der Weltbevölkerung von 53 Prozent dürfte aber fallen. In vielen Ländern stellt die Demographie eine Herausforderung dar. Zum einen altern Gesellschaften rasch und die erwerbstätige Bevölkerung sinkt. Zum anderen haben Länder wie Indien, die Philippinen aber auch China Probleme, genug Jobs zu schaffen. Daher bieten einige Länder Potenzial zur Gewinnung von Fachkräften für Deutschland.
Neue Schlaglichter in der Region
Dabei bahnt sich ein Wechsel an: Indien wird zur wachstumsstärksten Volkswirtschaft, während in China die Zuwachsraten sinken. Die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt bringen dabei nicht nur Dynamik, sondern auch Gewicht auf die Waage: China ist gegenwärtig die zweitgrößte und Indien fünftgrößte Volkswirtschaft. In den kommenden Jahren soll Indien zuerst Japan und dann auch Deutschland überholen und spätestens bis Ende des Jahrzehnts auf Rang 3 vorrücken. Ob China, wie vorausgesagt, die USA an der Spitze ablösen wird, ist angesichts der schwachen Wachstumszahlen nicht mehr ausgemachte Sache.
Besonderes Augenmerk ziehen zudem die zehn Staaten des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN) auf sich. Vor allem als Alternative zu China kommen die Länder der Region in den Fokus, sei es die lohnkostenintensive Produktion in Vietnam, der Kfz-Cluster Thailands oder die Halbleiter- und Solarzellenfertigung in Malaysia. Zusammengenommen haben die Länder rund 670 Millionen Einwohner und gehören zu den wachstumsstärksten der Welt.
Megatrends im Zeitraffer
Die weltweiten Umbrüche vollziehen sich auch in Asien, nur häufig noch etwas schneller. Das können Trends wie Digitalisierung, Automatisierung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz sein, aber auch große Herausforderungen wie Alterung der Gesellschaften, schuldenfinanziertes Wachstum oder die Auswirkungen des Klimawandels. Viele asiatische Gesellschaften eint ein pragmatischer und gemeinschaftsorientierter Ansatz für die Themen. Bewundert werden Wachstumsgeschichten wie Singapur, Südkorea oder Taiwan, die durch Bildung und eine Kombination von privatem Unternehmertum mit staatlichem Rahmen ein hohes Wohlstandsniveau geschaffen haben.
Das verarbeitende Gewerbe und Exporte gelten als Wachstumsmotoren. Zudem wird die wirtschaftliche Tätigkeit nicht selten staatlich gelenkt oder beschränkt. Dazu zählen Local-Content-Vorschriften, Lizensierungsauflagen, Investitionsgenehmigungen oder Zölle. Alle Länder setzen auf einen Aufstieg in den Wertschöpfungsketten und fördern Investitionen.
Innovative Wettbewerber entstehen
Schon heute steht Asien-Pazifik für fast 60 Prozent der globalen Kfz-Produktion, 82 Prozent der Halbleiterproduktionskapazitäten und rund 85 Prozent der Batteriekapazitäten. Und die Weichen werden für die Zukunft gestellt: In der Region werden die Hälfte der globalen Patente (PCT) angemeldet und alle Top 5 Innovationscluster finden sich laut Global Innovation Index hier. Für deutsche Unternehmen bedeutet das, dass in Asien-Pazifik starke Wettbewerber heranwachsen.
Die Wachstumstreiber sind unterschiedlich ausgeprägt. Zum Teil entfalten sich noch Nachholeffekte aus der Coronapandemie. So beleben sich in einigen Ländern die Bauaktivitäten. Besonders deutlich wird der Aufschwung aber im Tourismus, darunter in Japan, Malaysia und Thailand. Die Neuorientierung der Lieferketten und Produktionszentren nimmt Fahrt auf. Alternativen zu China werden gesucht, in Vietnam und Indien besonders häufig. Aber auch Japan und Südkorea können für Hightech-Produkte eine Rolle spielen oder Indonesien und die Mongolei als Alternativen für kritische Rohstoffe.
Gleichzeitig wird die Transportinfrastruktur massiv ausgebaut, auch um Meerengen zu umgehen. Werden diese Großprojekte nicht nachhaltig finanziert, droht eine Schuldenspirale, auch durch hohe Verbindlichkeiten gegenüber China. Nachhaltigere Alternativen bieten multilaterale Banken wie die Asian Development Bank, aber auch die EU-Initiative Global Gateway.
Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel
Der Klimawandel stellt eine große Herausforderung dar, Asien-Pazifik kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Die Region leidet schon heute mit am stärksten unter extremen Wetterphänomenen wie Hitze in Nordindien, Wassermangel im Mekongdelta oder Starkregen und Stürmen in den Pazifikanrainern. Die küstennahen Megacities sind durch steigende Meeresspiegel bedroht.
Die Region steht für rund die Hälfte der weltweiten CO2-Emissionen und beheimatet fünf der größten Treibhausgasemittenten. Ohne ein Bremsen der immer noch steigenden Emissionen in Asien wird der weltweite Kampf, den Temperaturanstieg zu stoppen, erfolglos bleiben. Daher werden gewaltige Investitionen in erneuerbare Energien, saubere Transportmittel und Klimaanpassung gelenkt, inklusive Wassermanagement. Nicht zuletzt durch die CBAM-Regeln der EU steigt der Druck zu grünen Produktionsprozessen.